Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken: Konzeption einer Veranstaltungsreihe in der Stadtbibliothek Bad Oldesloe

DOI: http://dx.doi.org/10.11588/ip.2016.1.23822

Tim SCHUMANN

Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken: Konzeption einer Veranstaltungsreihe in der Stadtbibliothek Bad Oldesloe

Zusammenfassung

Urban Gardening ist mehr als ein Trend. Öffentliche Bibliotheken sollten sich diesem in der Suche nach einem neuen Selbstverständnis und ihrer Rolle in einer digitalen Gesellschaft nicht verschließen. In der Stadtbibliothek Bad Oldesloe wurde eine ganze Veranstaltungsreihe rund um dieses Thema organisiert und in Form eines Makerspaces mit modernen Formen des gemeinschaftlichen Lernens verknüpft. So konnte sich die Stadtbibliothek als moderner und innovativer Lernort positionieren und neue Initiativen in der Stadt anstoßen.

Schlüsselwörter

Community Building, Gemeinschaftsgarten, Greening Libraries, Makerspaces, Öffentliche Bibliothek, Umweltbildung

Abstract

Urban Gardening is more than a trend. Public Libraries should not ignore this in their search for a new understanding and their role in the digital age. The Public Library of Bad Oldesloe created a series of events around that topic and combined it with a makerspace with new forms of learning in communities. By that, the Public Library presented itself as an innovative learning space and helped to engage some initiatives in the city itself.

Keywords

Community Building, Community Garden, Greening Libraries, Makerspaces, Public Library, Environmental Education




Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand und bisherige Initiativen von Greening Libraries

3 Die gesellschaftspolitische Dimension des Urban Gardening

4 Bibliotheken als urbane Werkstätten von morgen

4.1 Abkehr vom Wissensspeicher

4.2 Makerspace Bibliothek, Makerspace Garten

5 Praxisprojekt „Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken“

5.1. Konzeption der Veranstaltungsreihe

5.2 Finanzierung

5.3 Öffentlichkeitsarbeit

5.4 Bildausstellung und Medientisch

5.5 Vortrag zum Thema Urban Gardening

5.6 Workshop zum Thema Urban Gardening

5.7 Workshop zum Bau von Insektenhotels

5.8 Nachwirkungen

6 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Autor

1 Einleitung

„Grüne Bibliotheken auf die Tagesordnung“ forderte Petra Hauke auf dem Bibliothekartag 2014. Von ca. 2000 Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland würden lediglich 53 auf Energie- und Wassersparmaßnahmen und konsequente Mülltrennung achten oder sich z.B. am Fairtrade-Programm ihrer Stadt beteiligen. Hauke und Werner bemängeln ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein „für die ökologische Bildung der Gesellschaft und die Konsequenzen daraus für die Bibliothekspraxis“ (Hauke & Werner 2014:101-102), womit nicht nur ein gesellschaftlicher Trend missachtet wird. Vielmehr verbergen sich dahinter „ganz konkrete Chancen für Bibliotheken, [sich] als Bildungsinstitutionen mit gesellschaftlicher Verantwortung und einem anspruchsvollen beruflichen Ethos“ (:101-102) zu präsentieren. So plädiert auch Olaf Eigenbrodt dafür, diese Themen in ein verantwortungsvolles Management zu integrieren, eigene Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und die Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen zu suchen. (Eigenbrodt 2013: 127-129) Eine Möglichkeit dazu bieten die Debatten um die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik, die mit dem stärker werdenden Trend des Urban Gardening eine neue Dimension erreicht. Themen wie lokale Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit oder Urbane Landwirtschaft stehen immer stärker im Fokus. Mit der Ausrufung des Wissenschaftsjahres 2015 und der Frage der Zukunftsstadt ist das Thema auch in der Politik angekommen. So organisierte z.B. das Bundesministerium für Bildung und Forschung zusammen mit der Internetplattform mundraub (mundraub 2015) für den 17. August 2015 eine gemeinsame 'Stadternte', um damit das Thema der 'grünen' Nahrungsmittelproduktion mitten in der Stadt bekannter zu machen. (Wissenschaftsjahr 2015)


Diesem Trend können sich Bibliotheken anschließen und damit nicht nur ihr eigenes Selbstverständnis hin zu einer grünen Bibliothek erweitern. Sie können der Politik aufzeigen, dass Bibliotheken bedeutende Faktoren der Umsetzung gesellschaftspolitischer Aufgaben sind, was sie z.B. bei den Themen Integration und Inklusion bereits vorleben. Bibliotheken können sich hier als moderner und innovativer Treffpunkt und Informationsort präsentieren, indem sie sich für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung einsetzen. Gleichzeitig präsentieren sie sich als Akteurinnen der kommunalen Politik, als Schnittstelle, bestimmte Themen aktiv in eine Gemeinde zu tragen und neue Netzwerke zu knüpfen.


Dieses große Ziel wurde im Sommer 2015 in der Stadtbibliothek Bad Oldesloe auf kommunaler Ebene erprobt, wobei die Gegebenheiten und Möglichkeiten der Stadtbibliothek mitbedacht werden mussten.1 So war es der Stadtbibliothek nicht möglich, eine Gartenlandschaft nach dem Vorbild der Agroteca in Meddelin (Agroteca 2015) aufzubauen oder auf dem Dach einen Gemeinschaftsgarten anzulegen, wie z.B. das potage-toit auf dem Dach der Koninkijke Biliothèque Royale in Brüssel. (potage-toit 2015) Auch der Bau von Hochbeeten auf den Grünflächen der Stadtbibliothek war leider nicht möglich. Dafür existiert im ca. 23.000 EinwohnerInnen großen Bad Oldesloe eine lebendige Zivilgesellschaft, an die die Stadtbibliothek anknüpfen konnte. Durch das Anbieten ihrer räumlichen Ressourcen sollte sie sich als barrierefreier Treffpunkt für Menschen und Gruppen und als Raum des zivilgesellschaftlichen Engagements rund um das Thema Urban Gardening darstellen.


Zusätzlich sollte das Thema Makerspace Bibliothek mit dem Thema Urban Gardening verbunden werden. Öffentliche Bibliotheken und Gemeinschaftsgärten teilen viele gemeinsame Ziele. Sie sind Lernorte und soziale Treffpunkte, funktionieren nach dem Prinzip der Ressourcenteilung, wollen zur Emanzipation der NutzerInnen beitragen und ein Ort, möglichst frei von Diskriminierungen sein. Dazu treffen viele Ideen eines Makerspaces auch auf Gemeinschaftsgärten zu. Beide verstehen sich als integrative und partizipative Orte des Experimentierens, der Kreativität und des gemeinsamen und spielerischen Entdeckens.


Mit diesen Vorüberlegungen wurde ein Konzept für eine Veranstaltungsreihe rund um das Thema Urban Gardening für die Stadtbibliothek Bad Oldesloe entworfen. Ziel dieses Aufsatzes ist es, neben der Darstellung der durchgeführten Veranstaltungsreihe auch den gesellschaftspolitischen Kontext zu beleuchten, in dem sich das Thema Urban Gardening bewegt und warum Bibliotheken dieses Thema als ein zukünftiges Arbeitsfeld begreifen sollten. Gleichzeitig wird aufgezeigt, warum die Einrichtung von Makerspaces eine gute Methode sein kann, Urban Gardening in die Bibliothek zu bringen.


Daher wird zuerst die Entwicklung des Themas grüner Bibliotheksarbeit dargestellt. Diesem folgen Darstellungen zu den gesellschaftspolitischen Entwicklungen des Urban Gardening und Gemeinschaftsgärten. Im folgenden Abschnitt werden diese Erkenntnisse mit dem Thema Makerspace verknüpft. Vieles kann aufgrund seiner Vielschichtigkeit nur angerissen werden. Dennoch soll deutlich werden, auf welchen Ebenen die Idee, Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken zu verknüpfen, wirkt und welche Auswirkungen mit diesem neuen Arbeitsfeld einhergehen können. Somit wird die Grundlage gegeben, die Veranstaltungsreihe der Stadtbibliothek in einen Kontext einzubetten und die einzelnen Schritte nachvollziehen zu können. Das Fazit wird die wesentlichen Auswirkungen zusammenfassen und einen Ausblick auf weitere Initiativen geben.

2 Forschungsstand und bisherige Initiativen von Greening Libraries

Am 03. August 2015 verabschiedete die American Library Association die Resolution „on the importance of sustainable libraries“ (ALA 2015). Bibliotheken sollen darin eine aktive Rolle im Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft einnehmen, denn “libraries are uniquely positioned and essential to build the capacity of the communities they serve to become sustainable, resilient, and regenerative” (Miller 2015). Bis zu diesem Schritt der ALA war es jedoch ein langer Weg. Eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Greening Libraries ist erst seit der Jahrtausendwende vor allem im anglo-amerikanischen Raum zu finden. (Hauke 2014: 64) Im gleichen Zeitraum hat die IFLA eine Arbeitsgruppe 'Environmental Sustainability and Libraries' initiiert. (Eigenbrodt 2013:66)


Die Arlington Public Library stellt, neben vielen anderen aktiven Bibliotheken, die hier leider nicht dargestellt werden können, derzeit wohl das beste Beispiel einer grünen Bibliothek dar. Mit dem Programm Arlington Reads – Arlington Grows knüpft sie an kommunale Nachhaltigkeitskonzepte an und mit der Errichtung eines Gemeinschaftsgartens und Kursen zum ökologischen Nahrungsmittelanbau stärkt sie ihre Rolle als eine zentrale Institution der Gemeinde. Sie positioniert sich als Einrichtung, die eine große Verantwortung für die Gemeinde übernimmt. (Hauke 2014:66) Gleichzeitig arbeitet sie mit dem Arlington Food Association Center, zusammen, das die Verteilung von Lebensmittelspenden an Bedürftige der Gemeinde organisiert. Sogar eine ehrenamtlich betreute „Tool Library“ (Arlington Public Library 2015) wurde eingerichtet.


In Deutschland startete eine fachliche Diskussion erst durch Martin Götz' Plädoyer für Grüne Bibliotheken im Jahr 2012, die sich aber weitgehend auf architektonische Aspekte beschränkte. Im Jahr 2013 gab es ein erstes Seminar zum Thema grüne Bibliotheken an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Inzwischen existiert sogar eine Checkliste mit deren Hilfe, Ausstattung und Management einer Bibliothek auf ihre ökologische Nachhaltigkeit geprüft werden kann. (Hauke & Werner 2014:102-104) Dennoch ist dieses Arbeitsfeld in Deutschland bis auf sehr wenige Ausnahmen weitgehend 'unbestellt' und wird lediglich durch Einzelinitiativen erweitert, wie z.B. die Stadtteilbibliothek Berlin-Tiergarten, die sich neben dem urbanen Gärtnern, dem Do-it-Yourself, der Sprach- und Leseförderung und zahlreichen Workshops, z.B. zum Imkern, einen einzigartigen Schwerpunkt gesetzt hat. Sie verfügt sogar über die deutschlandweit bisher einzigartige Saatgutbibliothek in einer Öffentlichen Bibliothek. (Kroll 2015:22-23) 2


3 Die gesellschaftspolitische Dimension des Urban Gardening

Die Idee und die Notwendigkeit, in den Städten zu gärtnern ist nicht neu. In vielen Städten des globalen Südens Gärtnern viele Menschen oft aus Gründen der Subsistenz. In den Städten des globalen Nordens geschieht dies inzwischen eher aufgrund der Bedeutung des lokalen Nahrungsmittelanbaus sowie der Frage des urbanen Lebens und der Partizipationsmöglichkeiten in der Stadt. (Müller 2012:22) Christa Müller beschreibt, dass die Grenzen von Stadt und urbanem Leben und Kultur und Natur „neu verhandelt und vergesellschaftet“ (:22) werden und die Bepflanzung von städtischen Flächen mit „neuen Formen von Sozialität und Kollektivität“ (:23) verbunden wird.


Da Gärtnern oft ein partizipativer und an der Gemeinschaftlichkeit orientierter Vorgang ist, werden Gärten als Lern- und Begegnungsorte entdeckt und konzipiert, an dessen Ausgestaltung die gesamte NachbarInnenschaft teilnehmen soll. Viele wollen gerade in einer Gemeinschaft neue Erfahrungen der Partizipation machen, neues Wissen erwerben und austauschen und ihr urbanes Umfeld mitgestalten. Dabei wollen Garteninitiativen oft in ihr Umfeld hinein wirken und positionieren sich inzwischen als 'urbane Lernwerkstätten'. Sie bieten eine Vielzahl von Kursen zu gärtnerischen Themen oder Imkern, organisieren z.B. aber auch Fahrradtrainingskurse für MigrantInnen. (:30-32) Somit weisen sie viele Parallelen zu der gegenwärtig diskutierten zukünftigen Rolle von Öffentlichen Bibliotheken auf. Daher plädiert Christa Müller abschließend, dass „ganz neue Interessenskonstellationen zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren“ (:51) entwickelt werden müssen, wenn die Zukunft der Gesellschaft und der Städte im Sinne dieser gemeinschaftlichen und nachhaltigen Ideen stehen soll.


Auch die politische Dimension des Urban Gardening ist stark gewachsen, was zahlreiche globale wie lokale Initiativen und inzwischen auch Gesetze zeigen. So unterzeichneten 46 BürgermeisterInnen globaler Metropolen 2015 den Urban Food Policy Pact, der eine Willensbekundung von Städten wie New York, Peking, London, Tel Aviv oder auch Frankfurt/Main darstellt, für eine nachhaltige und sozial gerechte lokale Ernährungspolitik zu arbeiten. (Turk: 2015) In Frankreich wurde im Frühjahr 2015 ein Gesetz erlassen, alle neuen Gebäude in Gewerbegebieten teilweise mit Dachbegrünung auszustatten. (The Guardian, 20. März 2015) In Deutschland hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) mit dem Grünbuch Stadtgrün die Bedeutung des Urban Gardening anerkannt. Neben Forderungen, mehr Freiheiten für zivilgesellschaftliches Engagement einzuräumen, wird auch die Bedeutung grüner urbaner Infrastrukturen für den sozialen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Partizipation benannt. Dabei spricht sich das BMUB ausdrücklich für „kooperative Ansätze mit zivilgesellschaftlichen und privatgesellschaftlichen Akteuren“ (BMUB 2015:34) aus.


Auch die gemeinsam von Bund, Ländern und Gemeinden entwickelte nationale Stadtentwicklungspolitik setzt auf eine Stadt der Zukunft, die klimafreundlich ist und auch viele Bundesländer haben für sich eigene Konzepte entworfen. So hat Nordrhein-Westfalen den Leitfaden „Urbanes Grün – Konzepte und Instrumente“ entwickelt, Berlin im Jahr 2012 das Konzept „Strategie Stadtlandschaft – natürlich urban produktiv“ und Hamburg im Jahr 2014 die „Gründachstrategie“ ins Leben gerufen. Dazu besteht seit 2012 das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ (:17) dem inzwischen mehr als 100 Kommunen angehören. In diesem soll neben der gezielten grünen und nachhaltigen Entwicklung vor Ort auch explizit Bürgerengagement belohnt werden.

4 Bibliotheken als urbane Werkstätten von morgen

4.1 Abkehr vom Wissensspeicher

Die Frage nach der Zukunft der Bibliotheken ist derzeit stark diskutiert, wie z.B. auf der ekz-Frühjahrsmesse 2015 deutlich wurde. Dabei wurde klar, dass ein weiteres Selbstverständnis als Wissensspeicher ins Abseits führt. Vielmehr müssen sich Bibliotheken zu einem Co-Working-Hub oder einem Makerspace als Zukunftsfeldern hin öffnen. Auf diese Weise können Bibliotheken „Orte der Transformation“ (Schleh 2015) werden und in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft als physische Orte eine neue Bedeutung erhalten, sofern sie diesen Wandel mit gestalten. Bernd Schleh fasst zusammen: „Bibliotheken haben das Potential, die 'urbanen Werkstätten' von morgen zu werden“ (Schleh 2015).


Jonas Fansa hebt hervor, dass Bibliotheken sich in einem permanenten Neuerfindungsprozess befinden müssen, wenn sie sich zum „gesellschaftlichen Schwerpunktort“ (Fansa 2015:438) weiterentwickeln wollen. So müssen sie eine Vielfalt von Informations- und Entspannungsangeboten anbieten, zum denen auch ein Bibliotheksgarten gehören kann. In diesem Sinne kann eine Bibliothek sich zu einer „Befähigungsagentur“ (:439) entwickeln, in dem sie sich z.B. immer stärker zu einem Makerspace oder Fab Lab verändert, Partizipation einfordert und eine Rolle in der Stadtentwicklung wahrnimmt. Daraus folgt eine neue zentrale Aufgabe von Bibliotheken, die am Besten durch eine Interaktion der NutzerInnen miteinander und mit ExpertInnen erfolgen soll und Individuen „ermächtigen […], ihre eigenen Biografien zu gestalten“ (:439). Oft wird bei der Zukunft der Bibliotheken auch auf die Zusammenarbeit mit lokalen zivilgesellschaftlichen Initiativen und kommunaler Politik hingewiesen, die mit einbezogen werden sollten. Dadurch können sie ihrer Funktion als sozialer Ort noch einmal stärker gerecht werden. Robert Barth sieht diesen Prozess vor allem für Bibliotheken im ländlichen Raum als nötig an, da sie sich viel stärker „zu einem sozialen Zentrum der Gemeinde“ (Barth 2015:429) weiterentwickeln müssen und ein Ort des Austauschs und der Weiterbildung werden, (:427-429) denn „je mehr das Leben einer Gemeinde Platz in der Bibliothek findet, desto eher wird die Bibliothek ihren Platz in der Kommune behaupten“ (Dudek 2015:396).

4.2 Makerspace Bibliothek, Makerspace Garten

Die Ideen der Makerspaces folgen denen der Hackerspaces, in denen Mitte der 1990er Jahre Infrastrukturen sowie Soft- und Hardware gemeinschaftlich von einer unabhängigen Community zum Programmieren genutzt wurden. Dieser kollaborative Ansatz erhielt in der Folgezeit eine Erweiterung, so dass Menschen begannen, auch andere Räume für die gemeinsame Nutzung und das gemeinsame Experimentieren einzurichten. 2005 war dann erstmals von einem Makerspace zu lesen. Daraus entwickelte sich ein breites Spektrum an Ausprägungen, die neben einem (computer)technologischen Ansatz auch einen künstlerischen oder handwerklichen besitzen können und somit von der Nähmaschine bis zum 3-D-Drucker reichen. (Meinhardt 2014: 479-480)


Die Idee hinter diesen Räumen liegt im gemeinschaftlichen Teilen, Benutzen und Experimentieren, am gemeinsamen Sammeln von Erfahrungen und am Austausch darüber. (:480) So stellen sie ein Produkt des Wandels des individuellen Lernens dar, das sich nicht mehr nur in formalen, also z.B. schulischen Bahnen bewegt. Gegenwärtig liegt ein Kern des Erwerbs neuen Wissens im Sammeln eigener, neuer Erfahrungen. Die Art und Weise des Lernens ist in Makerspaces nicht vorgegeben und kann eine große Bandbreite aufweisen. So können neben der Reparatur von Fahrrädern auch 3-D-Drucker bedient werden. (Bagley:2012) Ein Makerspace lebt davon, dass Menschen sich zusammenfinden, gemeinsam kreativ sind, ihre Ressourcen und ihr Wissen teilen. Zentraler Kern ist das spielerische Erlernen während sie auf gesellschaftlicher Ebene helfen „[to] encoureage women and underrepresented minorities to seek careers in those fields“ (Britton:2012).


Für diesen gesellschaftlichen Effekt von Makerspaces ist die Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen von Bedeutung, die den Makerspace mitgestalten. Damit stellen Bibliotheken ihre Infrastrukturen und Ressourcen auch für die Vernetzung von Menschen zur Verfügung, die damit eigene Ideen umsetzen können. (Vogt 2015:444) Deshalb stehen für Britton die Menschen im Zentrum des Makerspaces: „Community members are the heart of any Maker space“. (Britton, 2012) Ein wichtiger Effekt dabei ist die gegenseitige Einflussnahme. „Just as libraries are reflections on their patrons, Maker spaces can reflect the needs and desires of the local residents“. (Britton, 2012)


In diesem Sinne können auch gärtnerische Makerspaces ein Teil bibliothekarischer Arbeit sein, mit denen Bibliotheken „an gesellschaftliche Trends und Bildungsbedürfnisse an[knüpfen]“ (Meinhardt 2014:482).

5 Praxisprojekt „Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken“

5.1. Konzeption der Veranstaltungsreihe

Ziel war es, die Stadtbibliothek Bad Oldesloe in einen Urban Gardening-Makerspace umzuwandeln, den Raum Bibliothek umzudenken und neue Formen des gemeinsamen Lernens anzubieten. Die Stadtbibliothek sollte dabei eher passiv wirken, den Raum den NutzerInnen des Makerspaces überlassen und lediglich die Infrastrukturen bereitstellen. Damit sollte sich die Stadtbibliothek einerseits als moderner und kreativer Lernort präsentieren, als Vernetzungsort für die Gemeinde fungieren und der Politik und der Gesellschaft über das Thema signalisieren, dass sie Verantwortung für die Zukunft der Gemeinde übernimmt.


Weil es sich dabei um eine deutschlandweit bisher einzigartige Verknüpfung von Themen in einer Öffentlichen Bibliothek handelt, muss der experimentelle Charakter der geplanten Veranstaltungsreihe hervorgehoben werden. So sollte am Ende nicht nur geprüft werden, welche Veranstaltungsform von den NutzerInnen der Stadtbibliothek auf Interesse stößt. Gleichzeitig sollte erprobt werden, welche Rolle die Stadtbibliothek bei der Themensetzung in der Gemeinde selbst spielen kann.


Die zentralen Veranstaltungen sollten einen Workshopcharakter haben und möglichst durch lokale PraktikerInnen und ExpertInnen aus Gemeinschaftsgärten und Umweltbildung in der Stadtbibliothek ihr Wissen vermitteln. Zielgruppe war neben allen Interessierten zum Thema auch eine Schulklasse für den Bereich der Umweltbildung.


Bad Oldesloe weist für ein solches Vorhaben eine lebendige Zivilgesellschaft auf, die die Stadt aktiv mitgestaltet und zahlreiche Anlaufstellen anbietet. So finden im Bella Donna Haus z.B. Ausstellungen und Workshops statt, der Treffpunkt Drachenturm besteht als offener Kindertreff, das Mehrgenerationenhaus OASE ist ein Treffpunkt für Familien mit einem breit gefächerten Beratungsangebot, während das Inihaus, als selbstorganisiertes Jugendzentrum, sowie die JugendUmweltProjektwerstatt JUP einer alternativen Jugendkultur einen Raum geben. Auch für den Bereich des Urban Gardening und der Umweltbildung existieren Orte, die durch offene Angebote aktiv in die Gemeinde wirken wollen, wie z.B. der NaBu oder der Offene Garten Bad Oldesloe, der als Gemeinschaftsgarten sogar ein primärer Kooperationspartner für die geplante Veranstaltungsreihe war. Neben diesen Initiativen ist auch die Politik der Stadt aktiv dabei, sich als grüne und nachhaltige Gemeinde zu positionieren und bekam im Sommer 2015 den Titel Fair Trade Town verliehen.


Die Stadtbibliothek ist bereits mehrmals durch innovative Aktionen, wie z.B. einem Poetry Slam oder dem Urban Knitting, als kreativer und moderner Ort aufgefallen. Vor allem beim Urban Knitting waren bereits Aspekte zu finden, den Stadtraum durch eine Aktion der Stadtbibliothek mitzugestalten. Da das begrenzte Budget der Stadtbibliothek keinen Spielraum für eine vollständige Finanzierung einer zusätzlichen Veranstaltungsreihe besaß, musste der Großteil über möglichst lokale oder thematisch naheliegende Stiftungen finanziert werden.


Unter diesen Voraussetzungen wurde vom Verfasser ein Konzept für eine Veranstaltungsreihe entworfen, dem Jens Geissler, der Leiter der Stadtbibliothek, im November 2014 zustimmte. Gemeinsam mit den KollegInnen der Stadtbibliothek wurde anschließend anhand des Konzeptes eine Reihe entwickelt, die aus vier einzelnen Teilen bestand und mehrere Ausprägungen des Themas Urban Gardening verband. So sollte neben einer einführenden Bildausstellung, ein Vortrag sowie ein offener Workshop zum Thema Urban Gardening das Thema stärker in die Gemeinde tragen. Ein zweiter Workshop, der speziell für eine Grundschulklasse eingerichtet werden sollte, hatte das Ziel, den Kindern durch den Bau eines Insektenhotels Aspekte der Umweltbildung zu vermitteln.


Als Zeitraum für die Umsetzung der einzelnen Veranstaltungen wurde bewusst der Beginn der Pflanzzeit im April oder Mai 2015 gewählt. Für diesen Zeitraum wurde ein grober Ablaufplan erstellt. Das bedeutete, dass insgesamt ein knappes halbes Jahr für die komplette Organisation blieb. Bei den regelmäßigen Treffen wurde schnell deutlich, wie wichtig eine gute Vernetzung der Stadtbibliothek in der Gemeinde ist, wenn es darum geht, neue Formen der Kooperation zu erproben.

5.2 Finanzierung

Wegen des fehlenden finanziellen Spielraums sollte die Veranstaltungsreihe durch Stiftungsgelder finanziert werden, weshalb alles längere Zeit unter Finanzierungsvorbehalt stand. Für die Stadtbibliothek selbst war ein solches Finanzierungskonzept Neuland. Ab Januar 2015 wurde nach Fördermöglichkeiten durch möglichst lokale Stiftungen für die einzelnen Teile der Reihe gesucht. Die Finanzierung durch mehrere Stiftungen sollte eine zu große Abhängigkeit von einem/r GeldgeberIn verhindern. Erste Anfragen wurden im Frühjahr 2015 in Form eines Abstracts verschickt, dass jeweils an die Veranstaltung und das Förderspektrum der jeweiligen Stiftung angepasst wurde.


Insgesamt konnten vom Gesamtvolumen der Reihe in Höhe von 2050,- €, 1600,- € durch Stiftungsgelder gedeckt werden. Lediglich für die Bilder der Ausstellung sowie den Vortrag konnten keine Stiftungsgelder eingeworben werden.


Teil

Betrag

Finanzierung

Ausstellung

100,00 €

Stadtbibliothek Bad Oldesloe

Bücher- und Medientisch

600,00 €

Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn

Vortrag Urban Gardening

350,00 €

Stadtbibliothek Bad OIdesloe

Workshop Urban Gardening

500,00 €

Stiftungsgemeinschaft Anstiftung & Ertomis

Workshop Insektenhotel

500,00 €

Gladigau-Stiftung

Tabelle 1: einfache Auflistung der Finanzierung

5.3 Öffentlichkeitsarbeit

Die Vorbereitungen für die Öffentlichkeitsarbeit liefen Ende Februar 2015 an, nachdem die Zusagen von verschiedenen WorkshopleiterInnen vorlagen. Die zentrale Werbung sollte über Plakate im Stadtgebiet erfolgen, während die MitarbeiterInnen der Stadtbibliothek an der Theke zusätzlich auf die Veranstaltung hinwiesen. Da nur der Urban Gardening Workshop öffentlich war, musste dafür im März 2015 ein Veranstaltungsplakat erstellt werden. Anschließend wurden 40 Exemplare in DIN-A3 ausgedruckt und an unterschiedlichen Orten in der Stadt, wie z.B. im Reformladen, und im Landkreis, wie z.B. den großen Öffentlichen Bibliotheken, ausgehangen.


Am 10. April 2015 lud die Stadtbibliothek zum Pressegespräch ein3, das mehr als eine Stunde dauerte und war von großem Interesse geprägt. Einen Tag später erschien bereits ein fast ganzseitiger Artikel im Stormarner Tageblatt und mit Überschriften wie „Die Stadtbibliothek zeigt sich von ihrer grünen Seite“ (Markt, 15. April 2015) wurde durchweg ein positives Bild der Veranstaltung und der Idee dahinter gezeichnet. Generell wurde größere Aufmerksamkeit erzeugt, da ein Artikel über den Gemeinschaftsgarten in Bad Oldesloe nur wenige Tage später in den Lübecker Nachrichten erschien. (LN, 15. April 2015) Am Morgen des Workshops bat sogar das NDR-Radio Welle-Nord um ein kurzes Telefoninterview, um über den unmittelbar bevorstehenden Urban Gardening Workshop zu informieren. Auch während des Workshops war eine Journalistin anwesend, die am 29. April 2015 mit „tolle Urban Gardening Aktion der Bad Oldesloer Stadtbibliothek“ (Markt, 29. April 2015) ein sehr positives Fazit der Veranstaltung zog.


Für den zweiten Workshop zum Bau des Insektenhotels wurde die offizielle Übergabe des Insektenhotels an die Schule am 23. Juni 2015 mit einer Einladung an die Presse verbunden, der leider nur eine Journalistin folgte. Dafür zog auch sie in ihrem Artikel ein sehr positives Fazit der Veranstaltung und bezeichnete die „Oldesloer Bibliothek als Kreativ-Werkstatt“ (LN, 15. Juni 2015).

5.4 Bildausstellung und Medientisch

Eine Bildausstellung sollte als niedrigschwelliger Einstieg in das Thema erste Aufmerksamkeit im Vorfeld bei den NutzerInnen der Stadtbibliothek erzeugen. Angedacht war, die ausleihbare Ausstellung Carrot City bei der Stiftungsgemeinschaft Anstiftung & Ertomis auszuleihen. (Anstiftung 2015) Da diese aber verliehen war, musste eine intensivere Recherche nach Ersatz unternommen werden. Dabei konnte die selbstständig erstellte Bildausstellung vom Gemeinschaftsgärtner Hans Heim aus Berlin aus dem Jahr 2011 gefunden werden, der die Bilder digital gerne zur Verfügung stellte. Die Originaldateien lagen im Umbruch-Bildarchiv (Umbruch 2015) in Berlin, wo sie im Januar 2015 unkompliziert für den Zweck der Ausstellung bereitgestellt wurden. Weitere vier Bilder wurden nach Genehmigung des Transcript-Verlags Anfang April 2015 aus dem Buch 'Die Stadt der Commonisten' genommen. Kurzfristig wurde die Ausstellung um eine Illustration der Grafikdeerns erweitert, die in der April-Ausgabe des Hamburger Wohnungslosen-Magazins Hinz&Kunzt erschien und nach Anfrage kostenfrei von den beiden Künstlerinnen der Grafikdeerns zur Verfügung gestellt wurde (Grafikdeerns 2015).


Die Ausdrucke der Bilder in A-3 wurden von dem in Bad Oldesloe ansässigen Fotostudio Ketelhohn übernommen, wobei sie bei den Kosten für den Druck sehr entgegen kamen. So konnten die Ausstellungsbilder im geplanten Zeitraum vom 20. April 2015 bis zum 01. Mai 2015 im Foyer der Stadtbibliothek aufgehängt werden. Zu jedem Bild wurde ein kleiner Erklärungstext zum Inhalt geschrieben sowie der Urheber genannt. Wo es nötig war wurde auch die Publikation genannt, in der das Bild veröffentlicht wurde.


Unterstützend zur Ausstellung wurde ein themenbezogener Medientisch im Foyer aufgestellt, der neben Kinder- und Jugendliteratur auch zahlreiche Ratgeber oder Belletristik anbot. Die Bücher wurden zur Eröffnung der Ausstellung zur Ansicht bereit gelegt, waren aber erst am Tag des ersten Workshops ausleihbar. Die Auswahl und Anschaffung der Bücher oblag Stadtbibliothek. Für die inhaltliche Erschließung wurde extra das Schlagwort Urban Gardening vergeben.

5.5 Vortrag zum Thema Urban Gardening

Der Urban Gardening Workshop sollte durch einen niedrigschwelligen wissenschaftlichen Bildvortrag unterstützt werden, zu dem die Veranstaltungsreihe auch offiziell eröffnet wurde. Für diesen konnte bereits im Januar 2015 die ausgewiesene Expertin und ehemalige Dozentin der HU Berlin, Dr. Elisabeth Meyer-Renschhausen (Meyer-Renschhausen 2015), gewonnen werden.


Der Vortrag selbst fand vor der Eröffnung des Workshops im Mehrzweckraum der Bibliothek statt, der mit ca. 60 BesucherInnen voll belegt war. Der durch zahlreiche Bilder begleitete Vortrag legte einen Fokus, der von der globalen Bewegung des Urban Gardening ausging und mit Initiativen in Deutschland endete. Während des sehr lebhaften und einbindenden Vortrags gestaltete sich eine offene, freundliche und interaktive Atmosphäre. Zahlreiche Zwischenfragen von den BesucherInnen, die vereinzelt auch in Diskussionen mündeten, führten dazu, dass der Vortrag 30 Minuten länger dauerte, als geplant. Nachteilig war dieser Umstand nur für die wenigen Kinder, denen schnell langweilig wurde. Dafür war es wiederum von Vorteil, dass sie in die Kinderecke der Bibliothek gehen konnten.

5.6 Workshop zum Thema Urban Gardening

Da die Leitung des Workshops durch GemeinschaftsgärtnerInnen zentral war, wurde das Gartendeck (Gartendeck 2015) in Hamburg kontaktiert, das selbst regelmäßig Workshops und Informationsveranstaltungen anbietet und damit ein aktiver und lebendiger Lernort im Stadtgebiets ist. Schnell kam es zu einer grundsätzlichen Zusage für die Leitung eines Workshops, während die genaue Ausgestaltung des Veranstaltung gemeinsam unternommen werden sollte. Durch den Kontakt zum Gartendeck wurde auch der Kontakt zur Vernetzungsplattform Grünanteil (Grünanteil 2015) hergestellt, die ebenso Teil des Workshops wurde. Um neben der Vermittlung des Thema's Urban Gardening auch lokale Vernetzungen zu ermöglichen, sollte der Offene Garten Bad Oldesloe ebenso Teil des Workshops werden.


Der Workshop sollte für alle Interessierten offen sein und aus verschiedenen Ständen bestehen, an denen Informationen eingeholt, Saatgut oder vorgezogene Pflanzen erstanden, ein Papiertopf gepresst oder Kartoffeln und Jutesäcke gekauft werden konnten. Auf diese Weise sollte ein breites Themenspektrum für eine möglichst große Zahl an BesucherInnen bereit stehen.


Kinder sollten mit dem Wettbewerb „die schnellste Bohne der Stadt“ erreicht werden. Ulrike Magdanz, eine Mitarbeiterin der Stadtbibliothek übernahm dabei u.a. die Betreuung dieses Standes, an dem dem die Kinder sich mit der Papiertopfpresse einen Pflanztopf für ihren Bohnensamen pressen und diese zu Hause pflegen. Nach vier Wochen konnten die Kinder online ein Bild von der Messung der Bohnenpflanze einsenden, um damit den Buchgutschein im Wert von 20 € zu gewinnen.


Wie der Vortrag war auch der Workshop sehr gut besucht. Nach dem Vortrag verteilten sich die BesucherInnen auf die einzelnen Stände. In großer Zahl wurde Saatgut verkauft und erst nach ca. 30-45 verließen die ersten BesucherInnen die Bibliothek wieder. Ca. 10 BesucherInnen blieben bis zum angesetzten Ende der Veranstaltung um 17:30 Uhr.


Um die Veranstaltung zu evaluieren wurden Fragebögen vorbereitet. Die Bereitschaft, Fragebögen auszufüllen war sehr hoch und lag mit einem Rücklauf von 34 bei ca. 60 BesucherInnen bei ca. 50% und bescheinigte der Stadtbibliothek durchweg ein positives Feedback.4

5.7 Workshop zum Bau von Insektenhotels

Imkern in der Stadt wird als elementarer Teil des Urban Gardening und als Bereicherung der Stadtnatur betrachtet. (Sustainable Cities 2015) Daher sollte der zweite Workshop einen Makerspace zum Bau eines großen Insektenhotels mit einer Grundschulklasse umsetzen. Einerseits sollte eine andere Zielgruppe im Bereich der Umweltbildung erschlossen werden. Andererseits sollten auch die Kinder erkennen, dass ihre Stadtbibliothek ein Ort jenseits von Büchern sein kann, an dem sie kreativ sein und lernen können. Außerdem war es sehr wahrscheinlich, dass Kinder großen Spaß am Umgang mit Bohrer, Hammer und Säge haben.


Für die Umsetzung dieser Idee stellte sich das Wissen und die Vernetzung der Kollegin Barbara Preiss aus der Stadtbibliothek als ungemein wichtig heraus. Aufgrund persönlicher Kontakte schlug sie Margit Baumann vom NaBu in Bad Oldesloe als mögliche Referentin und Workshopleiterin vor, die nach einer Anfrage auch schnell zusagte. Für den weiteren Verlauf waren die Kontakte der Stadtbibliothek in das Schulamt sehr hilfreich, da eine Klasse der 2. Stufe der Stadtschule gemeinsam ein großes Insektenhotel für den Schulhof bauen sollte. Wie bereits im ersten Workshop war die Stadtbibliothek in einer passiven Position gedacht und sollte anderen AkteurInnen den Ort überlassen. Die Roh- und Werkstoffe sowie die Werkzeuge für den Workshop wurden größtenteils privat organisiert. Zwei Bohrmaschinen wurden von der Stadtschule extra für den Workshop angeschafft und bereitgestellt.


Der Workshop selbst fand am 04. Juni 2015 vormittags statt. Nach einem kurzen Vortrag zum Thema Insekten und Stadtnatur, der den Kindern einen Hintergrund und den Sinn des Hotels vermittelte, begann die Klasse unter Anleitung mit dem Bau. Die Referentin achtete darauf, dass alle Kinder mit einbezogen wurden und legte ein besonderes Augenmerk auf eine geschlechtergerechte Verteilung der Tätigkeiten. Neben dem großen Insektenhotel konnte jedes Kind auch für den eigenen Balkon oder das eigene Fenster zu Hause ein eigenes kleines Insektenhotel bauen. Die Idee eines großen Insektenhotels konnte zudem sehr gut mit dem Konzept der Stadtschule verbunden werden, einen Erlebnisschulhof zu gestalten. Eine Blumenwiese und ein Komposthaufen im Schulgarten wurden bereits angelegt, sodass das Hotel einen optimalen Platz erhielt.


Am Tag der Übergabe des großen Insektenhotels war es beeindruckend zu sehen, wie viel die Kinder während des Workshops über das Thema Wildbienen und Stadtnatur gelernt hatten, als sie auf die Fragen der Journalistin antworteten. Dort wurde auch bekannt, dass die Stadtschule plant, viele kleine Insektenhotels mit Informationstafeln, die die Kinder entworfen haben, im Stadtgebiet aufzuhängen.

5.8 Nachwirkungen

Die Urban Gardening Aktion in der Stadtbibliothek zog schnell einige Aktivitäten nach sich. So fand bereits eine Woche nach dem Urban Gardening Workshop ein kleiner Workshop mit einer Schulklasse zur Pflanzung von Bohnen im Papiertopf statt. Die Initiative ging aus einer Anfrage einer Lehrerin hervor. Ebenso kontaktierten einige BesucherInnen des Urban Gardening Workshops die Stadtbibliothek wenige Tage nach der Veranstaltung. SeniorInnen eines Pflegeheims würden gerne im Garten des Heims gemeinsam gärtnern und baten daher um Hilfe. Die Stadtbibliothek vermittelte daraufhin den Kontakt zum Offenen Garten Bad Oldesloe, so dass am Ende in einer Gemeinschaftsaktion von Pflegeheim, dem Gemeinschaftsgarten und dem 'offenen Kindertreff Drachenturm' ein Hochbeet gebaut und bepflanzt wurde. Auf der Homepage des Pflegeheims wurde bei der Vorstellung der Aktion deutlich Bezug auf die Veranstaltungsreihe der Stadtbibliothek hergestellt. (Pflegeheim Riedel 2015)


Neben diesen Auswirkungen in der Gemeinde, erregte die Veranstaltung auch innerhalb des Bibliothekswesens durchaus Aufmerksamkeit. Noch vor der Durchführung des Urban Gardening Workshops gab es eine Anfrage der österreichischen Büchereiperspektiven, die in ihrer kommenden Ausgabe das Thema grüne Bibliotheksarbeit beleuchten wollte und nach einem doppelseitigen Artikel zur Veranstaltungsreihe fragte, dazu wird es auf dem Bibliothekartag 2016 ein Vortrag zur durchgeführten Veranstaltungsreihe geben.


Auch auf kulturpolitischer Ebene fand die Veranstaltung Beachtung, da sie als eines der Beispielprojekte bei der Kulturstiftung des Bundes vorgestellt wurde. Dort gibt es Planungen, ein Unterstützungsprogramm für Bibliotheken im ländlichen Raum aufzustellen, das in den Kontext der „Transformation von Kultureinrichtungen“ eingebettet ist und „ein Programm zur Stärkung der Kultur in strukturschwachen Räumen“ (Kulturstiftung 2015) entwickeln soll.

6 Fazit

Abschließend kann die Durchführung der Urban Gardening Veranstaltungsreihe als großer Erfolg gewertet werden. Grundlage dafür war die Idee der grünen Bibliothek, also einer Bibliothek, die sich vorwiegend architektonisch und in ihrem Arbeitsablauf um Aspekte wie die Einsparung von Ressourcen definiert. Architektonische Veränderungen der Stadtbibliothek Bad Oldesloe in eine grüne Bibliothek oder auch der Einrichtung von Hochbeeten auf dem Vorplatz wären jedoch nicht ohne großen rechtlichen Aufwand möglich gewesen.


Die Idee, dass eine Bibliothek einen ökologischen Beitrag für ihre Gemeinde liefert wurde jedoch aufgegriffen und auf Grundlage der Ideen von Makerspaces neu gedacht. Aspekte klassischer bibliothekarischer Arbeit, wie der Bereitstellung von Medien sowie Bildungsarbeit zum Themengebiet wurden mit neuen Formen bibliothekarischer Arbeit, wie der Einrichtung eines Makerspaces und der Vernetzung von Menschen, verknüpft.


So konnte sich die Stadtbibliothek nicht nur als moderner und kreativer Lernort präsentieren, der unterschiedliche Menschen und Gruppen miteinander vernetzt. Es wurden sogar einige Initiativen in der Stadt selbst angestoßen und die Stadtbibliothek konnte sie sich ganz im Sinne Bernd Schlehs temporär in eine kleine „urbane Werkstatt“ wandeln, die aktiv in der Gemeinde wirkt. Durch die Bereitstellung des Raumes Bibliothek, um Initiativen außerhalb des Raumes Bibliothek anzustoßen und Menschen zu verbinden, wurden gleichzeitig erste Versuche unternommen, die unter dem Aspekt des 'Community Building' verstanden werden können.


Die Einrichtung der Makerspaces wäre ohne die Einbindung von ExpertInnen und PraktikerInnen aus der Umweltbildung und von Gemeinschaftsgärten nicht möglich gewesen. Entsprechend der Methode hat die Stadtbibliothek ihre Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit alle Interessierten sich kreativ und gemeinschaftlich mit dem Thema Urban Gardening auseinandersetzen konnten. Die Stadtbibliothek war ein Ort, an dem die NutzerInnen sich gegenseitig in ihrem Wissen ergänzten, in ein offenes Gespräch kamen und Netzwerke knüpfen konnten oder Kinder unter Anleitung einen neuen Aspekt des gemeinsamen kreativen Arbeitens kennen lernten. Die durchweg positive Resonanz durch die Medien und durch die BesucherInnen zeigt, dass Bibliotheken als Multiplikatorinnen für ein solches Themenfeld akzeptiert werden. Die hohe Bereitschaft von Stiftungen, die Bibliothek zu unterstützen beweist die hohe Vertrauenswürdigkeit von Bibliotheken, auch bei experimentellen Konzepten!


Bleibt die Frage, welche weiteren Initiativen die Stadtbibliothek in diesem Themengebiet unternehmen kann, damit sie sich zu einem Schwerpunktort entwickelt, wie ihn Jonas Fansa beschreibt. Einig waren sich alle Beteiligten der Stadtbibliothek darin, dass es nach diesem Erfolg nicht bei einem Einzelprojekt bleiben sollte, welches die Debatte um grüne Bibliotheken und ökologisch und nachhaltige Bibliotheksarbeit wieder nur um einen kleinen Baustein ergänzt.


Erste Überlegungen der Stadtbibliothek wollen die eingeschlagene Richtung beibehalten und den Raum Bibliothek als Treffpunkt und Vernetzungsort ausbauen, während das Wissen durch Andere vermittelt werden soll. Als weitere Ideen könnten der Bau von Hochbeeten auf den Grünflächen oder die Einrichtung einer Saatgutbibliothek, wie es in zahlreichen Public Libraries der USA der Fall ist (Conner 2015: 12-14), konkretisiert werden. Weiterhin steht der Aspekt des Community Buildings und der Vernetzung von Menschen und Initiativen im Raum. So wird überlegt, im Sommer 2016 eine Veranstaltung außerhalb der Räume der Bibliothek zu organisieren. Inspiriert durch die Internetplattform mundraub kann sich hier ein Betätigungsfeld für eine Art von Outreach-Arbeit aufmachen, in dem die Stadtbibliothek eine Fahrradtour zu den Orten gemeinfreier Kräuters sowie von Obst und Gemüse in und um Bad Oldesloe anbietet und auf niedrigschwellige Weise Wissen vermittelt und Netzwerke geschaffen werden, die wiederum in der Stadtbibliothek zusammen fließen. Auch die Stärkung lokaler Identität ist ein Ziel. So kann die Stadtbibliothek im wahrsten Sinne des Wortes weiter 'Fahrt aufnehmen' und weiter aktiv in der Gemeinde wirken um ihre Ziele zu vermitteln.



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Autor

Tim SCHUMANN

arbeitet im Kreisarchiv Stormarn in Bad Oldesloe und studiert berufsbegleitend den MA Library and Information Science an der TH Köln. Nach seiner Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FAMI) in der Bibliothek des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in Berlin, studierte er von 2007 bis 2011 den BA Geschichts- und Kulturwissenschaft in Marburg. Von 2007 bis 2013 war er an der Universitätsbibliothek Marburg angestellt, zuerst als Hilfskraft und von 2011 bis 2013 als FAMI.


Kontakt: tim_schumann@posteo.de



1 Dieses Projekt wurde im Rahmen des MA in Library and Information Science an der TH Köln als Praxisprojekt im Rahmen des Studiums des Verfassers durchgeführt und von Prof. Dr. Haike Meinhardt betreut.

2 Informationen zu 'Leih-Sämerei' finden sich im Wordpress-Blog 'wachsenlassen'.

3 Diese drei JournalisitInnen vertraten vier Zeitungen. Dazu gehörten der Stormarner Lokalteil des Hamburger Abendblattes, die Lübecker Nachrichten, die Zeitung 'Markt' aus Bad Oldesloe und das Stormarner Tageblatt.

4 Grundlage für die Ausarbeitung des Fragebogens lieferte eine Fortbildung zu diesem Thema an der FH Köln durch Prof. Dr. Fühles-Ubach, die Ende März 2015 stattfand.