Fotobefragung in Bibliotheken – eine Methode zur Erhebung schwer operationalisierbarer Nutzerbedürfnisse

DOI: http://dx.doi.org/10.11588/ip.2017.1.33575

Salome ZEHNDER

Fotobefragung in Bibliotheken – eine Methode zur Erhebung schwer operationalisierbarer Nutzerbedürfnisse

Zusammenfassung

Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden für eine kleine Schweizer Fachbibliothek die Nutzerbedürfnisse erhoben. Dabei kam neben gängigen Methoden wie einer Online-Umfrage auch die Fotobefragung zum Einsatz. Der vorliegende Beitrag zeigt die Entstehungsgeschichte und Anwendung der Methode im Bibliotheksbereich. Durch den Einsatz von Fotografien, die unter anderem auch durch den Nutzer/die Nutzerin selbst erstellt werden, können auf einfache Weise neben allgemeinen Infrastrukturbedürfnissen auch schwer operationalisierbare Nutzerbedürfnisse wie „Gemütlichkeit“ oder „angenehme Lernatmosphäre“ erhoben werden.

Schlüsselwörter

Bibliothek als Raum; Nutzerbedürfnisse; Forschungsmethoden; Fotobefragung

Photo survey in libraries – a research method to gain hardly measurable user needs

Abstract

As part of a bachelor’s thesis user needs of a small Swiss scientific library have been explored. Next to established research methods such as online-surveys, photo surveys have been conducted. This article illustrates the history of origins and the application of the method in a library. The additional use and analysis of photos taken by library users are a simple and effective way to show not only the general needs concerning the infrastructure but also hardly measurable user needs such as “coziness” or “comfortable learning atmosphere”.

Keywords

Library spaces; user needs; research methods; photo survey

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Fotobefragung

3 Fotobefragung in Bibliotheken

4 Fotobefragung an der HFGZ Mediothek

5 Zusammenfassende Erkenntnisse

6 Quellen

Autorin

1 Einleitung

Im Rahmen der Bachelorthesis an der HTW Chur befasste ich mich mit einer Nutzerbedürfnis-Erhebung im Hinblick auf eine Neukonzeption der Mediothek der Höheren Fachschule Gesundheit Zentralschweiz HFGZ. Die HFGZ plant per Herbstsemester 2019 einen Neubau in Luzern. Mit dem Umzug der Schule erhält auch die Mediothek neue Räumlichkeiten, die sie im Vorfeld mitgestalten kann. Dies wurde zum Anlass genommen, die Nutzerbedürfnisse der eigenen Kundschaft zu ermitteln.

Die Arbeit verfolgte mehrere Ziele. Erstens wurden anhand verschiedener Forschungsmethoden die Bedürfnisse der Hauptzielgruppen der HFGZ Mediothek ermittelt. Zweitens wurden die Forschungsmethoden dahingehend überprüft, ob sie für die Erhebung von Bibliotheksnutzer-Bedürfnissen geeignet sind. Auch wurde geklärt, ob allenfalls ein Methoden-Mix sinnvoll ist. Drittens wurde anhand der erhobenen Bedürfnisse ein Grobkonzept für die ‚neue‘ Bibliothek erstellt.

Neben bereits bekannten Methoden wie Online-Umfrage und Interviews wurde auch die Methode der Fotobefragung angewandt, die im Bibliotheksbereich bisher nur wenig Bekanntheit geniesst. In diesem Artikel wird die Methode vorgestellt: ein kurzer Rückblick beschreibt die Entstehung und Herkunft der Methode. Im Weiteren wird auf bisherige Erfahrungen im Bibliotheksbereich hingewiesen um schliesslich die im Rahmen der Bachelorthesis durchgeführte Erhebung vorzustellen.

Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Methode der Fotobefragung in der Bibliothekswelt etwas bekannter zu machen, da sie sich als sehr vorteilhaft bei der Erhebung von schwer operationalisierbaren Nutzerbedürfnissen wie ‚Gemütlichkeit‘ oder ‚angenehme Lernatmosphäre‘ erwiesen hat.

2 Die Fotobefragung

Die Methode der Fotobefragung hat ihren Ursprung in der (visuellen) Anthropologie, wird heute aber auch vermehrt in der Soziologie verwendet. Die visuelle Anthropologie (Wissenschaft des Menschen) als Teilgebiet der Ethnologie (Völkerkunde) produziert nicht nur visuelle Medien, sondern setzt diese auch in Verbindung zu Kultur und Gesellschaft.

Gemäss Wuggenig (1990) und Kolb (2008) war John Collier, ein amerikanischer Anthropologe, in den 1950er Jahren der erste, welcher die Fotografie als Befragungsmethode eingesetzt hat. Dabei dienten die Fotos als Unterstützung von Beobachtungen und Hilfestellung bei der Kommunikation zwischen Forschendem und Forschungssubjekt. Mead (zit. in Wuggenig 1990, S. 110) sieht den Vorteil des Einsatzes von Fotografien in deren kommunikativen wie auch konservierenden Funktionen:

„Die Kamera ermöglicht eine detailreiche Aufzeichnung von Sachverhalten. Die menschliche Sprache ist vage und hat Grenzen, was die Schilderung von Details betrifft“.

Durch die visuelle Unterstützung des Bildmaterials kann es den Befragten also erleichtert werden, das aufzuzeigen, was sie sprachlich nicht genau beschreiben können.

Bis Ende der 1980er Jahren war die Rollenverteilung zwischen Forscherin/Forscher (BefragerIn) und Forschungssubjekt (Befragte) klassisch verteilt: Die Forscherin/der Forscher machte die Fotos (mit oder ohne Forschungssubjekt als Modell), die als kommentierte Vorlage für das Forschungssubjekt dienten. Erst 1988 erweiterte Wuggenig (1988, S. 336) die Methode: Neu sollte das Forschungssubjekt in die Rolle des Operators versetzt werden und selbst Fotos aus seinem Umfeld machen. Durch die aktive Beteiligung der Befragten werden diese in die Expertenrolle gesetzt. Sie entscheiden, was abgebildet wird und erklären anschliessend subjektiv, weshalb das Sujet gewählt wurde. Durch die Fotografie kann eine „Wirklichkeit zweiter Ordnung“ entstehen, wodurch „die vertraute Welt auf eine neue Weise wahrzunehmen“ ist (Collier, zit. in Wuggenig 1990, S. 112).

In der Literatur werden unterschiedliche Bezeichnungen für die Methode verwendet. Deshalb sollen an dieser Stelle diese begrifflichen Facetten etwas näher erläutert werden.

John Collier prägte die Methode mit dem Begriff photo elicitation (Kolb 2012). Übersetzt wurde dies jeweils mit Fotointerview. Wuggenig (1990, S. 111) stellte jedoch fest, dass diese Bezeichnung in der fotografischen Literatur ein Interview meint, bei welchem die Fotografie der Befragten während des Interviews im Zentrum steht. Mit seiner Methoden-Erweiterung um die vertauschten Rollen‘ von Forscherin/Forscher und Forschungssubjekt führte er als Abgrenzung deshalb den Begriff Fotobefragung ein. Die Fotobefragung ihrerseits wird in neueren englischen Texten wiederum mit photointerview oder photo survey übersetzt, was diese Abgrenzung zumindest im Englischen teilweise zunichte macht. In diesem Beitrag wird der Begriff Fotobefragung nach Wuggenig verwendet, da dieser der Befragung im Rahmen der durchgeführten Erhebung am nächsten kommt.

Bei der Fotobefragung wird den Befragten eine Aufgabe gestellt. Mit einer zur Verfügung gestellten Kamera (früher oft Einwegkameras) sollen sie Fotos aus ihrem Umfeld machen. Nachdem die Fotos gemacht sind, werden die Befragten zu einem Gespräch gebeten, bei welchem sie erklären sollen, weshalb sie welches Sujet gewählt haben. Die Antworten werden dann als Grundlage für die Auswertung verwendet. Die Forscherin/der Forscher muss sich dabei bewusst sein, dass trotz der Angaben der Befragten die Bildinterpretation hermeneutisch, also rein interpretativ ist.

3 Fotobefragung in Bibliotheken

Die Methode der Fotobefragung eignet sich nicht nur im anthropologischen oder soziologischen Forschungsbereich. Durch die einfache Fragestellung „was gefällt / was gefällt nicht?“ lassen sich Meinungen sowie emotionale Elemente wie Impressionen und Empfindungen von beliebigen Räumen bildhaft erheben.

Im Bibliotheksbereich machte die University of Rochester erste Erfahrungen mit der Fotobefragung im Jahr 2007. Um ihre Studierenden und deren Bedürfnisse an Lernräume kennenzulernen, stellten Fried Foster und Gibbons einen ‚Aufgabenkatalog‘ von 20 Fragen zusammen und machten gute Erfahrungen damit:

„Combining the visual and the oral provided us with more opportunities to question and learn“ (Fried Foster und Gibbons 2007).

Trotzdem gab es einige Probleme: Nicht funktionierende Blitzlichter und folglich zu dunkle Bilder, aber vor allem ein zu grosser Zeitabstand zwischen dem Zeitpunkt des Fotografierens und der Befragung führten dazu, dass einige Studierende nicht mehr genau wussten, weshalb sie ein bestimmtes Sujet fotografiert hatten.

Elke Greifeneder und Michael Seadle (2009) untersuchten neben der Fotobefragung am Beispiel der oben genannten University of Rochester auch die „entfremdende Fokussierung“ (Entfremdungseffekt) und die Fotografie von Benutzern an bestimmten Orten in der Bibliothek. Bei der „entfremdenden Fokussierung“ geht es darum, dass zwei unterschiedliche Bilder desselben Objekts total andere Sichtweisen und somit Interpretationen ermöglichen:

„Die entfremdende Fokussierung ist eine mögliche Interpretation einer Situation, die einen Teil der Wahrheit beinhaltet, die aber in keinster Weise für sich in Anspruch nimmt, die alleinige Interpretation zu sein.“ (Greifeneder und Seadle 2009, S. 14).

Beim Fotografieren von Benutzern an Orten in der Bibliothek wollten Greifeneder und Seadle „die physischen Verhältnisse zwischen Mensch und Maschine“ beobachten. Sie kamen zum Schluss, dass für die Interpretation von solchen Bildern mehr Informationen nötig wären. Trotzdem empfinden sie Methoden der visuellen Anthropologie als Vorteil für das Erkennen möglicher Probleme, um diesen dann gründlicher nachgehen zu können (op. cit. S. 15).

Auch Hango et al. (2010, S. 52ff) machten gute Erfahrungen mit der Fotobefragung. Die Methode wurde als „reflexiver, kreativer und sinnvoller Prozess“ wahrgenommen und brachte neben zu erwartenden auch überraschende Ergebnisse.

Für Kerstin Schoof (2010, S. 39), die für ihre Masterarbeit an der Universität Oldenburg ebenfalls eine Fotobefragung durchführte, hat sich die Methode als „sehr gut funktionierende Vorgehensweise erwiesen, um mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen“. Auch sie machte jedoch die Erfahrung, dass die Qualität von Einwegkameras ungenügend war.

Diese Beispiele zeigen, dass mit der Fotobefragung durchwegs positive Erfahrungen gemacht wurden. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit konnten ausserdem weitere Erkenntnisse gewonnen werden.

4 Fotobefragung an der HFGZ Mediothek

Im Rahmen der eingangs erwähnten Bachelorarbeit hatte die Anwendung der Fotobefragung zum Ziel herauszufinden, wie die Räumlichkeiten und die Infrastruktur der HFGZ Mediothek gefallen, respektive was fehlt. Die Bilder dienten als visuelle Beispiele, um zu erörtern, was den Befragten gefällt oder nicht gefällt. Befragt wurden zwei Studierende sowie zwei Lehrpersonen (aus Datenschutzgründen wurden die erhobenen Daten anonymisiert). Die sehr kleine Stichprobe ist folglich nicht repräsentativ und der induktive Rückschluss auf ein grösseres Ganzes mit Vorsicht zu geniessen. Trotzdem konnten vier Meinungen, Perspektiven und Eindrücke erhoben werden, die interessante Erkenntnisse darüber lieferten, was sich die Nutzer der Mediothek wünschen.

Bei der Nutzerbedürfnis- Erhebung an der HFGZ kamen drei Varianten der Fotobefragung zum Einsatz. Im Folgenden werden sie und ihre Ergebnisse vorgestellt.

Variante 1

Da die Mediothek der HFGZ sehr klein ist, konnten für die ‚normale‘ Fotobefragung nach Wuggenig die teils sehr langen Aufgabenlisten von in anderen Bibliotheken durchgeführten Erhebungen nicht übernommen werden. Aufgaben wie „a place in the library where you feel lost“ machten hier keinen Sinn. Deshalb wurde ein eigener Aufgabenkatalog mit 6 Aufgaben in Anlehnung an Fried Foster und Gibbons, Hango et al. sowie Schoof erstellt:

a. Etwas, was Ihnen gut gefällt

b. Etwas, was zwar da ist, aber verbessert werden sollte

c. Etwas, womit Sie in der Mediothek nichts anfangen können

d. Etwas, wovon Sie denken, dass es andere nicht bemerken

e. Etwas, was Sie als „technisch aktuell“ (high-tech) einschätzen

f. Etwas, was Sie in der Mediothek schrecklich finden

Um qualitativ ungenügende Bilder zu vermeiden kamen zwei Digitalkameras zum Einsatz. So konnten schlechte Fotos von den Befragten direkt gelöscht und neu gemacht werden. Die Fotos wurden direkt im Anschluss gemeinsam betrachtet, während die Befragten ihre Fotos kommentierten.

Die Aufgaben wurden von den Befragten motiviert und ohne Probleme gelöst. Die schnelle Verfügbarkeit der Bilder hatte den Vorteil, dass zwischen dem Fotografieren und der nachfolgenden Befragung keine Zeit verstreichen musste. So konnten die Befragten direkt nach dem Ablichten erklären, was sie weshalb fotografiert hatten und sie hatten nicht vergessen, was sie fotografiert hatten, wie das bei Fried Foster und Gibbons der Fall war.

In den Gesprächen, die auf das Fotografieren folgten, stellte sich heraus, dass die Befragten viel Verbesserungspotenzial für die HFGZ Mediothek sehen. Dies zeigte sich zum einen darin, dass ausser der ersten Aufgabe alle anderen eher negativ interpretiert wurden. Oft wurde das „Unschöne“ genannt wie „es hat einfach keinen Stil“, „es ist ungemütlich“ oder „man könnte es auch schöner darstellen“. Zum anderen nannten die Befragten einige negative Aspekte: Durch die Architektur verschwänden Medien hinter der Tür, das Licht falle unpraktisch neben die Arbeitsplätze, die Arbeitsgeräte seien dort hingestellt, wo es gerade Platz habe, anstatt wo sie benötigt würden. Der Raum wurde folglich eher zweckmässig als einladend wahrgenommen.

Dennoch sollte man die positiven Rückmeldungen nicht ausser Acht lassen. Es gab Aspekte, die die Befragten sehr schätzten. So zum Beispiel die Präsentation der Zeitschriften und Neuerscheinungen oder die Atmosphäre schaffende Grünpflanze.

Abb. 1: Zwei positive (links) und zwei negative (rechts) Details (Fotos: Salome Zehnder, CC BY 4.0)

Variante 2

Bei Schoof (2010, S. 29) gab es die Aufgabe, ein Foto des liebsten Arbeitsplatzes ausserhalb der Bibliothek zu machen. Diese Aufgabe wurde für die zweite Erhebungs- Variante für die HFGZ etwas abgeändert. Eine Woche vor dem Fotobefragungstermin wurden die vier Teilnehmer per E-Mail kontaktiert und gebeten, ein Foto ihres liebsten Arbeitsplatzes mitzubringen. Es sollte dabei keine Rolle spielen, ob das drinnen oder draussen, eine Bibliothek, ein Café oder im Büro ist. Es ging darum, herauszufinden, wo die Teilnehmer am liebsten arbeiten oder lernen und was dabei auf dem Tisch ist.

Die Variante 2 zeigte, wie die Nutzer ihre Arbeitsplätze am liebsten mögen. Grosse Flächen und viel Licht sind dabei die Hauptaspekte, damit sich die Nutzer wohlfühlen. Gerade an einem Ort, wo mehrere Menschen anwesend sind, scheinen Rückzugsmöglichkeiten wichtig zu sein.

Abb. 2: Lieblingsarbeitsplatz eines Befragten (Foto: Salome Zehnder, CC BY 4.0)

Variante 3

Bei der dritten Variante wurde den Teilnehmenden eine Auswahl an Fotos vorgelegt. Bei der Auswahl der 21 Bilder wurde darauf geachtet, dass unterschiedliche Ansichten von verschiedenen Bibliotheken dabei waren. So gab es Detailbilder von Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen, Regalen, Sitzecken oder Selbstverbuchungsapparaten, aber auch Weitwinkelaufnahmen von ganzen Bibliotheksräumen oder Teilen davon. Die Interviewteilnehmer wurden gebeten, sich die Bilder anzuschauen und spontan zu sagen, was ihnen gefällt, was nicht gefällt, oder was ihnen an sonstigen Besonderheiten auffällt. Dabei musste nicht zu jedem Bild etwas gesagt werden. So sollten Aspekte, die bei der eigentlichen Fotobefragung nicht abgelichtet wurden, ebenfalls miteinbezogen werden.

Die Eindrücke zu den vorgelegten Fotos waren vielfältig. Zu fast jedem der 21 Fotos gab es mindestens eine Rückmeldung, zu mehreren Fotos sogar sehr viele.

Es zeigte sich, dass eine Bibliothek verschiedene Bereiche mit spezifischen Funktionen haben sollte. In einem ruhigen Bereich sollte es abgegrenzte Arbeitsplätze geben sowie eine gemütliche Sitzecke mit Sesseln, wo man sich setzen und in Ruhe lesen kann. In einem anderen Bereich, wo man auch sprechen darf, sollen grosszügige Gruppenarbeitsplätze sein.

Abb. 3: Beispielbild 14 Variante 3 (Foto: Marie Jeanne Smets für SCHULZ SPEYER AG, CC BY 4.0)

„Ich würde mich, wenn ich länger Bücher lesen müsste, in einen solchen Sessel setzen. Es ist einfach bequemer. Und wenn es darum geht, am Laptop zu schreiben, dann ist es klar, dass man ein Pult braucht.“ (Kommentar AB zu Abbildung 3)

Abb. 4: Beispielbild 15 Variante 3 (Foto: Christian Richters, CC BY 4.0)

Anklang fanden vor allem Bilder von Bibliotheksräumen mit viel Licht oder grossen Arbeitsflächen wie bei den Abbildungen 3 und 4. Die Räume, die Gefallen fanden, waren alle mit verschiedenen Materialien ausgestattet: Teppiche, Holz, Metall, Betonmauerwerk und Kunststoff scheinen sich so zu ergänzen, dass dies einladend auf die Betrachter wirkt.

„Mir gefällt es, weil es architektonisch sehr modern ist, das finde ich sehr schön. Weil mit verschiedenen Elementen, Materialien gearbeitet wird wie Holz. Es gibt ein relativ modernes Gestell, das finde ich sehr schön. Ich finde es schön, dass es einen Teppich hat, es lädt ein, Platz zu nehmen.“ (Kommentar EF zu Abbildung 4)

Abb. 5 (Foto: Holger Knauf, CC BY 4.0 ) und 6 (ETH-Bibliothek Zürich,Bildarchiv/Fotograf: Unbekannt/KOM_000059/CC BY SA 4.0): Beispielbilder 18 und 3 Variante 3

Was hingegen weniger Anklang fand sind dunkle, hohe Regale und steriles, künstliches Licht wie bei den Abbildungen 5 und 6.

Eine zentrale Informationsstelle, wo man sich bei Fragen an das Bibliothekspersonal wenden kann, wurde von allen Befragten als positiv bewertet. Auch Hilfsmittel wie Selbstverbuchungsapparate und Rückgabeautomaten wurden als nützlich betrachtet.

Aus der Variante 3 konnte folgendes geschlossen werden: Im Grossen und Ganzen wollen die Nutzerinnen und Nutzer grosse, moderne Räume mit viel Tageslicht. Eine gemütliche Sitzecke mit Sesseln soll zum Lesen einladen. Mit klar abgegrenzten Bereichen können ruhige Lese- und Arbeitszonen und Sprechzonen mit Gruppenarbeitsplätzen geschaffen werden. Die Verwendung unterschiedlicher Materialien kann eine einladende Wirkung erzielen.

5 Zusammenfassende Erkenntnisse

Aus der Fotobefragung konnten gute Eindrücke gewonnen werden, wie für die Nutzer eine Bibliothek aussehen und ausgestattet sein sollte. Bei der Variante 1, bei welcher der Ist-Zustand bewertet wurde, wurden positive wie negative Details genannt. Bei der Erhebung in der HFGZ Mediothek wurde beispielsweise klar, dass die bestehenden Räumlichkeiten für die Nutzer zu klein sind und deshalb die Bedürfnisse, welche die Nutzer haben, nicht umsetzbar sind.

Die Variante 2 zeigte auf, wo die Nutzer am liebsten arbeiten. Anhand der mitgebrachten Bilder wurde erkennbar, wie die Arbeitsflächen in einer Bibliothek gestaltet sein sollten: vor allem grosse Flächen, Rückzugsmöglichkeiten und individuell einstellbare Lichtquellen sind zentral.

Die Variante 3 schliesslich ermöglichte es den Nutzerinnen und Nutzern anhand von vorgelegten Beispielbildern zu erläutern, was ihnen in einem Bibliotheksraum gefällt und was nicht. Auch hier zeigte sich, dass grosse Arbeitsflächen, viel Licht und Rückzugsmöglichkeiten einen hohen Stellenwert haben. Ausserdem sollte die Möblierung nicht zu dunkel sein, da sie den Raum optisch verdüstert. Gemütlichkeit spielt ebenfalls eine Rolle. Mit Lesesesseln und der Verwendung von unterschiedlichen Materialien im Raum wie Holz und Teppich kann diese geschaffen werden.

Aus den Ergebnissen der Bachelorarbeit lassen sich wertvolle allgemeine Erkenntnisse ableiten. Es wurde festgestellt, dass sich die Interviewten bei der Fotobefragung viel kritischer und offener äusserten als in der durchgeführten Umfrage. Dies mag durch den Charakter der Methode (quantitativ vs. qualitativ) gegeben sein, oder aber auch, weil sich die Nutzer durch das Fotografieren aktiv am Erhebungsprozess beteiligen konnten. Die Rückmeldungen direkt nach der Befragung waren denn auch durchwegs positiv, was zur Annahme verleitet, dass diese aktive Teilnahme am Erhebungsprozess die Befragten sehr motiviert. Insbesondere die Variante 3, bei welcher Befragte Bilder betrachten und frei kommentieren können, ermöglicht es der Interviewerin/dem Interviewer zu erkennen, was mit emotionalen Elementen wie „Gemütlichkeit“ oder einer „angenehmen Lernatmosphäre“ gemeint sein kann. Die Bilder stellen also tatsächlich eine Ergänzung zur Sprache dar. Die Fotobefragung liefert dadurch wertvolle Erkenntnisse schwer operationalisierbarer Aspekte, die sich auf ästhetisches Empfinden oder Kriterien der Gemütlichkeit beziehen. Gerade wenn es bei einer Nutzerbefragung um solche Aspekte geht, sollte eine Fotobefragung unbedingt in Erwägung gezogen werden. Zusammen mit anderen Erhebungsmethoden wie einer Umfrage kann ein umfassenderes Bild von Nutzerbedürfnissen erfasst werden.

6 Quellen

Fried Foster, Nancy; Gibbons, Susan (2007): Studying students. The undergraduate research project at the University of Rochester. Chicago: Association of College and Research Libraries.

Greifeneder, Elke; Seadle, Michael (2009): Bilder, die nicht lügen. B.I.T. Online, 12 (1), S. 11-15.

Hango, Birgit Athumani; Lang, Beate; Sakabe, Yukiko (2010): Maktaba Yangu – Meine Bibliothek. Qualitative Benutzerforschung an der Fachbereichsbibliothek Afrikawissenschaften und Orientalistik (UB Wien). Mitteilungen der VÖB, 63 (3/4), S. 50-63.

Kolb, Bettina [2008]: Die Fotobefragung in der Praxis. Verfügbar unter: http://www.univie.ac.at/visuellesoziologie/Publikation2008/VisSozKolb.pdf [Zugriff am 20.10.2016].

Kolb, Bettina (2012): Unveiling space by using participatory photo interview. In: C. N. Silva (Hrsg.): Online research methods in urban and planning studies. Design and outcomes. Hershey: Information Science Refernce.

Schoof, Kerstin (2010): Kooperatives Lernen als Herausforderung für Universitätsbibliotheken. Veränderungen in der Konzeption und Nutzung von Lernräumen. Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Heft 277. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin.

Wuggenig, Ulf (1988): Die Fotobefragung. In: H. Kreutz (Hrsg.): Pragmatische Soziologie. Beiträge zur wissenschaftlichen Diagnose und praktischen Lösung gesellschaftlicher Gegenwartsprobleme (S. 333-354). Oplade: Leske + Budrich.

Wuggenig, Ulf (1990): Die Photobefragung als projektives Verfahren. In: Angewandte Sozialforschung. Jahrgang 16 (1/2), S. 109-129.

Bildquellen:

Abb. 1: Fotos aus der Befragung (2016): Zwei positive (links) und zwei negative (rechts) Details. Eigene Fotos.

Abb. 2: Fotos aus der Befragung (2016): Lieblingsarbeitsplatz eines Befragten. Eigene Fotos.

Abb. 3: Abbadie, Hervé (o.J.): Öffentliche Bibliothek Francois Villon. Verfügbar unter: http://www.schulzspeyer.de/projekte/projekte/frankreich/bourg-la-reine/offentliche-bibliothek-francois-villon [Zugriff am 20.10.2016].

Abb. 4: Richters, Christian (2013): Lesesaal Bibliothek Birmingham. Verfügbar unter: http://www.detail.de/artikel/vieldeutiges-symbol-bibliothek-in-birmingham-von-mecanoo-architecten-11165/ [Zugriff am 20.10.2016].

Abb. 5: Knauf, Holger (o.J.): Bibliothek Land- und Amtsgericht Düsseldorf. Verfügbar unter: http://www.tropp-lighting.com/seiten/projekte_buero_verwaltung/p_land_amtsgericht_duesseldorf_1.html [Zugriff am 20.10.2016].

Abb. 6: ETH-Bibliothek (2010): GESS Bibliothek KOM_000059. Verfügbar via http://ba.e-pics.ethz.ch/ (Suchterm „GESS Bibliothek“) [Zugriff am 20.10.2016].

Autorin

Salome ZEHNDER, BSc. Information Science 2016, Mitarbeiterin ETH-Bibliothek (2011-2016), Team Print- und Online Zeitschriften sowie Dokumentenlieferung und Fernleihe, Schweiz-8047 Zürich

Salome.zehnder@bluewin.ch