Obwohl Frankreich zu den zentralen Akteuren des Dreißigjährigen Krieges gehörte, sind französischsprachige Publikationen zu dem Thema eher selten. Claire Gantets umfangreiche, in vier Teile gegliederte Monografie unterscheidet sich aber auch methodisch von vielen der bisherigen Darstellungen. Denn Gantet nimmt eine konsequent internationale Perspektive ein: Der erste Teil umfasst die Jahre 1618 bis 1629, eine Zeit der wachsenden Spannungen, die Gantet multipolar verortet. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 mit einer Revolte in Böhmen, in deren Verlauf Friedrich V. von der Pfalz zunächst zum Gegenkönig gewählt und dann von Kaiser Ferdinand II. vertrieben wurde. Hier geht es Gantet aber nicht nur um die Beteiligung verschiedener europäischer Mächte, sondern um die verschiedenen Konfliktregionen, die in einer international verflochtenen Welt in Beziehung zueinander gesehen werden müssen. Damit zieht die Autorin durchaus eine Parallele zur Gegenwart. Sie macht deutlich, dass der Krieg angesichts einer fragilen Gesamtkonstellation für die Zeitgenossen keineswegs überraschend kam. Sie richtet den Blick auf das Veltlin, wo seit 1620 die konfessionellen und politischen Spannungen eskalierten, und auf die Konfliktkonstellation in Norditalien, wo 1627 der Mantuanische Erbfolgekrieg ausbrach. Der französisch-spanische Gegensatz, der 1635 in den offenen Krieg mündete, bildete bereits zuvor das Gegenstück zur Situation im Heiligen Römischen Reich, wo Ferdinand II. seine Interpretationen des Augsburger Religionsfriedens und seine Vorstellungen von der Autorität des Kaisertums durchzusetzen versuchte. Bündnisse, persönliche Verflechtungen, Interessen, Solidaritäten und Loyalitäten bezogen rasch eine wachsende Zahl an Akteuren und Akteurinnen in das Geschehen ein. Nachdem das fragile Gleichgewicht erst einmal gestört war, insbesondere durch die Übertragung der pfälzischen Kurwürde von dem reformierten Friedrich V. auf den katholischen Maximilian von Bayern, ließ sich die Situation kaum wieder stabilisieren. Der Kaiser hatte dazu lange ohnehin kaum einen Grund. Der militärische Erfolg, nicht zuletzt gegen den als Reichsstand eingreifenden dänischen König Christian IV., gab ihm eine komfortable Basis, auf der er sein Handeln immer weiter überdehnte.

Der zweite Teil fokussiert die Jahre 1629 bis 1631, in denen sich das Blatt wendete. Das Restitutionsedikt, mit dem Ferdinand II. den Geistlichen Vorbehalt in kaiserlicher Machtvollkommenheit durchsetzen wollte, bildete für ihn zugleich einen Höhepunkt und einen Wendepunkt. Mit dem Kriegseintritt Schwedens, der außer Kontrolle geratenen katholischen Eroberung Magdeburgs und dem französisch-schwedischen Bündnis stellte sich dem Kaiser immer stärkerer Widerstand entgegen. Gantet rundet das Bild ab, indem sie zeigt, wie zeitgleich der französische Krieg in Lothringen Fahrt aufnahm. Hier fanden die »Schrecken des Krieges« statt, welche die Radierungen Jacques Callots zeigen, die in vielen Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges präsent sind. Der Krieg in Lothringen endete allerdings 1648 nicht, sondern ging mit dem bis 1659 andauernden französisch-spanischen Krieg weiter. Die europäische Verflechtung der Konflikte bedeutet eben auch, dass das Zeitfenster zwischen 1618 und 1648 nur einen Teil der kriegerischen Realität abbildet.

Im dritten Teil unternimmt Gantet eine Gesamtschau der Jahre 1631 bis 1648, die von Gewalteskalation und Friedenssuche geprägt waren, oft parallel zueinander: Weder beendete der Prager Frieden 1635 den Krieg, noch hörten die militärischen Auseinandersetzungen während der Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses auf. Gantet betont aber, dass der Krieg trotz aller Eskalationen in der Hand der politischen Akteure und Akteurinnen geblieben sei und sich keineswegs verselbständigte. Die Folgen des Krieges waren Gewalt, Epidemien oder Inflation. Die konkreten Folgen des Dreißigjährigen Krieges sind aber sowohl in der Gesamtschau als auch im Einzelfall schwierig zu greifen. Gantet macht deutlich, dass sich immer wieder die Frage stellt, ob geschilderte Gräuel tatsächlich ein Ereignis wahrheitsgemäß darstellten oder ob nicht die unfassbare Kriegsgewalt mit eingeführten Metaphern in eine etablierte Sprache des Leidens und der Entmenschlichung überführt wurde.

Dem Westfälischen Friedenskongress widmet Gantet den vierten Teil der Darstellung. Er überschneidet sich in den Jahren 1643 bis 1648 mit dem dritten Teil, geht aber darüber hinaus, nämlich bis 1650. Der bis 1648 dauernde Krieg und die Friedensverhandlungen bilden so zwei verschiedene Darstellungsebenen. Hier geht es um die Diplomatie und die Vertragsinhalte, aber auch um die Wahrnehmung des Friedens und die tatsächliche Beendigung des Krieges.

Auch wenn die Darstellung insgesamt eine chronologische Grundstruktur hat, springt sie doch in der Durchführung erheblich zwischen verschiedenen Epochen sowie auch zwischen verschiedenen Regionen hin und her. Gantet eröffnet einen perspektivisch weiten Blick auf den Dreißigjährigen Krieg, dem allerdings ein klarer Erzählstrang fehlt und in dem die Akteurinnen und Akteure mit ihrem Handeln und ihren Motivationen blass bleiben. Die angesprochenen Konflikte und sonstigen Themen werden zeitlich und inhaltlich jeweils breit entfaltet, dabei allerdings mit zahlreichen Details überfrachtet. Zudem werden immer neue Bereiche angerissen, aber nicht vertieft oder systematisch eingebunden: Wirtschaft, Kultur, Medien, Klima usw. Eingangs wird die Aktualität des Dreißigjährigen Krieges betont, das Veltlin wird als »das Syrien der 1620er-Jahre« eingeführt, weiter verfolgt werden diese Überlegungen aber nicht.

Gantet reiht vor allem eine Fülle an unterschiedlichen Facetten aneinander. Sie ergeben das äußerst kenntnisreiche, allerdings wenig systematische Bild einer Epoche, in der sich der Dreißigjährige Krieg als ein großer Flächenbrand entfaltete, der sich nicht auf einige wenige Akteure und Akteurinnen oder Faktoren reduzieren lässt. Das ist durchaus anregend, aber während dahingestellt sei, ob sich das Thema in dieser Form für Unkundige zur Einführung eignet, bietet sich denen, die damit vertraut sind, insgesamt wenig Neues, zumal der aktuelle Forschungsstand nicht gezielt einbezogen wird. Das zeigt sich beispielsweise an der durchgängigen Verwendung des in der aktuellen Forschung stark kritisierten Absolutismus-Begriffs. Die Darstellung wird durch Karten, Abbildungen, Genealogien, eine chronologische Übersicht über die Ereignisse vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis zum Pyrenäenfrieden 1659, ein Begriffsglossar und ein Personenregister abgerundet.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anuschka Tischer, Rezension von/compte rendu de: Claire Gantet, La Guerre de Trente Ans. 1618‑1648, Paris (Tallandier) 2024, 634 p. (Histoire), ISBN 979-10-210-5504-9, EUR 26,90., in: Francia-Recensio 2025/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.112988