kunsttexte.de - Journal für Kunst- und Bildgeschichte
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte
de-DEkunsttexte.de - Journal für Kunst- und Bildgeschichte1618-8101Titelei
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113764
Die Redaktion
Copyright (c) 2025 Die Redaktion
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-19410.48633/ksttx.2025.4.113764Editorial: Natur im Wandel
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113765
Silke FörschlerAstrid Silvia Schönhagen
Copyright (c) 2025 Silke Förschler, Astrid Silvia Schönhagen
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-1941310.48633/ksttx.2025.4.113765Metamorphische Landschaft. Transformationen von Natur in Lambert Sustris’ Jupiter und Io (1557)
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113766
<p>Vor dem Hintergrund aktueller Umweltdebatten betont der Beitrag die fortwährende Veränderlichkeit von Landschaften und die Relevanz eines dynamischen Landschaftsbegriffs. Im Zentrum steht das bislang wenig beachtete Gemälde <em>Landschaft mit Jupiter und Io</em> (1557–1563) von Lambert Sustris. Es verbindet die mythologische Erzählung von der Göttin Juno, die ihren Mann mit der Nymphe Io überrascht, mit einer eindrucksvollen Flusslandschaft, in deren Hintergrund Wassermühlen zu sehen sind. Der Beitrag untersucht die narrative Bedeutung dieser Landschaft im mythologischen Kontext. Anders als Ovid, der explizit von der Vergewaltigung der Nymphe Io durch Jupiter berichtet, zeigt Sustris eine gewaltfreie Szene, die sich in Landschaftselementen wie ineinander verschlungenen Bäumen widerspiegelt. Die Landschaft fungiert aber nicht bloß als dekorativer Hintergrund; stattdessen offenbart sich in ihr ein dynamisches Kräftespiel, das von konflikthaften Momenten durchzogen ist. Sie wird damit zur aktiven Trägerin, die das Verhältnis von Mensch, Natur und Göttern reflektiert. Die im Hintergrund dargestellten Mühlen lassen sich auf die agrartechnische Transformation der venezianischen <em>terra ferma </em>zurückführen. Neben der Darstellung praktischer Eingriffe in die Natur markieren sie zugleich symbolische Formen der Aneignung und Machtausübung durch den Menschen. Aus ökofeministischer Perspektive erschließt sich die symbolische Bedeutung der Mühle als Schnittstelle zwischen Naturbeherrschung, Körperpolitik und technologischer Kontrolle – ein Moment, in dem sich mythische Gewalt und materielle Eingriffe im Bild der Natur und des weiblichen Körpers überschneiden. Sustris’ <em>Landschaft mit </em><em>Jupiter und Io</em> erscheint so als exemplarisches Werk für eine kritische Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Fragen des Mensch-Natur-Verhältnisses und deren künstlerische Reflexion.</p>Franca Buss
Copyright (c) 2025 Franca Buss
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-1944910.48633/ksttx.2025.4.113766Landschaft als Akteurin. Naturästhetik im langen 18. Jahrhundert
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113767
<p>Ausgehend von Alois Riegels Überlegungen zur Landschaftsmalerei und Gernot Böhmes Konzeption einer ökologischen Naturästhetik untersucht der Artikel, wie Landschaften in visuellen Artefakten als Akteurinnen definiert werden können. Anhand ausgewählter Werke von Anna Waser, Philippe-Jacques de Loutherbourg und Johann Moritz Rugendas werden exemplarisch Bildanalysen vorgestellt, in denen der Landschaft Akteurinnen-Status zukommt und Natur als wandelbar erfahrbar wird.</p>Silke Förschler
Copyright (c) 2025 Silke Förschler
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194101510.48633/ksttx.2025.4.113767Die Verdunkelung des Pittoresken. Fabrikschornsteine in der britischen Landschaftsgrafik des 19. Jahrhunderts
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113768
<p>„The chimneys gain upon the hills“. Mit diesen Worten beschrieb der Kunstkritiker John Ruskin 1859 Manchesters Umgebung und hob damit das Verschwinden der Natur hervor, die durch die Ausbreitung industrieller Städte zunehmend verdrängt wurde. Dieser Wandel der Natur spiegelt sich auch in der zeitgenössischen Landschaftskunst, besonders in der Druckgrafik, wider. Während einige Darstellungen von dramatisch glühenden Fabriken, etwa von P. J. de Loutherbourg oder J. M. W. Turner, weithin bekannt sind, fanden die zahllosen pittoresken Ansichten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in topografischen Bildbänden und illustrierten Büchern als Stahlstiche reproduziert wurden, bisher nur wenig Beachtung. Dieser Beitrag untersucht anhand einer Auswahl solcher Stahlstiche, wie britische Künstler die industriellen Städte mit ihren schwarzen Fabrikschornsteinen als Hintergrund für pittoreske Kompositionen entdeckten. Ziel ist es, die scheinbare Harmonie dieser Bilder kritisch zu hinterfragen und aufzuzeigen, dass es gerade die kodifizierten Formen der pittoresken Ansichten waren, die es den Künstlern ermöglichten, das Unbehagen der Epoche angesichts des Wandels der Natur auszudrücken. Dies zeigt sich vor allem in der Betonung des Unterschieds von Vorder- und Hintergrund. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass der Vordergrund, der traditionelle Standpunkt des pittoresken Betrachters, der die Stadt aus der Distanz bewundert, zunehmend als fragiler Zufluchtsort inszeniert oder konstruiert wurde.</p>Violaine Gourbet
Copyright (c) 2025 Violaine Gourbet
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194162210.48633/ksttx.2025.4.113768„Die Natur in die Lage versetzen, sich von selbst zu reproduzieren“. Die Paradoxa der Fotografie als natürliche Technik
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113769
<p>Die Verbindung zwischen Fotografie und Natur ist alt. Die ersten Diskurse über Fotografie (Niépce, Daguerre, Arago, Talbot etc.) stellen diese als Paradoxon einer natürlichen Technik dar, die unberührt, nicht von Menschenhand gemacht (ein Acheiropoieton) ist und zunächst dazu bestimmt, Landschafts- und Pflanzenbilder festzuhalten. Die zeitgenössischen Pflanzenwerke von Almudena Romero und Léa Habourdin erscheinen uns als geprägt von dieser ,natürlichen Magie‘. Aber ihre Lebendigkeit und Flüchtigkeit treten in eine dialektische Beziehung zur Zeit und kehren die traditionellen Werte der Fotografie um.</p>Hugo Martin
Copyright (c) 2025 Hugo Martin
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194232810.48633/ksttx.2025.4.113769Natur und Wahrnehmung im Wandel. Materie, Zeit und ökologische Zugänge in postindustriellen Landschaften
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113770
<p>Der Artikel befasst sich aus der Perspektive Mitteleuropas, genauer des postkommunistischen Ostblocks, mit Repräsentationen der Natur in einer sich wandelnden postindustriellen Landschaft. Konkret widmet sich die Studie Beispielen geschlossener Kohlebergwerke in Mittelböhmen und den gesellschaftlichen Diskussionen über diese Landschaft seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Analyse ausgewählter Kunstwerke und künstlerischer Projekte (insbesondere von Dagmar Šubrtová und Miloš Šejn) zeigt, wie die künstlerische Repräsentation den gesellschaftlichen Diskurs mitprägt und zur Identitätsfindung der jeweiligen Orte beiträgt. Die Spezifik der Beispiele liegt darin, dass sie neben der künstlerischen Perspektive auch jene der Naturwissenschaften integrieren, um die Veränderungen der Umwelt besser zu begreifen. Indem die Künstler:innen die multisensorische Wahrnehmung und Affektivität sowie die Untersuchung von Materialien und Prozessen des Wandels in den Vordergrund rücken, bieten sie neue Arten des Empfindens und Erlebens von Natur – Zugänge, die unsere Verflechtung mit der Welt und ihren Veränderungen anerkennen. Die methodischen Grundlagen dieser Studie sind neben der Intermedialitätstheorie ökokritische Perspektiven und die Revision der anthropozentrischen Perspektive.</p>Stanislava Fedrová
Copyright (c) 2025 Stanislava Fedrová
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194293510.48633/ksttx.2025.4.113770Von Umwelt ‚gezeichnet‘. Natur als Ko-Kreateurin im künstlerischen Schaffensprozess von Vivian Suter
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113771
<p>Der Text untersucht die künstlerische Praxis von Vivian Suter, die seit den 1980er-Jahren in Panajachel (Guatemala) am Ufer des Atitlán-Sees lebt und arbeitet. An diesem Ort entstehen ihre großformatigen abstrakten Malereien, die stark beeinflusst werden von der dortigen Flora und Fauna. Die Einwirkung der ‚Natur‘ ist dabei nicht nur auf ideeller Ebene anzusiedeln, sondern gestaltet sich vor allem physisch, indem das Material der Leinwand neben Suters Bearbeitung auch von Witterungsbedingungen und Naturgewalten geformt wird. Die Malereien entstehen im ko-kreativen Prozess mit der ‚Natur‘ und unterlaufen damit den insbesondere in der Kunstgeschichte der Abstraktion verbreiteten Geniekult der singulären männlichen Autorschaft. Der Beitrag fokussiert diese spezifische, den Fokus auf die Materialität von Abstraktion legende künstlerische Arbeitsweise, die anhand von drei Aspekten analysiert wird: dem Naturraum als Atelier, der Ko-Kreation mit anderen Akteur:innen und der Gleichsetzung von Bildern mit Körpern.</p>Nina-Marie Schüchter
Copyright (c) 2025 Nina-Marie Schüchter
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194364210.48633/ksttx.2025.4.113771Die Arktis im Wandel. Strategien der Sichtbarmachung der Gletscherschmelze bei Tyrone Martinsson und Julian Charrière
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113772
<p>Im Zuge der Polarexpeditionen des 19. Jahrhunderts noch als ‚ewige Eiswüste‘ imaginiert, hat sich die kulturelle Konzeption der Arktis durch die globale Erwärmung in der jüngeren Vergangenheit stark verändert. Insbesondere Gletscher avancierten zu visuellen Ikonen im medialen Diskurs um den Klimawandel. Der Beitrag befasst sich mit zeitgenössischen Darstellungen einer sich wandelnden Arktis am Beispiel der Gletscherschmelze. Untersucht werden zwei Positionen an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft: ein 2011 begonnenes Projekt des schwedischen Fotografen und Fotohistorikers Tyrone Martinsson (1967–2025) zu Gletschern auf der norwegischen Inselgruppe Svalbard sowie die Skulpturenserie <em>Not All Who Wander Are Lost</em> (2019) des schweizerisch-französischen Künstlers Julian Charrière (*1987). Anhand von Archivbildern rekonstruierte Martinsson eine rund zweihundert Jahre umfassende Bildgeschichte zu Gletschern des arktischen Archipels Svalbard. Gemeinsam mit einem Glaziologen lokalisierte er vor Ort die dargestellten Motive, um diese aus exakt derselben Perspektive zu reproduzieren. In der Gegenüberstellung von historischen Aufnahmen und aktuellen Refotografien wird ein Rückgang des Eises deutlich. Bilddokumente aus dem Kontext von Exploration, Landnahme und kartografischer Erschließung werden als visuelle Referenz für das Schwinden der Gletscher umgedeutet. Diesem über den visuellen Vergleich operierenden Ansatz steht die Werkserie von Charrière gegenüber, die über die Wahl des Materials argumentiert. Mit dem Findling eignet sich Charrière eine Gesteinsformation an, die erst durch den Rückzug der eiszeitlichen Gletscher verfügbar wurde. Für die Bearbeitung der großen Gesteinsbrocken greift er mit der Kernlochbohrung auf eine Methode aus dem Kontext von Wissenschaft und Rohstoffabbau zurück. Sowohl den Arbeiten von Charrière als auch von Martinsson ist gemein, dass sie langfristige Veränderungen der arktischen Landschaft reflektieren und so einen Wandel in der kulturellen Auffassung dieser Region widerspiegeln, die von einer Gefahrenzone und dem Ort ewigen Eises zu einem durch menschliche Eingriffe gefährdeten Ökosystem geworden ist.</p>Maike Teubner
Copyright (c) 2025 Maike Teubner
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194434910.48633/ksttx.2025.4.113772Technologisierte Natur: ‚Natur‘ darstellen mit Elektroschrott?
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113773
<p>Dieser Beitrag untersucht, wie zeitgenössische Künstler*innen durch die Transformation von Elektroschrott in Naturdarstellungen die binäre Trennung von Natur und Kultur hinterfragen. Am Beispiel von Krištof Kinteras Installation <em>Postnaturalia</em> (2016–2017) und Julian Charrières Objektserie <em>Metamorphism</em> (2016) wird analysiert, wie aus weggeworfenen elektronischen Geräten dystopische Landschaften mit technologisierten Blumen oder gesteinsähnliche Objekte entstehen. Unter Rückgriff auf Kate Sopers philosophische Analyse des Naturbegriffs in <em>What is Nature?</em> (1995) argumentiert der Aufsatz, dass die Trennung von Natur und Kultur durch die materielle und visuelle Vermischung beider Sphären porös wird. Gleichzeitig verweist die Verwendung von Elektroschrott als Ausgangsmaterial sowohl auf die natürlichen Rohstoffgrundlagen aller Technologie(n) als auch auf die menschlichen Eingriffe in die Umwelt. Indem die Künstler hybride Objekte schaffen, visualisieren sie die Unmöglichkeit einer klaren Trennung zwischen Natur und Kultur im Hinblick auf den menschlichen Einfluss auf die Natur. Trotz der Vermischung binärer Natur- und Kulturvorstellungen bleibt die Referenz auf eine schützenswerte, ‚natürliche Natur‘ bestehen – laut Soper die wichtigste Bezugsgröße für umweltpolitisches Handeln.</p>Nora Bergbreiter
Copyright (c) 2025 Nora Bergbreiter
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194505410.48633/ksttx.2025.4.113773Konservierte Prähistorie. Zur doppelten Fossilisation in der Gegenwartskunst
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kunsttexte/article/view/113774
<p>Der Beitrag untersucht, wie fossile Elemente vor dem Hintergrund extraktiver Logiken eines ‚fossilen Kapitalismus‘ kontextuell, materiell und digital in zeitgenössische künstlerische Praktiken integriert werden. Dabei wird die These plausibilisiert, dass sich eine doppelte Fossilisation abzeichnet: Zum einen erstarrt die kritische Geste der Kunst durch ihre eigene materielle Verstrickung in extraktive Prozesse. Zum anderen wird eine längst überholte Form künstlerischer Autonomie konserviert, bei der die Kunst institutionell lediglich symbolpolitisch aufgeladen wird und in ökonomische Prozesse eingebettet bleibt. Herausgearbeitet wird diese doppelte Fossilisation anhand von Werken von Julian Charrière, Cyprien Gaillard und John Gerrard. Der Beitrag hinterfragt zudem eine affirmative Verwissenschaftlichung entsprechender künstlerischer Arbeiten, in denen Fossilien als Statthalter für eine vormals intakte Natur dienen, und plädiert für eine kritische Auseinandersetzung mit den sozioökonomischen Bedingungen künstlerischer Produktion im Angesicht einer physischen Natur im Wandel.</p>Michael Klipphahn-Karge
Copyright (c) 2025 Michael Klipphahn-Karge
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
2025-12-192025-12-194556210.48633/ksttx.2025.4.113774