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Der immer fremde Christus

Simone Weils interkulturelle Spurensuche als apophatische Theologie

  • Thomas Sojer (Autor/in)

Identifier (Artikel)

Abstract

Während ihrer Flucht 1942 verfasst die Jüdin Simone Weil eine ungewöhnliche Konstellation von ‚Christusfiguren‘, die images du Christ, von denen die meisten außerhalb der jüdisch-christlichen Tradition stehen: Neben mathematischen und philosophischen Theoremen wählt sie aus antiken Mythen, Märchen und sakralen Texten, quer durch mediterrane, ost-asiatische und amerikanisch-indigene Kulturräume. Weils Liste sprengt ein eurozentrisches, monolithisches Christusbild der großen Kirchen, das Kolonialisierung und (Zwangs-)Missionierung als pankulturelles Gedächtnis installiert haben. Demgegenüber malt Weil im Schreibakt der Auflistung eine ‚diffraktierte‘ Christusikone, die nicht mehr den einen Jesus Christus in dogmatischer Klar- und Reinheit darstellt, der lediglich in verschiedenen kulturellen und historisch kontingenten Kleidern gehüllt auftritt, sondern blickt stattdessen auf eine Leerstelle, markiert und umrahmt von einer figuralen Assemblage. Diese öffnet in ihrer unabgeschlossenen Gesamtheit den Zwischenraum eines negativen Christus-Begriffes und bietet ein Übungsinstrument der eigenen Imagination. Die Schulung des Blicks hilft, den paradoxen Universalismus als Folge eines radikalisierten Inkarnationsdenkens ‚auszuhalten‘ ohne aus der irreduktiblen Vielheit eine Einheit zu formen. Der vorliegende Beitrag fragt nach Kriterien und Praktiken figuraler Wahlverwandtschaft in Simone Weils Liste und diskutiert anschließend exemplarisch drei indigene ‚Christusfiguren‘ aus Indien, Schottland und Kanada.

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