Addenda et Corrigenda? Eine ritualwissenschaftliche Analyse der „missglückten“ Rezitation des Präsidial- Eides durch Barack Obama

  • Sebastian Emling (Autor/in)
    Teilprojekt C10, Religionswissenschaft SFB 619 c/o Südasien-Institut Im Neuenheimer Feld 330 D-69120 Heidelberg Germany

Abstract

Der in der Verfassung der USA festgeschriebene Präsidial-Eid kann als Ritualpräskript angesehen werden, dessen erfolgreiche Rezitation eine Bedingung für den Amtsantritt des neu gewählten Präsidenten darstellt. Aus ritualwissenschaftlicher Sicht kann eine Analyse der Rezitation des Präsidial- Eides im Rahmen der Inauguration Barack Obamas am 20. Januar 2009, der als „rituelle[s] Element“ angesehen werden kann, welches „erkennbar auch in anderen Ritualen“ (Gladigow 2004: 59) vorkommt, in mehrfacher Hinsicht von Interesse sein. Zum einen wird der Präsidial-Eid stets vom amtierenden Chief-Justice des Supreme Court rezitiert, sodass der neu gewählte Präsident dessen Worte nur noch wiederholen muss. Da Chief Justice John Roberts jedoch versehentlich nicht der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Sequenz des Eides folgte, soll die Abweichung von einer in schriftlichen Präskripten vorgeschriebenen Sequenz und deren Folgen an diesem Beispiel näher betrachtet werden.

Zum anderen muss erwähnt werden, dass John Roberts als Ritualspezialist verstanden werden muss, der als oberster Bundesrichter zwar die rituelle Vereidigung Obamas einleitet, von diesem aber mit einem Nicken auf den Fehler innerhalb der Rezitation aufmerksam gemacht wird. In diesem Kontext verspricht die Frage nach Reflexivität, also in diesem Fall dem Wissen um die richtige Durchführung des Rituals, von Interesse für die ritualwissenschaftliche Forschung zu sein.

Sämtliche  Beobachtungen erfolgen vor der Folie des Topos „ritual failure“ (vgl. Hüsken 2007), da der Präsidial- Eid am 21. Januar 2009 im Map Room des Weißen Hauses wiederholt wurde, weil zahlreiche Verfassungsrechtler dem Präsidenten geraten hatten, den Eid nochmals abzulegen. Dabei wird speziell die Frage nach der akteursabhängigen Wirksamkeit von Ritualen gestellt und die individuell höchst unterschiedliche Bewertung dieser „ritual efficacy“ (vgl. Sax/Quack 2010) illustriert.

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