Le traité de Verdun (843)
Les enjeux d’une mémoire
Identifier (Artikel)
Abstract
Der Vertrag von Verdun, der 843 zwischen den drei Söhnen Kaiser Ludwigs des Frommen geschlossen wurde, fand im Gegensatz zur Schlacht von Fontenoy (841) nur bei einer kleinen Anzahl zeitgenössischer Autoren Beachtung. Später scheint er in den Chroniken und Annalen weitgehend ignoriert worden zu sein. Nur wenige Autoren hielten es für angebracht, die Reichsteilung Ludwigs des Frommen zu erwähnen, da sie die fortwährende Trennung zwischen Westfranken/Frankreich und Ostfranken/Deutschland zu erklären erlaubte. Ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts jedoch führte ein neuer Aufschwung der Universalgeschichte dazu, dass die Schlacht von Fontenoy und vor allem die Teilung von Verdun als Schlüsseldaten betrachtet wurden, die das Ende der Einheit des fränkischen/römischen Reiches nach dem Tod Ludwigs des Frommen bedeuteten. Diese Rückbesinnung auf den Vertrag von Verdun besaß aber in Frankreich und Deutschland eine unterschiedliche Bedeutung. In Deutschland war man der Ansicht, dass das durch die Teilung von Verdun entstandene Reich der Deutschen seinen Zweck erfüllt hatte, indem es mit dem Römischen Reich wiedervereinigt wurde. In Frankreich musste man feststellen, dass das Königreich Frankreich zwar der direkte Erbe des regnum Francorum war, dass sich aber nach der Teilung von Verdun ein deutsches Königreich davon emanzipiert und es sogar geschafft hatte, die römische Kaiserwürde zu erlangen, die Karl der Große für die französischen Könige erworben hatte. Die von Sigebert von Gembloux als Anteil Karls des Kahlen erwähnte Francia war nur noch das kleine Royaume de France der vier Flüsse. In der Nachfolge der mittelalterlichen Chronisten schreiben die Historiker der Neuzeit dem Vertrag von Verdun eine zentrale Rolle bei der Entstehung der großen Staaten Europas zu. Aber während in Deutschland die Geburt eines rein deutschen Königreichs gefeiert wurde, beklagte man in Frankreich den Untergang des alten empire françois. An diese Überlegungen anknüpfend, machen im 19. Jahrhundert Augustin Thierry in Frankreich und Georg Waitz in Deutschland den Vertrag von Verdun zur Geburtsurkunde der französischen und der deutschen Nation: Dank ihnen wird er zum lieu de mémoire der deutschen und französischen Geschichte.