Die Entdeckung der Altstadt
Authentisierungsstrategien und die Sanierung des Altstadtviertels Le Panier in Marseille, 1972–1991
Identifier (Artikel)
Abstract
Altstädte wurden in den 1970er-Jahren als identitätsstiftende Symbole wiederentdeckt. Zahlreiche Städte in Westeuropa sanierten ihre verfallenden historischen Altstadtkerne. Diese sollten nicht nur bewohnt, sondern für Naherholung und Tourismus genutzt werden. Die Sanierung eines Viertels war jedoch auch eine Entscheidung für eine bestimmte Identität und Epoche, die widersprüchliche und heterogene Identitätszuschreibungen nicht zuließ. Am Beispiel des historischen Viertels Le Panier in Marseille untersucht der Beitrag, inwiefern es in den Jahren »nach dem Boom« zu einem Wertewandel in Bezug auf die historische Altstadt kam. Das Panier-Viertel ist heute bekannt als touristisches, kreatives Museumsviertel in Marseille. In den 1960er-Jahren war es von Verfall, einem hohen Migrationsanteil, Abwanderung und einem schlechten Ruf als kriminelles Hafenviertel geprägt. Als einziges historisches Stadtviertel im Zentrum Marseilles wurde das Panier-Viertel ab 1972 als denkmalgeschützte Zone (Ensembleschutz) saniert. Warum galt gerade dieses Viertel als erhaltenswert und als typisches, authentisches Stadtviertel Marseilles? Der Artikel ist ein Beitrag zur Erforschung urbaner Authentizität und untersucht am Beispiel des Panier-Viertels, inwiefern und wie das Viertel als authentischer Ort Marseilles inszeniert wurde. Die Perspektive der Stadtverwaltung wird mit der Sichtweise der Bevölkerung, insbesondere der Migrantinnen und Migranten, in Beziehung gesetzt.