Obwohl Pippin immerhin fast 30 Jahre als König in Italien amtierte, fristete seine Person ein Schattendasein in der Geschichtsschreibung. Jetzt liegt erstmals ein Sammelband mit 22 Beiträgen vor, der ausschließlich seiner Regierungszeit gewidmet und aus zwei Tagungen in Trento und Wien hervorgegangen ist. Beigetragen hat alles, was in der Forschung zum karolingischen Italien Rang und Namen hat.

In der Einleitung reflektieren Giuseppe Albertoni und Francesco Borri die Gründe für die Vernachlässigung Pippins in der Historiografie, die zum Teil in dessen Wahrnehmung als »fremder König« Italiens liegen, zum Teil in der fehlenden Emanzipation von seinem Vater Karl dem Großen. Die erste Sektion über die Geburt des regnum Italiae wird von François Bougard und Stefano Gasparri eingeleitet, die sich aus je unterschiedlicher Perspektive der Frage zuwenden, wann die Phase der Eroberung Italiens abgeschlossen und die karolingische Herrschaft konsolidiert war. Bougard bezeichnet die Gesetzgebung von Mantua im Jahr 782 als »naissance du gouvernement de l’Italie«, weil in ihr wichtige fränkische Institutionen wie die missi, die comites und die herrscherlichen placita nach Italien transferiert wurden. Gasparri legt dagegen den Akzent auf das »Capitulare Italicum« von 801, als das Regime der Repression mit der Akzeptanz des langobardischen Rechts in eine Phase der Normalisierung übergegangen sei. Alfons Zettler überprüft die These einer Hauptstadtfunktion von Verona, die auf den »Laudes Veronensis civitatis« beruht, und gelangt aufgrund des kaum vorhandenen Itinerars zu einem vorsichtig negativen Befund. Kritisch befasst sich auch Bernhard Zeller mit der Deutung der Rolle Waldos von St. Gallen als baiulus des Königs, was nicht zwingend als Erzieher, sondern auch als Bote oder Bevollmächtigter gelesen werden könne.

Die zweite Sektion wendet sich dem Königreich Italien und dessen Außenbeziehungen zu. Walter Pohl befasst sich mit dem »Carmen de Pippini victoria Avarica« und bescheinigt dem anonymen Autor sehr gute Kenntnisse der awarischen Verhältnisse, die Aufklärung durch Auskundschafter voraussetzt. Peter Štih schreibt alle wichtigen Entscheidungen in Istrien (wie die Einsetzung des dux Johannes) Karl dem Großen zu und sieht keine Anzeichen für eine selbständige Politik Pippins. Giulia Zornetta rekonstruiert das nachlassende Interesse Karls und Pippins in Süditalien und führt darauf die unterschiedliche Entwicklung der Herzogtümer Spoleto (innerhalb) und Benevent (außerhalb des regnum) zurück. Annamaria Pazienza und Francesco Veronese kontrastieren die divergierenden Berichte über die Position Venedigs im fränkisch-byzantinischen Konflikt von 806–812, welche in den Reichsannalen und in der »Istoria Veneticorum« enthalten sind. Marco Stoffella gibt einen ausführlichen Bericht zur Nachfolgeregelung Karls des Großen von 806 und betont das Fehlen eigenständiger Maßnahmen Pippins, die nur auf lokaler Ebene nachweisbar sind. Carl I. Hammer versucht auf der Grundlage der Nennung eines Kaplans Pippins in einer Freisinger Urkunde das Itinerar des Königs im Jahr 803 zu rekonstruieren. Möglicherweise besuchte er bereits damals sein zukünftiges Reich nördlich der Alpen. Igor Santos Salazar befasst sich mit dem Verhältnis des Königreichs Asturien zum Frankenreich Karls des Großen.

In der dritten Sektion stehen die Quellen zur grandezza des Königs im Vordergrund. Herwig Wolfram schlägt vor, das Stifterbild von St. Benedikt in Mals mit Pippin zu identifizieren. François Bougard diskutiert die beiden Miniaturen in den Rechtshandschriften von Modena und Cava und deutet die gemeinsame Darstellung von Karl (mit einem Globus in der Hand) und Pippin als »transmission of supreme power«. Cinzia Grifoni erwägt aufgrund einer Analyse der »Disputatio Pippini cum Albino« (mit italienischer Übersetzung) die Möglichkeit, Alkuin könnte für einen kurzen Zeitraum als Lehrer Pippins fungiert haben. Giuseppe Albertoni stellt die Darstellungen Pippins als Krieger zusammen, und Francesco Borri gibt eine Interpretation der am Hof Pippins entstandenen »Historia Langobardorum Codicis Gothani«, welche die Karolinger in die Tradition der langobardischen Könige stellt und gleichzeitig einen Neuanfang des regnum Italiae sowie eine Erfolgsgeschichte Karls und Pippins präsentiert. Christopher Heath wendet sich gegen die These, Paulus Diaconus habe die »Historia Langobardorum« für ein fränkisches Publikum oder für den Hof Pippins geschrieben, und gibt gute Gründe für eine Ausrichtung auf ein langobardisches Publikum, welches darüber belehrt werden sollte, wie in der Vergangenheit mit den Franken und anderen Nachbarn wie Byzanz interagiert worden war. Rachel Stone stellt die an Erich von Friaul adressierte Mahnschrift des Paulinus von Aquileia vor und ordnet sie in die politisch-moralischen Diskurse der Zeit ein. Clemens Gantner erörtert die Quellen aus dem päpstlichen Rom und beantwortet die Frage, warum Pippin darin kaum erwähnt wurde, mit der fehlenden Eigenständigkeit des Herrschers und mit Spannungen im Verhältnis zu Papst Leo III. Nach einer Analyse der Erwähnungen Pippins bei Ermoldus Nigellus durch Rutger Kramer wird der Band durch eine Zusammenfassung von Cristina La Rocca abgeschlossen, die Pippins Rolle als Karls Sohn und Mann der Grenze hervorhebt.

Der Band ist eine Leistungsschau der internationalen Karolingerforschung und stellt mit Pippin eine zentrale Persönlichkeit der Zeit um 800 in das Rampenlicht, die bislang zu Unrecht vernachlässigt wurde. Die Erträge sind reichhaltig in vielen Details und erlauben erstmals eine Gesamtschau auf seine Regierungszeit.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Karl Ubl, Rezension von/compte rendu de: Guiseppe Albertoni, Francesco Borri (a cura di), Spes Italiae. Il regno di Pipino, i Carolingi et l’Italia (781–810), Turnhout (Brepols) 2022, 416 p. (Haut Moyen Âge, 44), ISBN 978-2-503-59946-5, EUR 80,00., in: Francia-Recensio 2023/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.4.101269