Transformationsfragen erfreuen sich in den letzten Jahren steigender Beliebtheit, wie sich unschwer an diversen Forschungsprojekten (beispielsweise zur Transformation der Wiedergutmachung) ablesen lässt. Freilich wurde die Pionierarbeit auf diesem Gebiet durch das europäische Forschungsprojekt »Transformation of the Roman World« geleistet, das – nicht zuletzt personell – einen Ausgangspunkt für den vorliegenden Tagungsband bildet. Wie zahlreiche andere Ergänzungsbände zum »Reallexikon der Germanischen Altertumskunde« widmet sich auch dieser dem Epochenwechsel Spätantike–Frühmittelalter mittels interdisziplinärer Perspektive. Der besondere Reiz besteht darin, dass sich Archäologie und Geschichtswissenschaft mit den Dukaten einem Thema zuwenden, welches in der archäologischen Forschung bisher nur eine untergeordnete Rolle spielte, da sich duces anhand archäologischer Quellen – abgesehen von epigrafischen Zeugnissen – naturgemäß nur schwer fassen lassen. Die folgende Rezension muss sich auf ausgewählte Aufsätze beschränken; eine kritische Würdigung sämtlicher Beiträge ist aus Platzgründen nicht möglich.

In seinem Vorwort verweist Sebastian Brather nach einer knappen Skizze der Forschungslage darauf, dass Dukate bzw. duces für eine interdisziplinäre, epochenübergreifende Untersuchung geradezu prädestiniert seien, da »sich in ihnen […] zentrale Aspekte von Transformationsprozessen am Beginn des Mittelalters« bündelten (S. 3). Die Weichenstellung für eine entsprechende Untersuchung liefert der Beitrag von Stefan Esders mit seiner Definition der Dukate als Strukturelemente spätantik-frühmittelalterlicher Raumordnung. An die Stelle der lange Zeit vorherrschenden wort- und begriffsbezogenen Forschungen tritt hier ein auf die Phänomene fokussierter Ansatz, indem Infrastrukturen, Institutionen und Ressourcen als die entscheidenden Elemente der Kontinuitätsfrage definiert werden. Wenn sich »der Blick auf die verschiedenen Substrukturen eines Dukats« statt »auf dessen Superstrukturen oder auf Amtsbezeichnungen wie diejenige des dux« richtet (S. 29), bieten sich verheißungsvolle Perspektiven für die raum- und epochenübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Den spätantiken Voraussetzungen frühmittelalterlicher Dukate widmen sich zwei Beiträge in Teil I des Sammelbands. Dass aus archäologischer Sicht nach wie vor große Schwierigkeiten bestehen, einen Dukat oder gar dux ohne Zuhilfenahme der Schriftquellen zu fassen, arbeitet Alexander Heising am Beispiel des durch die »Notitia Dignitatum« vergleichsweise gut dokumentierten dux Mogontiacensis eindrücklich heraus: »Ohne die antiken Schriftquellen hätte man von der Existenz eines spätantiken Mainzer Dukates nicht gewusst« (S. 102). An dieser Stelle wären weitere Untersuchungen zu den spätantiken Dukaten wünschenswert gewesen, um ein stabileres Fundament für die Analyse der frühmittelalterlichen Zustände zu schaffen – evtl. auch unter Einbeziehung besser erforschter Grenzgebiete, zumal relevante Traditionsstränge nicht ausschließlich in den (Nord‑)Westprovinzen des Imperium Romanum zu suchen sind.

Die frühmittelalterliche Dukate analysiert der Tagungsband zunächst für das zentrale Merowingerreich (Teil II), dann für die Peripherie (Alemannien, Bayern und Thüringen) (Teil III) und schließlich den Alpenraum sowie Italien (Teil IV). Das breite Spektrum nachantiker Transformationen legt Sebastian Brather in seinem Beitrag »Strukturelle Voraussetzungen für einen alemannischen Dukat« luzide dar: Einerseits lässt sich »das Fortwirken der römischen Substrukturen bis in das Frühmittelalter hinein« feststellen (S. 267f.), andererseits wurden in nachrömischer Zeit vielfach gänzlich neue Strukturen geschaffen. Für den spätantik-frühmittelalterlichen Raum der mittleren Alpen wiederum kann Marcus Zagermann ein beeindruckendes Maß an Kontinuität römischer Substrukturen präsentieren, welches sich hervorragend unter dem von ihm gewählten Titel »Jegliches wechselt, doch nichts geht unter« zusammenfassen und – cum grano salis – auch auf andere Regionen übertragen lässt.

Steffen Patzold kommt im Rahmen seines abschließenden Ausblicks die herausfordernde Aufgabe zu, die mitunter sehr heterogenen Zustände der Dukate in den unterschiedlichen (Zeit-)Räumen und Quellen zusammenzufassen. Der Autor tut dies anhand der eingangs bereits erwähnten Unterscheidung zwischen Wort, Begriff und Phänomen und liefert dabei eine erfolgversprechende Synthese. Völlig zu Recht verweist sein Beitrag auf die Problematik der bisher zu stark gewichteten ethnischen Interpretation archäologischer Funde und die Gefahr des Zirkelschlusses, da sich archäologische Forschungen früher vielfach zu unkritisch auf historische Daten stützten. Patzold deduziert folgerichtig die Notwendigkeit neuer archäologisch-historischer Modelle zur Interpretation solch komplexer Phänomene wie der spätantik-frühmittelalterlichen Dukate. Insgesamt kann man sich seiner Einschätzung nur anschließen, dass der Tagungsband »einige solide neue Perspektiven für die zukünftige interdisziplinäre Forschung für die Periode des Übergangs von der römischen in die frühmittelalterliche Welt erarbeitet« habe (S. 550). Vor diesem Hintergrund darf man optimistisch in die Zukunft blicken und auf weitere Arbeiten zum Themenkomplex gespannt sein.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Stephan Ridder, Rezension von/compte rendu de: Sebastian Brather (Hg.), Die Dukate des Merowingerreiches. Archäologie und Geschichte in vergleichender Perspektive, Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2023, IX–561 S., zahlr. Abb., Karten, Diagr. (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 139), ISBN 978-3-11-109554-7, EUR 139,95., in: Francia-Recensio 2023/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.4.101277