Wie man Frieden »macht«, ist die zentrale Frage der Friedensforschung. Die Diplomatiegeschichte liefert darauf zunehmend präzisere Antworten seit sie im Rahmen einer Mikrogeschichte die Akteure und Akteurinnen und ihre Praktiken aus der Nähe betrachtet. Einen solchen praxeologischen Ansatz verfolgt auch die Bonner Dissertation von Markus Laufs. Konkret nimmt er die Friedensvermittlung unter die Lupe, ein Verfahren, das bis in die Gegenwart existiert, aber kaum feste Formen ausgebildet hat: Friedensverhandlungen konnten und können mit oder ohne Vermittlung geführt werden. Diese konnte langfristig geplant, aber auch, wie die niederländische Vermittlung auf dem westfälischen Friedenskongress, situationsbedingt etabliert werden. Dass das Phänomen der Mediation ein flexibles blieb, ist bereits ein Ergebnis der Studie.
Der Begriff der Praktiken ist, anders als viele Forschungstermini, zeitgenössisch. Seine Verwendung ist allerdings relativ diffus und unspezifisch, sodass Laufs den Begriff der Praktiken der Friedensvermittlung zunächst genauer definiert und klarstellt, dass es nicht allgemein um Praxis oder das gesamte Handeln geht, sondern um ein in gewissem Maße standardisiertes und bewusstes Handeln, das auch Sprechen und Schreiben einbezieht. Um tatsächlich Praktiken und nicht rein individuelles Handeln herauszuarbeiten, betrachtet Laufs die Friedensvermittlung in einer vergleichenden Perspektive. Er vergleicht den westfälischen Friedenskongress (1643–1649) und den Kongress von Nimwegen (1676–1679), wobei er den Fokus auf die päpstliche Vermittlung zwischen Frankreich und dem Kaiser sowie auf die niederländische Vermittlung zwischen Frankreich und Spanien legt. Nicht systematisch untersucht werden andere Mediationen auf diesen Kongressen, auch nicht jene durch Venedig, das in Münster gemeinsam mit dem Papst agierte, oder die päpstliche Vermittlung zwischen Frankreich und Spanien. Völlig trennscharf lässt sich diese Analyse allerdings nicht durchführen, sodass die venezianische Vermittlung in Münster und die päpstliche Vermittlung zwischen Frankreich und Spanien durchaus immer wieder vorkommen.
Laufs erläutert zunächst sein methodisches Vorgehen, die Begrifflichkeit und die Traditionen der Friedensvermittlung seit dem 14. Jahrhundert. Nach einer Einführung der Akteure der Friedensvermittlung in Münster und Nimwegen und des »Settings« der Praktiken, bildet dann der praxeologische Vergleich den Kern der Untersuchung. Laufs identifiziert elf Praktiken der Friedensvermittlung in Münster und Nimwegen (S. 101). Diese systematisiert er für den Vergleich in »regulative Praktiken« (Regulieren, Einrichten, Vorsitzen, Beglaubigen, Aufbewahren), »translative Praktiken« (Übermitteln, Übersetzen, Vergleichen) und »diskursive Praktiken« (Kommentieren, Vorschlagen, Redigieren). Die Vielfalt der Praktiken zeigt bereits, dass die Vermittler eigenständige Akteure mit erheblichem Handlungspotential waren, zumal die Handlungen unterschiedliche Facetten besaßen. So konnte eine Übersetzung sprachlicher, medialer, aber auch kultureller Art sein. Die Kernaufgabe der Vermittler war die »Vertrauensgenerierung« (S. 227): Sie stellten zwischen den Gegnern Vertrauen her oder stellten das Vertrauen, das die Kontrahenten in sie hatten, quasi als Ersatz zur Verfügung.
Der Vergleich ergibt ein hohes Maß an Gemeinsamkeit in den Praktiken der päpstlichen und der niederländischen Unterhändler. Das ist umso bemerkenswerter, als beide nicht nur völlig unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen, sondern auch Zielsetzungen hatten: Während der Papst seinen traditionellen Status als Mediator affirmierte, bestätigten die Niederlande durch die Vermittlung ihre neue Position als politische Aufsteiger und souveräne Macht. Die zentrale Bedeutung von Souveränität im 17. Jahrhundert zeigt sich in der Friedensvermittlung in verschiedener Hinsicht. Sie wurde nicht nur durch den Akt des Vermittelns bestätigt, sondern spielte auch in dessen Ausführung eine wichtige Rolle. Wenn Laufs betont, dass »regulative Praktiken in Westfalen und Nimwegen […] die Gleichrangigkeit der Akteure herstellen« sollten (S. 337), dann sieht er darin zugleich den Ausdruck eines unter den Vorzeichen der Souveränität gewandelten Verständnisses des Umgangs der europäischen Mächte miteinander, an das sich die Friedensvermittlung anpassen musste.
Lauf stützt seine Analyse vor allem auf die päpstliche und die niederländische Korrespondenz und erschließt in erheblichem Umfang neue Archivalien. Insgesamt hat er 16 internationale Archive und Handschriftensammlungen konsultiert, was der Arbeit im Zusammenspiel mit der hohen sprachlichen Kompetenz des Autors bereits einen festen Platz in der historischen Friedenforschung verschafft. Dies gilt umso mehr, als er mit einem klaren und gut definierten methodischen Ansatz an das Thema herangeht und zudem immer wieder Zwischenfazite in seine Darstellung einbaut. Mitunter hätte dem Werk allerdings eine gewisse Straffung gutgetan. Bereits die Einleitung umfasst 56 Seiten. Laufs referiert teilweise zu inhaltlichen und methodischen Aspekten ausführlich einen bereits gut eingeführten Forschungsstand, auf den man hätte knapp verweisen können. Die Fußnoten wiederum geraten zum Teil durch weiterführende Erläuterungen zu einem umfangreichen Paralleltext. All das überlagert ein Stück weit die wichtigen Ergebnisse der Arbeit.
Angesichts der Offenlegung der Praktiken von Friedensvermittlung stellt sich die Frage, wie diese in Beziehung zu Friedensverhandlungen ohne Vermittler stehen: Welche Praktiken wurden von anderen Akteuren übernommen? Welche entfielen? Welche kamen hinzu? Worin lagen die Vorteile, worin die Nachteile einer Vermittlung? Gerade diese Frage stellt sich ganz konkret, da die französisch-spanischen Verhandlungen in Münster scheiterten und erst 1659 in den Pyrenäen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wurden – dieses Mal bewusst ohne Mediator. Laufs geht darauf nur kurz ein und erklärt dies mit dem Misstrauen gegenüber der Person des mittlerweile zum Papst aufgestiegenen Vermittlers Fabio Chigi (S. 233). Diese Erklärung greift allerdings zu kurz, denn zum einen brüskierte der Verzicht auf die Fortsetzung der Mediation nicht nur den Papst, sondern auch Venedig, zum anderen zeigten sich französische Akteure bereits während des westfälischen Friedenskongresses mitunter skeptisch gegenüber dem Instrument der Friedensvermittlung an sich. Es ist durchaus bemerkenswert, dass die von Laufs als regulative Praktik kategorisierten Bemühungen der Niederländer in Nimwegen, zeremonielle Gleichheit zwischen Franzosen und Spaniern räumlich herzustellen (S. 288–298), einen Vorläufer in den Verhandlungen an der französisch-spanischen Grenze auf der Fasaneninsel 1659 hatten. Dort aber kam das Verfahren ohne Friedensvermittlung zustande. Die vergleichende Friedensforschung bietet also für die Vermittlung weitere offene Fragen, die nur durch den Blick auf das konkrete Handeln zu beantworten sind. Das gilt freilich auch für den Vergleich bzw. die weitere Entwicklung des Instruments der Vermittlung selbst: Laufs bietet dafür bereits zahlreiche Anregungen, indem er diese Praktik in einem Ausblick bis in das 18. Jahrhundert weiterverfolgt.
Insgesamt bereichert die Studie von Markus Laufs das Wissen über frühneuzeitliche Friedensvermittlung und darüber hinaus die historische Friedensforschung in erheblichem Maße. Es handelt sich hier nicht nur um die Analyse eines oder mehrerer Beispielfälle, sondern Laufs kommt auf der Grundlage seiner Analysen zu allgemeingültigen Aussagen, die in einen breiteren historischen Kontext eingeordnet werden.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Anuschka Tischer, Rezension von/compte rendu de: Markus Laufs, »In viam pacis«. Praktiken niederländischer und päpstlicher Friedensvermittlung auf den Kongressen von Münster (1643–1649) und Nimwegen (1676–1679), Göttingen (V&R) 2022, 598 S. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 268), ISBN 978-3-525-31144-8, EUR 90,00., in: Francia-Recensio 2023/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.4.101521