Während westeuropäische Mächte wie Portugal und Spanien seit dem späten 15. Jahrhundert Segelschiffe nutzten, um die Ozeane zu überqueren und auf diese Weise Zugriff auf die Reichtümer Asiens und Lateinamerikas zu erlangen, bildeten Galeeren, also Schiffe, die in erster Linie gerudert wurden, noch bis ins 18. Jahrhundert hinein einen festen Bestandteil der Kriegsflotten im Mittelmeer. Ihr Einsatz bot in spezifischen, eng umgrenzten Situationen noch militärische Vorteile. Doch genutzt wurden sie nicht zuletzt wegen ihrer symbolischen Kraft als Orte, an denen sich die Verfügungsmacht des Monarchen über Straftäter und Andersgläubige kristallisierte – jene Menschen, die gezwungen wurden, die langen und schweren Riemen zu bedienen.

Diese symbolische Dimension der Galeeren und ihrer Insassen steht im Mittelpunkt der Monografie von Meredith Martin und Gillian Weiss. Die beiden Autorinnen – die eine Kunsthistorikerin, die andere Historikerin – untersuchen sie am Beispiel Frankreichs unter der Herrschaft Ludwigs XIV. Sie fokussieren dabei auf jene Gruppe innerhalb der »chiourme« (so nannte man diejenigen, die gezwungenermaßen die Galeeren ruderten), die im zeitgenössischen Französisch als »turcs« bezeichnet wurden. »Le Roi-Soleil en mer« ergänzt insofern André Zysbergs Studie »Les galériens. Vie et destins de 60 000 forçats sur les galères de France 1680–1748«, welche die Strafgefangenen auf den Galeeren zum Gegenstand hat. Als »turcs« bezeichnete man pauschalisierend Galeerensklaven, die (angeblich) aus dem Osmanischen Reich stammten oder muslimischen Glaubens waren, darunter viele Männer aus den nordafrikanischen Vasallenstaaten der Sultane. Tatsächlich war die französische Monarchie nicht allzu wählerisch – zu den entrechteten Ruderern gehörten auch orthodoxe Christen, Juden, Menschen aus dem subsaharischen Westafrika und eine Handvoll Irokesen.

Die »turcs« waren von hohem propagandistischem Interesse für einen Monarchen, der sich als »allerchristlichster König« stilisierte und in der Nachfolge des Kreuzfahrers Ludwig IX. (»der Heilige«) gesehen werde wollte. Muslime, die unter der totalen Kontrolle ihrer französischen Aufseher schufteten, um buchstäblich die Kriegsmaschinerie des Sonnenkönigs in Gang zu halten, galten in einer heute unmenschlich erscheinenden Logik als potente Symbole für dessen Kampf gegen den Islam und für seine Seeherrschaft im Mittelmeerraum. In der zeitgenössischen französischen Kultur waren die »turcs« deswegen bemerkenswert präsent. Es erstaunt nicht, dass geschnitzte Skulpturen von Galeerensklaven zum Figurenschmuck der Galeeren selbst gehörten oder dass sie Segelkriegsschiffe der Mittelmeerflotte wie die Royal Louis (1669) schmückten. Doch sie selbst und ihre künstlerischen Ebenbilder (Gemälde, Stiche, Skulpturen, Medaillen) waren auch im Binnenland zu bestaunen, wie »Le Roi-Soleil en mer« belegt. Auf dem Großen Kanal des Schlossparks von Versailles konnte die Hofgesellschaft sich in den 1670er-Jahren am Anblick einer Flotte von miniaturisierten Kriegsschiffen erfreuen, darunter auch Galeeren. 50 »turcs« wurden nach Versailles gebracht, um diese Schiffe zu rudern. Sie saßen dort auch Künstlern Modell. Eine weitere Komponente dieser Propaganda waren performative Akte – aufwendig inszenierte Taufen von Galeerensklaven, die bereit waren, zum Christentum zu konvertieren.

Die Studie von Martin und Weiss zeigt, dass es schon im 17. Jahrhundert zum Wesen von Propaganda gehörte, auf wirkungsvolle Narrative nicht zu verzichten, nur weil sie mit den Fakten kollidierten. Die Apologeten des Sonnenkönigs suggerierten, bei den »turcs« handele es sich um Gefangene, welche die Franzosen bei ihren angeblich stets siegreichen Feldzügen gegen die muslimischen Staaten Nordafrikas gemacht hätten. Tatsächlich waren es mehrheitlich Menschen, welche französische Diplomaten rund ums Mittelmeer gekauft hatten. Und Ludwig XIV. war nicht der entschlossene Bekämpfer des Islams, als der er gesehen werden wollte. Während die Habsburger in Mittel- und Südosteuropa gegen osmanische Heere kämpften, schloss er Handelsverträge mit ihren Oberherren und dachte nicht daran, seinem Konkurrenten in Wien, Kaiser Leopold I., militärische Unterstützung zu gewähren. Diese Kluft zwischen der Inszenierung des Sonnenkönigs und seiner Realpolitik wurde von seinen zahlreichen Gegnern auf der internationalen Bühne gegen ihn gewendet. Bezeichnend hierfür ist der Titel einer englischen Flugschrift aus dem Jahr 1690: »The Most Christian Turk, or a View of the Life and Bloody Reign of Lewis XIV«.

Während die »turcs« auch bei den Gegnern Frankreichs kaum auf Mitleid hoffen durften, galt dies für eine andere Gruppe nicht: Jene Hugenotten, die nach der Revokation des Edikts von Nantes 1685 zur Galeerenstrafe verurteilt wurden. Auch aus dem repressiven Vorgehen gegen die Protestierenden versuchte die französische Monarchie einen Image-Profit zu schlagen. »Le Roi-Soleil en mer« zeigt, wie in der Propaganda Ludwigs XIV. Mohammed und Calvin, die »turcs« und die Hugenotten, parallelisiert wurden. Die Fron auf den Galeeren wurde als Mittel zur Rettung ihrer Seelen stilisiert, weil sie sie zum wahren Glauben führen könne. Die Bordgeistlichen der Galeeren waren ebenso wie ihre Kollegen im Arsenal von Marseille dazu angehalten, auf Konversionen hinzuarbeiten. Doch das grausame Vorgehen gegen protestantische Christen wurde von den Gegnern Ludwigs XIV. in ihre Version einer schwarzen Legende seiner vermeintlich tyrannischen Herrschaft integriert. Nicht zuletzt in Reaktion auf die Kritik aus dem Ausland verzichtete die französische Propaganda ab 1690 zunehmend darauf, die muslimischen und protestantischen Galeerensträflinge zu thematisieren.

»Le Roi-Soleil en mer« ist in seiner Konzeption als Produkt der interdisziplinären Zusammenarbeit von Geschichte und Kunstgeschichte ein originelles Buch. Tatsächlich lässt sich schwer sagen, welche Kapitel die Kunsthistorikerin Meredith Martin und welche die Historikerin Gillian Weiss beigesteuert hat, oder ob beide alle Kapitel gemeinsam verfasst haben. Obwohl die Leserinnen und Leser interessante sozialgeschichtliche Einblicke erhalten – beispielsweise in das Leben und die Verdienstmöglichkeiten der Galeerensträflinge in Marseille –, dominiert die kunst- und kulturgeschichtliche Perspektive. Es geht zuallererst um künstlerische Repräsentationen der »galériens«. Dabei vertreten die Autorinnen eine postkoloniale Perspektive, in der sie ein Selbstbild Frankreichs als Land der Freiheit dekonstruieren möchten, das zwar Sklaverei betrieben habe, aber nur in den Kolonien. Dagegen zeigen sie, wie Sklaverei auf dem Boden des Mutterlandes nicht nur praktiziert, sondern sogar in ein positives Selbstbild des Staates – den zu verkörpern Ludwig XIV. beanspruchte – integriert wurde. Die Studie, die mit zahlreichen hochwertigen Illustrationen ausgestattet ist, weiß über weite Strecken zu überzeugen. Gelegentlich geht indes der Fokus auf die See und die Galeerensträflinge verloren, scheint die umfangreiche Analyse von Kunstwerken und Diskursen zum Selbstzweck zu werden. Das empfehlenswerte Buch ist auch Leserinnen und Lesern zugänglich, die des Französischen nicht mächtig sind. Denn es ist ursprünglich auf Englisch erschienen, unter dem Titel »The Sun King at Sea«.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Patrick Schmidt, Rezension von/compte rendu de: Meredith Martin, Gillian Weiss, Le Roi-Soleil en mer. Art maritime et galériens dans la France de Louis XIV, Paris (Éditions de l’EHESS) 2022, 350 p. (Représentations, 14), ISBN 978-2-7132-2950-3, EUR 32,00., in: Francia-Recensio 2023/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2023.4.101525