Dass der Sonntag als christlicher Feiertag seit der Spätantike wöchentlich zur Erinnerung an die Auferstehung Christi gefeiert und so zu einem festen zyklischen Element im christlichen Festkalender wurde, ist bekannt, im Einzelnen bisher jedoch kaum untersucht. Dieser Frage widmet sich daher mit Erfolg der vorliegende Band, der aus einer Wiener Tagung von 2019 erwachsen ist und in einem Projekt noch in Form einer Datenbank mit den einschlägigen Quellen zugänglich gemacht werden soll. Die Durchsetzung des Sonntagsgebots ist, so das von der Herausgeberin in der Einleitung verkündete Ergebnis, ein langer Prozess, der mit den Gesetzen Konstantins keineswegs abgeschlossen war, und auch die Vorstellung einer Verlegung des jüdischen Sabbats auf den christlichen Sonntag greift hier zu kurz. Hintergrund ist aber die Christianisierung der Gesellschaft in der Spätantike.

So gelangt eine kontextuale Betrachtung der konstantinischen, nur im »Codex Theodosianus« und im »Codex Iustinianus« erhaltenen, aber auch in der Konstantinvita des Eusebius beschriebenen Erlasse zu dem Ergebnis, dass diese in engem Zusammenhang mit Konstantins Kriegen gegen Licinius zur Stärkung der Christenheit zu sehen sind und wohl nur vorübergehend gültig waren; noch bis zum Ende des 4. Jahrhunderts hieß der Tag traditionell dies solis (Fritz Mitthof). Dass Konstantins Gesetze nicht weiter rezipiert wurden, bestätigt ein neuer Inschriftenfund aus Anaia (Uta Heil, Fritz Mitthof), zumal auch die Kaiser selbst sich nicht an das Gebot gehalten und zwischen Konstantin und Theodosius II. am Sonntag nicht weniger Gesetze erlassen haben als an anderen Wochentagen (Sofie Remijsen). Der Vorzug des Sonntags gegenüber dem jüdischen Sabbat findet sich allerdings schon in der frühen Patristik, während der Sabbat gleichzeitig von jüdischen Rabbinern verteidigt wurde (Günter Stemberger). In seinen Predigten nimmt Augustin eine eschatologische Umdeutung des Sonntags vom Gedenken des Sabbats hin zur künftigen Ruhe vor (Marie-Ange Rakotoniaina).

Mehrere Aufsätze widmen sich der Frage nach konkreten Sonntagsaktivitäten. Eine Fallstudie zur ägyptischen Stadt Aphrodito vom 6. bis zum 8. Jahrhundert erweist eine Unterrepräsentation des Sonntags bei kaufmännischen Großaktionen (und von daher eine Respektierung des Sonntagsgebots, während private Tätigkeiten keine Sonntagsruhe widerspiegeln) (Sofie Remijsen). Kein Synodalprotokoll wurde aber an einem Sonntag erstellt; Synoden wurden zumeist am Montag eröffnet; waren synodale Aktivitäten 431 (Ephesus) noch erkennbar, so betrafen sie 680 keine offiziellen Handlungen mehr. Wohl aber wurde die Weihe des Patriarchen Maximian von Konstantinopel an einem Sonntag vollzogen (Thomas Graumann). Inschriften aus Arabien und Palästina belegen mit dem Wandel der Benennung vom Sonnentag zum Tag des Herrn die Rezeption des Sonntags (und die Rolle der Kirche) im Alltag (Basema Hamarneh), wie dieser Tag auch im Klosterwesen Palästinas extrem reguliert war (Andreas Müller). Im politischen Diskurs des 6. Jahrhunderts und im Interesse der Kaiser spielte der Sonntag jedoch ebenso wenig eine Rolle wie in der byzantinischen Kirche, wohl aber im dortigen monastischen Milieu wie auch in der fränkischen Synodalgesetzgebung (Orléans 535, vor allem Mâcon 585), die damit zu den Unterschieden zwischen Ost und West beitrug, doch gab es offenbar auch hier komplexe Verhandlungsprozesse (Mischa Meier). Das bestätigt sich in den fränkischen Konzilien im Hinblick auf das Arbeitsverbot, das hier öfter verordnet wurde als anderwärts und durch entsprechende Strafwunder in der Hagiographie gestützt wurde (Ian Wood, der das als Teil der Christianisierung begreift). Ein Überblick über die Sonntagsbeachtung nach Norm und Normabweichung im spätrömischen Reich und dessen Nachfolgestaaten ergibt eine Konzentration auf Arbeitsfreiheit, Fastenverbot und Gottesdienstpflicht in den Synodalbestimmungen sowie auf rituelle Ordnungen des Gottesdienstverlaufs, während Predigten Abweichungen von der Eucharistiepflicht erkennen lassen (Wolfram Kinzig, der dahinter eine Absicht der Kirche erblickt, die Laien in Abhängigkeit zu bringen).

Eine Rückschau auf das Frühchristentum lässt den Sonntag als eine spezifisch christliche Einrichtung erscheinen, der zunächst (bis Konstantin) als der erste Tag der Woche aber ein normaler Arbeitstag war, an dem der Gottesdienst morgens oder abends abgehalten wurde, schon bald jedoch (im »Barnabasbrief«) als »kleines Ostern« an Christi Auferstehung erinnerte und schon den frühen Kirchenvätern als Feiertag galt (Michael Durst). Sonntagsfeiern sind aber erst seit dem 2. Jahrhundert bezeugt, die Sonntagseucharistie (am ersten Tag der Schöpfung und der Auferstehung) bei Justinus Martyr, Zeremonien bei Origenes und Tertullian (nach dem Vorbild des letzten Abendmahls), Massenzeremonien erst im 5. Jahrhundert. Die Eucharistie mit Gebeten und Gesang wurde zum Kern der Sonntagsfeier (Harald Buchinger). In der altgallikanischen Kirche mag in der Liturgie eine Entwicklung von Predigtvorlagen zu einer Vielzahl von Messarten bei einer Ausdifferenzierung von Fest- und Sonntagen stattgefunden haben (Volker Henning Drecoll). Der abschließende Beitrag stellt die in das Handbuch Walahfrid Strabos aufgenommene Diskussion um die Sonntagsnamen vor Ostern zwischen Alkuin und Karl dem Großen in den Kontext von Zeit und Wissensvermittlung (Richard Corradini).

Ingesamt bietet der Band sehr viel Differenzierung und gründlich diskutierte Belege, er bringt aber nicht unbedingt auch völlige Klarheit in das Sonntagsproblem. Die jeweils an verschiedenen Regionen argumentierenden Beispiele zu unterschiedlichen Aspekten werfen ihrerseits die Frage nach deren Gesamtrepräsentativität auf, wenn schon liturgische Quellen ein disparates Bild widerspiegeln. Sehr deutlich wird demgegenüber jedoch, wie wenig gerechtfertigt unser »Handbuchwissen« über eine klare Entwicklung ist. Sonntagsfeiern, Sonntagsliturgien und Sonntagsarbeitsverbote sind in einer langen Entwicklung entstanden, auf die sämtliche durchweg spannenden Beiträge jeweils begrenztes Licht werfen. Mit dem mutigen Band ist das Thema noch längst nicht ausgeschöpft.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Hans-Werner Goetz, Rezension von/compte rendu de: Uta Heil (ed.), From Sun-Day to the Lord’s Day. The Cultural History of Sunday in Late Antiquity and the Early Middle Ages, Turnhout (Brepols) 2022, 500 p. (Cultural Encounters in Late Antiquity and the Middle Ages, 39), ISBN 978-2-503-59826-0, EUR 125,00., in: Francia-Recensio 2024/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.1.103063