Der Autor dieser in Cambridge unter der Ägide von Rosamond McKitterick entstandenen Dissertation bettet die längst bekannten Kontakte zwischen westlichen Christen und Muslimen in der Zeit Karls des Großen und darüber hinaus in eine breite Darstellung ihres rechts- und kulturgeschichtlichen Kontextes ein. Die besondere Stärke von Sam Ottewill-Soulsby liegt darin, dass er lateinische und arabische Quellen gleichermaßen zu lesen versteht und sich nicht auf die zahlreichen, aber eben doch nicht ausreichenden englischen Übersetzungen verlassen muss. Seine Abhandlung beruht zugleich auf einer imponierenden Kenntnis der internationalen Fachliteratur einschließlich der populären Rezeptionsgeschichte des Geschehens im 19./20. Jahrhundert. Seine Argumentation ist allenthalben klar und gut durchdacht, verlangt den Leserinnen und Lesern aber auch viel Geduld mit den liebevoll ausgebreiteten Sachverhalten ab.

Ottewill-Soulsby will die Kontakte zwischen Karl und seinen Verwandten mit den Muslimen in Spanien einerseits von denen mit dem Kalifat von Bagdad andererseits trennen. Das entspricht der bereits erreichten Übereinkunft der Forschung, dass nicht von einer diplomatischen Allianz die Rede sein könne, bei der sich Karl und Hārūn ar-Rašīd gegen ihre jeweiligen Gegner, die Omaijaden und den Kaiser von Byzanz, gewandt hätten. Im Verhältnis der Karolinger zu den Muslimen im Westen der Mittelmeerwelt müsse man von einer »frontier diplomacy« sprechen; hier rücken die Länder auf beiden Seiten der Pyrenäen in den Vordergrund. Akteure waren nicht nur die Könige und Emire, sondern auch die Grafen und lokalen Machthaber mit ihren wechselnden Bündnispartnern und Konkurrenten. Im Verhältnis zwischen dem Karolingerreich und dem Kalifat sei es dagegen um »prestige diplomacy« gegangen. Es sei darauf angekommen, die eigene und die andere Bevölkerung von der eigenen Größe und Macht zu überzeugen. Abgesehen vom Auftreten der Diplomaten selbst seien Geschenke dabei das wichtigste Instrument gewesen.

Die spektakulärste Gabe Hārūns war bekanntlich der Elefant, der Mitte Juli 802 in Aachen eintraf. Während aus der Überlieferung schon bekannt war, dass es sich um den einzigen Elefanten im Besitz des Kalifen handelte, weist der Autor nach, welche Mühe Hārūn aufwenden musste, um das Tier in Sind, einer Provinz im Aufruhr, zu besorgen. Dass Karls Prestige bei den Franken mit einem exotischen Geschenk dieser Art steigen konnte, ist selbstverständlich und auch gut belegt. Welchen Gewinn aber konnte Hārūn davon haben? Konnte er seine Untertanen damit beeindrucken, dass er auf diese Kostbarkeit zugunsten eines weit entfernten und wenig prominenten anderen Herrschers verzichtete? Das ist wenig plausibel. Um die Schwierigkeiten zu beheben, macht Ottewill-Soulsby geltend, der Kalif habe durch seine Gabe seine Gewissheit demonstrieren wollen, die Rebellion in Sind niederzuschlagen und dann Ersatz beschaffen zu können (S. 142).

Was der Ansatz bei der Prestigediplomatie bedeutet, zeigt sich besonders an der Frage des Jerusalembezugs von Karls Bagdadpolitik. Hatte die bisherige Forschung aus der chronologischen Verzahnung der verschiedenen Gesandtschaften gefolgert, dass der lateinische Herrscher bei Hārūn Erleichterungen für die Christen im Heiligen Land erreichen wollte, sieht Ottewill-Soulsby dafür keine ausreichenden Anzeichen. Der Kalif habe Jerusalem seinerzeit nicht erkennbar bedrängt, ja sich für Palästina gar nicht interessiert. Als beide Mächte miteinander in Kontakt getreten waren, um den Respekt des jeweils anderen zu erreichen, habe erst dies dem Patriarchen die Chance eröffnet, auf sich aufmerksam zu machen: »Carolingian contact with the Patriarch of Jerusalem should therefore be seen as an unexpected by-product of diplomacy with the Abbāsids, insofar as it provided Patriarch George with evidence that the king of the Franks was interested in the East« (S. 111). Ob man diese Deutung für überzeugend hält, hängt in erster Linie davon ab, welche Selbstauffassung als christlicher Herrscher man Karl dem Großen zuschreibt.

Allerdings konnte Ottewill-Soulsby sein abweichendes Urteil auch nur dadurch begründen, dass er ein Kronzeugnis für den Zusammenhang der Politik Karls merkwürdig schwach bewertet hat. Nach Einhards Darstellung hatte Karl Hārūns Werben um Freundschaft damit beantwortet, dass er seine Boten mit Gaben zuerst »zu dem heiligen Grabe unseres Herrn und Heilandes und zum Ort seiner Auferstehung« sandte, die dann auch zum Kalifen gelangt seien. Dieser habe den westlichen Gesandten bewilligt, um was er gebeten wurde, dazu aber auch »jene heilige und heilbringende Stätte seinem (Karls) Machtbereich zugewiesen« (cap. 16). Gewiss ist mit dem sacer ille et salutaris locus nicht das Heilige Land oder Jerusalem gemeint, wie frühere Forscher dachten, sondern, wie der Kontext zeigt, das Grab Christi selbst. Hier liegt also ein glänzendes Beispiel für »Prestigediplomatie« vor, bei dem zugleich die Interessen der drei beteiligten Parteien – Kalifat, Königtum und Patriarchat – gleichermaßen bedient wurden. Der Autor des vorgestellten Buches wich diesem Schluss dadurch aus, dass er Einhards Ausdruck für »vage« erklärte und nur davon sprechen wollte, der Kalif habe Karl erlauben wollen, die christlichen Einrichtungen in Jerusalem zu unterstützen.

Auch wenn Sam Ottewill-Soulsby mit seiner Abhandlung nicht bei jedem seiner Urteile überzeugt, hat er eine materialreiche Darstellung der christlich-muslimischen diplomatischen Beziehungen im Frühmittelalter geboten, die durch die Eindringlichkeit ihrer interkulturellen Recherchen überzeugt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Michael Borgolte, Rezension von/compte rendu de: Sam Ottewill-Soulsby, The Emperor and the Elephant. Christians and Muslims in the Age of Charlemagne, Princeton (Princeton University Press) 2023, 392 p., ISBN 978-0-691-22796-2, EUR 36,50., in: Francia-Recensio 2024/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.1.103073