Arbeitstagungen einer ganzen Subdisziplin eines Faches abzuhalten, ist an sich schon keine einfache Aufgabe; die Vorträge dann anschließend zu publizieren, eine noch schwierigere. Allzu leicht ergibt sich eine Zusammenstellung von Einzelbeiträgen, die wenig aufeinander Bezug nehmen. Immerhin, die Tagung der Arbeitsgemeinschaft »Frühe Neuzeit«, die 2019 in Rostock stattfand, hatte ein gemeinsames Thema, Konkurrenzen, das durchaus geeignet war, die unterschiedlichsten Ansätze zusammenzuführen. Der Band bietet ein entsprechend weitgespanntes Panorama: Konkurrenzen zwischen Dynastien oder zwischen Gelehrten, aber auch zwischen Handelskompagnien oder zwischen rivalisierenden Missionsunternehmungen werden ebenso thematisiert wie Tiere als Statussymbol oder der Zusammenhang zwischen Konkurrieren und Entscheiden. Vorangestellt ist dem Band nicht nur die geschickt formulierte Einleitung von Hillard von Thiessen, sondern der Text des Abendvortrages von Thomas Bauer, seines Zeichens Islamwissenschaftler in Münster. Bauer thematisiert die Konkurrenz zwischen muslimischen Gelehrten zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Ägypten. Sehr gut arbeitet er dabei ein kulturspezifisches Ideal von Gelehrsamkeit heraus, das sich zumindest im Laufe der Frühen Neuzeit (falls man diesen Begriff auf die muslimische Welt anwenden kann) zunehmend von dem Leitbild, das in Europa Geltung erlangte, unterschied. Der Universalgelehrte behielt im arabisch-muslimischen Raum weitgehend das Prestige, das er einst auch im Westen genossen hatte, wo sich hingegen vor allem nach 1600 stärker der Spezialist, sei es nun als Jurist, als Naturwissenschaftler oder als Theologe durchsetzte. En passant versucht Bauer dann auch noch manche, wie er meint, Vorurteile gegenüber dem klassischen Islam auszuräumen, etwa die Ansicht, Religion und Politik seien im Islam viel enger miteinander verknüpft gewesen als in Europa, und stellt ansonsten die wunderbare Ambiguitätstoleranz in der Auslegung religiöser und sittlicher Normen durch islamische Gelehrte in den Vordergrund. Diese deutlich apologetisch gefärbten Bemerkungen sind nicht immer überzeugend, wenn man sich z. B. überlegt, dass es im islamischen Bereich nie ein Gegenstück zum Römischen Recht, das ja mit dem Recht der Kirche und den Ordnungsvorstellungen der Theologen konkurrierte, gab, sodass das Verhältnis von weltlichem und religiösem Recht eben doch ein anderes war als etwa im Osmanischen Reich oder in früheren muslimischen Imperien. Und wenn Bauer behauptet, dass in der heutigen westlichen Gesellschaft dem Menschen nur noch die Rolle des »rücksichtslosen Konkurrenten« oder »ichfixierten Konsumenten« bleibe, und nichts anderes, dann ist das Kultur- und Kapitalismuskritik auf einem doch eher schlichten Niveau. Aber das mag dem Format des Abendvortrages geschuldet sein. Immerhin findet man durchaus auch Beiträge oder Kommentare, die versuchen, über das Konzept Konkurrenz an sich intensiver nachzudenken. Das gilt etwa für Julia Schmidt-Funkes Ausführungen zu »Konkurrenz – ein Analysebegriff für die Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit«. Zurecht weist sie darauf hin, dass Konkurrenz »als normatives Konzept Chancengleichheit und freien Wettbewerb« voraussetze, und gerade diese Voraussetzungen waren in der frühen Neuzeit meist so nicht gegeben, ja die ständische Ordnung sollte – dem Anspruch nach – durch klare Hierarchien Konkurrenz ja gerade vermeiden, wie an anderer Stelle auch Barbara Stollberg-Rilinger hervorgehoben habe (S. 525), auch wenn das oft nicht gelang. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die jedoch von den anderen Beiträgen eher nicht aufgegriffen wird. Für sich genommen sind die Einzelbeiträge dennoch oft ertragreich. Das gilt etwa für Christoph Kampmanns Diskussion der Politik Leopolds I. gegenüber dem immerwährenden Reichstag, den der Kaiser nach 1690 oft bewusst brüskierte, um zu demonstrieren, dass er von ihm nicht abhängig sei. Thomas Biskup hingegen setzt sich mit der höfischen Konkurrenz zwischen den Häusern Brandenburg und Österreich, respektive Hohenzollern und Habsburg auseinander. Er macht deutlich, dass weder der Soldatenkönig noch Friedrich II. versuchten, mit dem Wiener Hof direkt und auf gleicher Ebene zu konkurrieren. Das wäre auch aussichtslos gewesen, stattdessen versuchte man mit den Mitteln der Heiratspolitik eine dynastische Klientel im protestantischen Deutschland und generell im Norden des Reiches aufzubauen, indem man Herrscher wie die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel, die in der Vergangenheit sehr kaisernah gewesen waren, an sich band.

Was man in diesem Band vermisst, ist am Ende doch der Versuch, den Begriff der Konkurrenz stärker nutzbar zu machen, um Spezifika der frühneuzeitlichen Kultur und Gesellschaft herauszuarbeiten. Von Thiessen, einer der Herausgeber des Bandes, verweist ja in seiner Einleitung auf das Phänomen der Normenkonkurrenz, also die Spannung etwa zwischen konfessionellen und standesspezifischen sozialen Normen, seien es die der Gelehrtenrepublik oder des Adels. Das wäre ein interessanter Ansatz gewesen, von dem man in den meisten Beiträgen aber eher wenig findet. Eine Ausnahme stellen bis zu einem gewissen Grade die Beiträge zur »Sektion 9« der hier dokumentierten Tagung dar, in denen es um soziale Rollenkonflikte unter Medizinern, Diplomaten und gelehrten Kaufleuten im Skandinavien des 18. Jahrhunderts geht. Charlotta Wolff etwa setzt sich hier mit philosophischer Libertinage unter schwedischen Amtsträgern im 18. Jahrhundert auseinander und Sophie Holm mit Johann Albrecht von Korff als russischem Gesandten in Stockholm und Kopenhagen und seinen philosophischen Interessen. Aber dieser Abschnitt stellt in dem Band eher eine Ausnahme dar. Man kann natürlich, wie schon betont, von der Dokumentation solcher Tagungen einer ganze Subdisziplin keine Homogenität der methodischen Ansätze erwarten, aber nach der Lektüre des Bandes bleibt dennoch etwas der Eindruck, dass die deutsche Frühneuzeitforschung heute weniger an erkennbarem Profil aufweist als noch vor, sagen wir, rund 30 Jahren. Zumindest wäre es wohl heute schwieriger als damals, Außenstehenden, die nicht selbst Historiker und Frühneuzeitler sind, klarzumachen, welchen besonderen Beitrag die frühneuzeitliche Forschung zu unserem Geschichtsbild insgesamt oder gar zu unserer Orientierung in der Gegenwart zu leisten vermag. In einer Zeit, in der die Mittel für die Geisteswissenschaften mit Sicherheit knapper werden dürften, könnte sich dies noch als gefährliches Defizit erweisen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ronald G. Asch, Rezension von/compte rendu de: Franziska Neumann, Jorun Poettering, Hillard von Thiessen (Hg.), Konkurrenzen in der Frühen Neuzeit. Aufeinandertreffen – Übereinstimmung – Rivalität, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2023, 757 S., 12 Abb. (Frühneuzeit-Impulse, 5), ISBN 978-3-412-52697-9, EUR 99,00., in: Francia-Recensio 2024/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.1.103671