Nachdem der vorherige vierte Band der als hors-série der renommierten Cahiers de Fanjeaux erscheinenden Collection d’histoire religieuse du Languedoc au Moyen Âge sich mit »Saint Dominique en Languedoc«1 beschäftigt hatte, geht der hier zu rezensierende fünfte Band einen Schritt zurück in der Zeit. Unter dem Titel »Dominicus hispanus« untersucht die Verfasserin die spanischen Hintergründe des Ordensgründers Dominikus von Caleruega. Das Schweigen der Quellen über dessen Zeit vor der Gesandtschaftsreise in das Languedoc ist oft betont worden und im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Franziskus von Assisi ist seine Frühgeschichte kaum Gegenstand von Viten gewesen. Manchen mag es gar überraschen, Dominikus mit der Beschreibung hispanus zu sehen. Was Rucquois Band von anderen Forschungen zum Thema unterscheidet, ist der weite Blick auf die Kontexte, in denen Dominikus sich bewegte. In einzelnen Kapiteln entfernt sie sich damit erheblich vom eigentlichen Gegenstand, wenn sie beispielsweise die kirchenpolitische Situation der Bischofsstadt Osma beschreibt. Dadurch gelingt es indes, einige neue Gedanken und Erkenntnisse in Bezug auf die »spanischen« Ursprünge des Dominikus und damit auch des Dominikanerordens zu legen. Auf diese wird noch genauer einzugehen sein.

Zunächst fällt allerdings die Form des Buches ins Auge, das den vollständigen Text sowohl in französischer als auch in englischer Sprache bietet. Die englische Variante kann indes ihren Ursprung als Übersetzung nicht leugnen und wem es möglich ist, dem sei die Lektüre des französischen Textes empfohlen. Verwunderlich ist, dass auch einige offensichtliche Tippfehler wie die Jahreszahlenangabe »2003‑2006« (statt »1203‑1206«) in der Übersetzung erhalten geblieben sind. Durch die doppelte Darbietung umfasst der eigentliche Hauptteil des Bandes nicht mehr als 90 Druckseiten. Er unterteilt sich in sechs Hauptkapitel, die von einem Vorwort von Gilles Danroc OP sowie einer knappen Einleitung und Zusammenfassung eingerahmt werden. Abgeschlossen wird »Dominicus hispanus« von vier Anhängen, von denen einer die französische Übersetzung eines Professrituals kastilischer Augustinerchorherren bietet. Die beiden folgenden Anhänge können eher als Exkurse qualifiziert werden, die im Hauptteil keinen Platz gefunden haben. Zunächst ist dies eine Ausführung über die christliche Eroberung von Barbastro im 11. Jahrhundert, anhand derer verschiedene Formen des Umgangs mit Andersgläubigen illustriert werden sollen, die wiederum das Umfeld des Dominikus beeinflusst haben. Dieser letzte Aspekt gilt auch für den dritten Anhang, der ein Nachdenken über das Verhältnis von Macht und Wissen zur Zeit des Dominikus darstellt. Abgeschlossen wird der Band durch eine nützliche Chronologie, einige illustrierende Abbildungen sowie eine Bibliographie.

Im Folgenden sollen die einzelnen Hauptkapitel kurz vorgestellt werden. Das erste Kapitel »Dominique et ses biographes« ist ein schematischer Durchgang durch die Geschichte der das Leben des Heiligen und Ordensgründers behandelnden Autoren, beginnend bei Jordan von Sachsen, dessen Nachfolger in der Ordensleitung, bis zu Historikerinnen und Historikern des 20. Jahrhunderts. Die Texte werden auf Informationen zur »spanischen« Zeit des Dominikus vor 1206 untersucht. Die Zusammenstellung macht Entwicklungslinien einzelner in der Vergangenheit vielfach diskutierter Aspekte bezüglich seiner Herkunft deutlich. Dies gilt insbesondere für den angeblich adligen familiären Hintergrund als Dominikus de Guzmán. Diese Bezeichnung findet sich noch immer in Überblickswerken, ist aber erst im 15. Jahrhundert erstmals belegt und wird von Rucquoi nachvollziehbar in die adelszentrierte Geschichtsschreibung des Spätmittelalters eingeordnet. Das folgende Kapitel »De Caleruega à Palencia« sowie das vierte Kapitel »Palencia: un studium generale« nehmen die Bildungsgeschichte des Dominikus als Ausgangspunkt, um über die Ausformungen der Generalstudia in Kastilien und insbesondere in Palencia nachzudenken und einen Einfluss auf die Entwicklung des Dominikus herauszuarbeiten. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rhetorik und der Philosophie sowie der Tatsache, dass Dominikus in diesem intellektuellen Umfeld beständig von Texten arabischer Provenienz umgeben war. Die Kombination dieser Faktoren – so die Autorin – habe einen Einfluss auf seine spätere Überzeugung, Konversion durch Predigt und Argumente zu erreichen, gehabt. Dass er dies vor allem an den Häretikern im Languedoc und nicht an Muslimen seiner Heimatregion erprobte, sei letztlich mehr oder weniger ein biographischer Zufall gewesen. Zwischen diesen beiden Abschnitten findet sich ein Kapitel zu »Osma: un siège«, das jenen Ort in den Blick nimmt, an dem der Ordensgründer seine Karriere als Kleriker begann. In den 20 Jahren, die er dort verbrachte und größtenteils nach der Augustinusregel lebte, habe sich seine Neigung zu dieser Form des regulierten Zusammenlebens entwickelt, sodass die Regel später als Grundlage für die Dominikanerregel diente. Als Begleiter des Bischofs Diego von Osma reiste Dominikus schließlich auch erstmals in das Languedoc, wo der Predigerorden dann seinen Ursprung nahm. Diese Reise ist Gegenstand des folgenden Kapitels. Der letzte Abschnitt schließlich behandelt die erste Gründung des neuen Ordens, das Frauenkloster in Prouilhe, das Dominikus für zwölf konvertierte Frauen errichten ließ. Rucquoi dient diese Episode als Ausgangspunkt für eine Reflexion über das Frauenbild des Heiligen. Die von ihr postulierten relativ gesehen größeren Handlungsspielräume von Frauen in Kastilien hätten dafür gesorgt, dass er eine offenere Haltung gegenüber religiösen Frauen gehabt habe, die allerdings – auch das wird betont – keinerlei Zweideutigkeit beinhaltete. Im Gegenteil sei seine Keuschheit von den Biographen stets betont wurden.

Insgesamt hat die Autorin einen großen Aufwand betrieben und sich nicht nur die direkt von Dominikus handelnden Quellen angesehen – in diesen wäre auch wenig Neues zu erwarten gewesen –, sondern ein besonderes Augenmerk auf die Kontexte, in denen der Ordensgründer agierte, gelegt. Dies erforderte eine breite Aufarbeitung des Materials auf beiden Seiten der Pyrenäen, das zu einigen neuen Erkenntnissen geführt hat, wenngleich gelegentlich Hypothesen formuliert werden, die sich letztlich nicht belegen lassen. Ob es für diese Erkenntnisse ein ganzes Buch gebraucht hätte, steht auf einem anderen Blatt, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Verfasserin diese bereits 2018 in leicht zugänglicher Form auf 25 Druckseiten kondensiert veröffentlicht hat.2

1 Vgl. die Rezension in: Francia-Recensio 2022/3, DOI 10.11588/frrec.2022.3.90449.
2 Vgl. Adeline Rucquoi, Dominicus Hispanus, in: Francisco García-Serrano (Hg.), The Friars and their Influence in Medieval Spain, Amsterdam 2018, 19–44.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Robert Friedrich, Rezension von/compte rendu de: Adeline Rucquoi, Dominicus hispanus. Saint Dominique avant la fondation de l’ordre des Prêcheurs/Saint Dominic before the Foundation of the Order of Preachers, Fanjeaux (Centre d’études historiques) 2023, 280 p. (Collection d’histoire religieuse du Languedoc au Moyen Âge, 5), ISBN 978-2-9568972-4-8, EUR 26,00., in: Francia-Recensio 2024/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.2.104934