Der von Horst Buszello und Konrad Krimm herausgegebene Sammelband Zwischen Bauernkrieg und französischer Revolution. Untertanenkonflikte am Oberrhein widmet sich aus landesgeschichtlicher Perspektive epochenübergreifend dem oberrheinischen Raum. Er versteht sich, insbesondere im Hinblick auf Michaela Hohkamps forschungsgeschichtlichen Überblick, als überregionalen Anstoß für weitere Forschungen mikrohistorischen und lokalgeschichtlichen Zuschnitts (die im Hinblick auf das fünfhundertjährige Jubiläum des Bauernkrieges regionsübergreifend in Arbeit sind). Die behandelten Untertanenkonflikte umfassen in ausgewählten Fallstudien spätmittelalterliche Bauernaufstände, den Bauernkrieg 1525, aber auch jahrzehnteübergreifende Rechtsstreite zwischen Untertanen und ihrer Herrschaft sowie die Rolle von Einzelpersonen in solchen Auseinandersetzungen.
Der Sammelband geht auf eine Tagung auf Schloss Altdorf im Jahr 2018 zurück und wurde für den Band um vier Aufsätze ergänzt. Die sieben voneinander zeitlich und räumlich unabhängigen Fallstudien werden von drei Aufsätzen gerahmt, die sich mit dem Bauernkrieg von 1525, Untertanenkonflikten am und nach dem Ende des Alten Reiches sowie der Forschungslandschaft zu Untertanenkonflikten an sich beschäftigen. Zunächst ordnet Horst Buszello den Bauernkrieg in seinen historischen Kontext ein und zeichnet dessen Bewertung als Revolution nach. Florian Hitz untersucht, wie sich die Tradition der Herrschaftsverträge im Prättigau auf dem Rechtsweg gründete, über den die Untertanen ihre Konflikte mit der österreichischen Obrigkeit führten. J. Friedrich Battenberg rekonstruiert den Alltag der Rechtspraxis unter besonderer Berücksichtigung bäuerlicher Probleme bei Reichskammergerichtsprozessen und der Grenzen in der Kommunikationspraxis. Ralf Fetzer stellt fest, dass die Kommunalismusthese in der ersten Hälfte des 16. Jh. im Kraichgau greift. Er zeigt Punkte auf, an die weitere Forschung anknüpfen kann, um »das noch grob gezeichnete Bild zu konkretisieren, zu bestätigen oder zu entkräften«. Wie Untertanen gegen die eigene Obrigkeit instrumentalisiert werden konnten, analysiert Thomas Adam anhand kurpfälzischer Hegemonialpolitik im Kraichgau. Karl-Heinz Debacher zeigt am Fall des Orts Rust, wie sich Untertanen und Obrigkeit um einzelne Schuldigkeiten stritten, ohne dass dabei die Rechte der Herrschaft in Zweifel gezogen wurden. Abschließend untersuchen Stefan G. Holz und Thomas Gilgert exponierte Einzelpersonen aus Bürgerschaft und Beamtentum, die – im Gegensatz zum genossenschaftlichen Auftreten ganzer Dörfer – größtenteils alleine im Mittelpunkt von Konflikten mit ihrer jeweiligen Obrigkeit standen. Niels Grüne abstrahiert drei Unterscheidungsmerkmale, die ländliches Resistenzverhalten in der ersten Hälfte des 19. Jh. beeinflussten: Die Existenz von Repräsentativkörperschaften, die Nähe und Ferne der Legitimationshorizonte, in denen gedacht wurde, sowie programmatische Identifikationsangebote, in denen sich ländliche Bevölkerungen wiedererkennen konnten. Michaela Hohkamp skizziert schließlich am Ende des Bandes, wie sich die Forschung zum Bauernkrieg und zu Untertanenkonflikten entwickelt habe.
Fünfhundert Jahre Bauernkrieg. Die Forschung zum Jahr 1525 läuft auf Hochtouren, was sich in Tagungen, Sammelbänden und – nicht zuletzt – Dissertationen (z. B. an der Humboldt-Universität zu Berlin) ausdrückt. Der vorliegende Band kommt der eigentlichen Hochzeit 2025 zuvor, was sich mit seiner Zielsetzung in Übereinstimmung bringen lässt: Aufgrund der Vielseitigkeit und multiperspektivischen Ausrichtung des Bandes bietet er zahlreiche Anknüpfungspunkte in der landes- und mikrohistorischen Forschung. So schließt sich Battenberg mit seiner Untersuchung der Markgenossenschaft Babenhausen an die rechtsgeschichtliche Diskussion um das territorium clausum und die Prozessrechtsgeschichte an. Fetzer diskutiert »Ortsliteratur zu Untertanenkonflikten«, der er unterschiedliche Qualität attestiert, und eröffnet gleichzeitig Fragen für eine das Kraichgau in Gänze umfassende Forschung. Ergänzt werden diese Aufsätze um weitere Beiträge, die Kleinräume in ihrer Tiefe erschließen. Hohkamp betont die Chancen dieses Zugangs, der »zu allgemeinen Aussagen befähigt, das ›Große‹ im ›Kleinen‹ lokalisiert«, und damit die Landesgeschichte zielführend in die Geschichtswissenschaften einzubringen vermag. Buszello knüpft an die zahlreichen Deutungsversuche des Bauernkriegs an und stellt den aktuellen Stand der Forschung heraus, während Hohkamp die Frage, ob Untertanenkonflikte (im Kleinraum) nicht langsam ausgeforscht seien, emphatisch mit einem »Nein« beantworten kann.
Der Band zeichnet sich durch eine Vielzahl von Zugängen aus – vom rechtsgeschichtlichen Zugriff auf Verfahrensabläufe über biografische Untersuchungen bis zur sehr gelungenen Rahmung durch die Aufsätze Buszellos, Grünes und Hohkamps. Dass dabei zwischen den Aufsätzen teils ein gewisser Bruch im Lesefluss entsteht, der sich auch aufgrund der räumlichen und zeitlichen Sprünge zwingend ergeben muss, ist weder von der Hand zu weisen noch problematisch. Den gewichtigsten Beitrag des Sammelbandes, der insbesondere die universitäre Lehre ungemein bereichern kann, leistet Buszello gleich zu Beginn. Er systematisiert die Geschehnisse der Jahre 1524 bis 1526 vor dem Hintergrund spätmittelalterlicher bäuerlicher Unruhen, wobei er die Forschungsbegriffe »Unruhe«, »Revolte« und »Revolution« voneinander abgrenzt. Nah an den Quellen und klar strukturiert legt Buszello dar, weshalb der eigentliche Bauernkrieg im Jahr 1525 begann, weshalb er als Revolution eingeordnet wird und schlussendlich wie Obrigkeiten rechtlich mit einer Kriminalisierung des Widerstands antworteten. Adams und Fetzers Aufsätze bilden das inhaltliche Herzstück der Arbeit. Adam zeichnet in langen Linien nach, wie sich Untertanenkonflikte an missachtetem Gemeindebesitz entzünden konnten, wie sie geführt wurden (z. B. symbolische Rücknahme von Diensten) und wie eine bereits deteriorierte Beziehung zwischen Untertanen und der eigenen Obrigkeit gezielt von außen weiter untergraben werden konnte. Fetzer wird dem Anspruch des Sammelbandes, weitere Forschung anzustoßen, in besonderem Maße gerecht, indem er Forschungsdesiderate aus dem Kraichgauer Raum heraushebt; ebenso Grüne, dessen drei Unterscheidungsmerkmale einen vielversprechenden Ansatz bieten. Hohkamp lädt zum Abschluss zu einem Spaziergang durch die Forschungslandschaft zu Untertanenkonflikten ein, der sich durch weitreichende Einblicke in persönliche Kontakte und Motivationen der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnet. Der Sammelband ist ein multiperspektivischer Einblick in das breitgefächerte Themenfeld »Untertanenkonflikte am Oberrhein«, der offene Fragen und unbearbeitete Quellenkorpora sichtbar macht und dabei einen Ausblick auf mögliche Stoßrichtungen zukünftiger mikrohistorischer Forschung zum Verhältnis von Untertanen und Obrigkeit im oberrheinischen Raum und darüber hinaus gibt.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Vito Conego, Rezension von/compte rendu de: Horst Buszello, Konrad Krimm (Hg.), Zwischen Bauernkrieg und Französischer Revolution. Untertanenkonflikte am Oberrhein, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2022, 296 S., 33 Abb. (Oberrheinische Studien, 44), ISBN 978-3-7995-7844-8, EUR 34,00., in: Francia-Recensio 2024/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.2.105193