Die von Lana Martysheva vorgelegte Monografie präsentiert Ergebnisse einer 2018 in französisch-russischem Zusammenwirken an der Sorbonne Université abgeschlossenen Dissertation. Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es nicht um eine Biografie Heinrichs IV., des ersten Bourbonen auf dem französischen Thron. Es geht vielmehr um das im Untertitel, »le pari de l’Hérétique«, angekündigte Thema: die entscheidende Rolle einer Gruppe elf sehr unterschiedlicher hochrangiger französischer Kirchenvertreter, die sich am Ende der Religionskriege auf das Wagnis einließen, als Katholiken einen aus Sicht der Kirche häretischen protestantischen König zu unterstützen, um ihn als roi très chrétien zum Katholizismus zurückzuführen. Denis Crouzet thematisiert im Vorwort Zielsetzung und Methodik, die Analyse einer logique de l’imprévisible (Pierre Chaunu, 11). Der König werde hier zum acteur acté und zum Gegenstand einer Entmythisierung, Entindividualisierung und Entheroisierung: »… à travers la substitution au roi du groupe conçu comme promoteur et fabricateur de l’événement qu’est la paix. Henri IV résumé dans onze prélats qui se mettent en son service pour le mettre en action« (12).

Die Darstellung der Autorin gliedert sich in eine Einleitung, drei weitgehend an der Chronologie der Herrschaftsübernahme und Anerkennung des Königs orientierte Sektionen mit insgesamt sieben Kapiteln und eine abschließende Zusammenfassung, die programmatisch unter dem Motto der Entheroisierung steht (Déshéroïciser Henri IV). Hinzu kommen ein (sehr nützlicher) Anhang mit kurzen biografischen Notizen zu den elf ausgewählten Prälaten (307–314), eine Zeittafel, Verzeichnisse von Quellen und ausgewählter Literatur. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung ist relativ kurz. Er umfasst v. a. die Jahre 1589–1595, die Zeit von der Ermordung Heinrichs III. bis zur Erteilung der päpstlichen Absolution für Heinrich IV. Es geht also um den schwierigen Prozess der Legitimierung und Anerkennung des anfangs noch protestantischen Königs und die dazu erforderliche sakrale »Wiederaufladung« (recharge sacrale) der Monarchie am Ende des Bürgerkriegs durch die Gruppe der beteiligten Prälaten (27). Dabei wird deutlich: Trotz der angekündigten Entinvidualisierungsabsichten verschwindet das Individuum keineswegs völlig.

Die Autorin bezeichnet ihre Vorgehensweise als eine Art kollektiver Biografie, die eine Momentaufnahme liefere und sich nicht auf eine Summe von Einzelbiografien reduziere (25–26). Das entscheidende Auswahlkriterium für die elf berücksichtigten Prälaten war der frühe Zeitpunkt ihrer aktiven Parteinahme für Heinrich IV., die bereits vor seiner Konversion erfolgte. Dabei spielten mehrere Ereignisse eine Indikatorrolle: die durch Heinrich IV. am 21. September 1591 in Chartres einberufene Klerusversammlung, auf der mit einer Ausnahme (dem ebenfalls dort anwesenden Bischof von Angers) alle ausgewählten Prälaten ein Dokument zur Verurteilung der gegen ihn gerichteten päpstlichen Bullen unterzeichneten; die Beteiligung an Heinrichs Abschwören des protestantischen Glaubens in Saint-Denis (1593) (d. h. Erwähnung im offiziellen Protokoll des Ereignisses, Unterzeichnung eines an den Papst adressierten Schreibens nach Erteilung der Absolution, 29) und die Teilnahme an der Salbungs- und Krönungszeremonie in Chartres (27. Februar 1594). Anhand dieser Kriterien wurden folgende Personen ausgewählt: Claude d’Angennes de Rambouillet (1538–1601), jüngerer Bruder des Kardinals von Rambouillet, ursprünglich Bischof von Noyon, dann Erzbischof von Le Mans (1587), zeitweise selbst conseiller‑clerc am parlement von Paris; Renaud de Beaune (1527–1606), Enkel des berühmten Finanzfachmannes Jacques de Beaune, zunächst conseiller des parlement von Paris, Präsident der enquêtes und maître des requêtes), Bischof von Mende (1568), Erzbsichof von Bourges (1581), Erzbischof von Sens (1594, päpstl. Bestätigung erst 1602); Charles de Bourbon (1562–1594), Sohn des Calvinistenanführers Louis de Condé, Neffe des Kardinals Charles Ier de Bourbon des von der Liga proklamierten Königs Karl X.), Cousin Heinrichs IV., selbst als möglicher Thronkandidat gehandelt, Kardinal von Vendôme (1583), Nachfolger seines Onkels als Erzbischof von Rouen nach dessen Tod (1590); René de Daillon du Lude (1526–1600), zunächst Bischof von Luçon, dann von Bayeux (päpstl. Bestätigung erst 1598); Philippe du Bec (1520–1605) Bischof von Vannes, seit 1566 von Nantes, seit 1594 Erzbischof von Reims; Jacques Davy du Perron (1556–1618), Sohn eines calvinistischen Geistlichen, Konvertit und erfolgreicher »convertisseur«, Redner und Gesandter in königlichen Diensten, Erzbischof von Évreux (1591), Kardinal (1604), Erzbischof von Sens (1606); Henri d’Escoubeau de Sourdis (†1615), Bischof von Maillezais (1572); Nicolas Fumée (†1593), aus einer Juristenfamilie, Bischof von Beauvais (1575); Philippe de Lenoncourt (1527–1592) Bischof von Châlons-en-Champagne (1550), später Auxerre (Verzicht), Kardinal 1586; Charles Miron (1565–1628), Jurist, Dr. iuris utriusque, Bischof von Angers, (kgl. Ernennung zum Bf. 1587, Weihe 1591 in Tours), Erzbischof von Lyon (1627); Nicolas de Thou (1528–1598), aus einer Familie von am Pariser parlement tätigen Juristen (Bruder des Ersten Präsidenten dieses Gerichts), selbst zeitweise conseiller-clerc, Bischof von Chartres (seit 1573), dem Ort der Krönungsfeierlichkeiten von 1594.

Auch wegen der teilweise problematischen Quellenlage stehen einzelne Personen, die eine besonders aktive Rolle bei der Legitimierung und Konsolidierung der Herrschaft Heinrichs IV. spielten, stärker im Vordergrund, z. B. Charles de Bourbon als potenzieller Thronkandidat und möglicher Anführer des sog. tiers parti verdächtig; Nicolas de Thou; Jacques Davy du Perron (inzwischen Gegenstand einer weiteren Publikation).1 Das Eintreten der Prälaten für Heinrich war oft mit hohen persönlichen Risiken verbunden – zumal sie sich der Einlösung der königlichen Konversions-Versprechungen keineswegs sicher sein konnten. Wenn sich ihre Bischofsstädte auf die Seite der Liga stellten, mussten sie u. U. jahrelang ins Exil gehen. Selbst nach dem Ende der Konflikte warteten manche von ihnen sehr lange auf die päpstliche Bestätigung in ihrem Amt. Zeitweise gab es durchaus Planungen für die Krönung eines protestantischen Königs.

Insgesamt gesehen handelt es sich um eine sehr interessante und lesenswerte Studie, die aufschlussreiche Einblicke in die Welt des hohen Klerus der frühen Regierungszeit Heinrichs IV. und eine »offene« Situation der Krise und des Ausnahmezustandes gewährt. Die Gruppe der ausgewählten Prälaten war, wie die Autorin betont, sehr heterogen: Angehörige des hohen Adels und Verwandte von Fürsten und Kardinälen, regionaler Adel, Mitglieder der entstehenden noblesse de robe aus Familien mit generationenlanger Tradition im Königsdienst, vor allem den königlichen Gerichten, dem parlement von Paris (Bsp. de Thou) und/oder dem kgl. Rat; der Konvertit, glänzende Redner und geschickte Verhandlungsführer Davy du Perron, usw. Nach dem Ende der Konfliktphase gingen diese Personen rasch eigene, oft sehr unterschiedliche Wege. Ihr auf dem gemeinsamen Interesse an der Anerkennung Heinrichs beruhender Zusammenhalt als »Gruppe« löste sich rasch auf. Sie verfolgten individuellere Ziele – auch wenn das ggf. bedeutete, sich gegen Entscheidungen des Königs zu stellen. Es entsteht also ein sehr differenziertes Bild königlicher Unterstützer aus dem Klerus. Heinrich IV. selbst bleibt bei der sehr verdienstvollen Aufarbeitung dieses Umfeldes jedoch trotz allem etwas (zu) abwesend. Mediävistische Leser werden sich angesichts von Persönlichkeiten wie Nicolas de Thou an die Rolle des gespaltenen parlement und der hohen Amtsträger (und einiger Prälaten) aus der Zeit des königlichen Schismas zu Beginn der Regierungszeit des späteren Karls VII. und der anglo-burgundischen Institutionen erinnert fühlen, die ebenfalls eine stabilisierende Rolle in einer Krise des Königtums mit bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen spielten. Es würde sich lohnen, den epochenübergreifenden Vergleich zu vertiefen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gisela Naegle, Rezension von/compte rendu de: Lana Martysheva, Henri IV Roi. Le pari de l’Hérétique, Ceyzérieu (Champ Vallon) 2023, 344 p. (Époques), ISBN 979-10-267-1105-6, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2024/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.2.105206