2018 hat Hannah Andres die vorliegende, durch Professor Stefan C. Saar an der Universität Potsdam betreute Promotionsarbeit abgeschlossen und 2021 im Druck vorgelegt. In der materialreichen und oftmals detailverliebten Arbeit werden Aktenbestände aus zehn Archiven benutzt, um Leben und Wirken des Strafrechtsprofessors Karl Peters darzustellen. In vier große Abschnitte: Einleitung; Lebensbeschreibung; Wirken nach 1945 und zusammenfassende Betrachtungen zum Leben und Wirken gliedert die Autorin ihre Arbeit, die sie dann in zahlreiche Unterkapitel aufteilt. Deutlich wird dabei, dass die Jugend- und ersten Berufsjahre im Schatten des älteren Bruders, des Öffentlichrechtlers Hans Peters standen.

Bis zum Jahre 1932 erreichte Karl Peters wesentliche Stufen zu einer Juristenlaufbahn, als Assessor wurde er bei der Justiz angenommen und bald Staatsanwalt. An der 1919 gegründeten Universität zu Köln wurde er 1931 mit einem strafrechtlichen Thema habilitiert. Die wirtschaftliche Situation dieser Zeit ließ ihn, wie viele ähnlich alte Habilitanden in der Rechtswissenschaft, wegen unklarer Berufsaussichten eine Stellung in der Justiz anstreben. Bereits seine erste Lehrstuhlvertretung an der Universität Bonn, im Wintersemester 1936/37, erhielt er nur, weil Professor Hans von Hentig, der 1934 in Nachfolge des vertriebenen Professors Max Grünhut nach Bonn versetzt worden war, 1935 ebenfalls sein Amt verlor und in die USA emigrieren musste. Hellmuth von Weber, der für den Bonner Lehrstuhl vorgesehen war, wollte erst ab 1937 von Jena nach Bonn, so blieb es für Peters bei dem einen Semester der Lehrstuhlvertretung in Bonn. Die in Jena aufgerissene Lücke wurde wiederum mit Peters’ Lehrstuhlvertretung verdeckt.

So sehr sich die Verfasserin müht, die Zeitumstände zwischen 1930 und 1980 nachzuvollziehen, gelingt ihr das nicht immer. Eine SA-Mitgliedschaft stützte im Jahre 1933 den Terror dieser Gruppierung, ab Juni 1934 war eine derartige Mitgliedschaft für einen Karrieristen ohne Wert. Wenn die Autorin anlässlich der Bemühungen um den Lehrstuhl in Jena (1937/38) ein positives Gutachten der »Kölner Dozentenschaft« erwähnt, so handelte es sich dabei wohl um eine der Begutachtungen durch den Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund, der in Berufungsverfahren Interessen der NSDAP zu wahren hatte. Ein Lob des Kölner Dozentenbundvertreters Fritz Birkenkamp zu Peters ist sehr suspekt und rückt Peters recht nahe an die NSDAP heran. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die einzige durch Peters vor 1945 betreute Promotion, eine Arbeit Egon Rumbergs über die »Rassenschande«, die später mit dazu führte, dass ihr Verfasser wegen des Inhaltes 1972 in den Ruhestand versetzt wurde. Hierzu und zu Peters’ Erklärungsbemühungen hat die Verfasserin, soweit ersichtlich, nicht geforscht. 1942 wurde er an die Universität Greifswald berufen.

Angesichts der Entwicklung des Unrechts, die 1942 jedem denkenden Beobachter erkennbar war, verwundern die andauernden Bestrebungen, diesem Staat als Professor und Ausbilder des juristischen Nachwuchses dienen zu wollen. In ihrer Zwischenbilanz zu Peters’ Verhalten im Nationalsozialismus verneint die Autorin, dass »Peters sich charakter- und rückgratlos in blinder Obrigkeitstreue in den Dienst der NS-Weltanschauung [habe] stellen lassen«, sie gibt damit eine beschönigende Würdigung seines Verhaltens, das anders war als »Alltagsdissens«.

Mit seiner mehrmonatigen Tätigkeit beim Caritasverband in Freiburg vor dem Ruf nach Münster im Jahr 1946 fand Peters wieder Aufnahme in den Kreis der dezidiert katholischen Vertreter der Rechtswissenschaft. Wenn er auch in den Folgejahren mehrfach Männer unterstützte, die in Konflikten zur Amtskirche standen, war er doch ein wortgewaltiger Vertreter der Auffassungen der katholischen Kirche zu Problemen des Strafrechts. Mehrfach äußerte er sich zu ethischen Problemen der Todesstrafe, statt die Entscheidung des Grundgesetzes zur Abschaffung der Todesstrafe offensiv zu vertreten. Auch wenn er die Todesstrafe weder für notwendig noch für zweckmäßig hielt, so zeigte seine Art der Diskussionsführung dennoch, dass seiner Meinung nach über diese Strafe trotz der im Grundgesetz erfolgten Klärung noch zu diskutieren sei.

Seitdem die Justiz im Jahre 1945 frei wurde, nationalsozialistische Gewaltverbrechen abzuurteilen, war dies eines der wichtigsten Problemfelder des Strafrechts. Es wäre für Richter, Rechtsanwälte und Staatsanwälte wesentlich gewesen, wenn ihre Aufgaben sachkundig durch namhafte Vertreter der Rechtswissenschaft begleitet worden wären. Als einer der weniger belasteten Professoren hätte sich Peters Verdienste bei der Diskussion der sich stellenden Rechtsfragen erwerben können und für Akzeptanz dieser Verfahren im allgemeinen Bewusstsein werben können. Stattdessen haben erst Vertreter der nachfolgenden Professorengeneration wie Jürgen Baumann, Herbert Jäger und Claus Roxin viele der notwendigen Diskussionsbeiträge geleistet. In den 16 Jahren seiner Tätigkeit in Münster hat Peters zu diesem Thema geschwiegen, als Reden ersehnt wurde.

Dieses Schweigen überschattet auch seine Verdienste um die Erforschung der sogenannten Wiederaufnahmeverfahren: Einzelne Bundesländer vermieden bei NSG-Verfahren der späten 1940er- und frühen 1950er-Jahre auch nach langem Strafvollzug die Begnadigung; sie ließen den Verurteilten nur den »gerichtsförmigen Weg« der Wiederaufnahme, um die Strafzeit zu beenden, und nahmen in Kauf, dass die Legitimität der NSG-Verfahren im Erfolgsfall weiter untergraben würde. Diese besonderen Gründe des »Erfolgs« von Wiederaufnahmeverfahren überging Peters. In der Beschreibung von Peters’ Lebensbild zeigen die Passagen, in denen seine Tätigkeit als Rechtsvertreter für Privatpersonen beschrieben wird, diesen als Person, die sich weit vom hergebrachten Bild des Professors abhebt. In Münster war es sein Einsatz für den Publizisten Walter Hagemann und den Strafrechtsprofessor Arthur Wegner. Sie hatten Schwierigkeiten mit den Zeitströmungen, die sich zu Ende der 1950er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland zeigten. Sein Eintreten für die beiden Männer führte zu persönlichen Anfeindungen gegen Peters und förderte bei ihm den Wunsch, die Universität Münster 1962 zu verlassen. Nach seinem Wechsel an die Universität Tübingen stellte ihn ab 1964 die Vertretung von Zeugen Jehovas aufgrund ihrer erneuten Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrersatzdienstes vor ethische und strafrechtsdogmatische Grundfragen. Die einheitliche Literaturmeinung von Strafrechtlern und teilweise von Verfassungsrechtlern stand der Rechtsprechung gegenüber. Sein überzeugender Verweis auf die Gewissensentscheidung als Lebensentschluss führte dazu, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Sinne gegen die »Schablone der Dauerstraftat« (267) urteilte. Peters’ Stellungnahme zum Entwurf eines Strafgesetzbuches erfolgte aus einer christlich-konservativen Position, während der Alternativentwurf jüngerer Strafrechtsprofessoren, zu denen auch Peters’ Schüler Baumann gehörte, weitaus liberaler war. Diese Meinungsverschiedenheit prägte die Jahre bis zur Emeritierung 1972. Mit seinem erneuten Umzug nach Münster zeigte er, dass er doch lieber in Westfalen leben wollte.

Vor dem Druck hätte der Arbeit ein sorgfältiges Lektorat gutgetan, sodass die Vielzahl der Druckfehler (z. B. wohlwahrt, S. 21; Referenten, S. 135 Anm. 617; geboren zwischen 1900 und 1900, S. 199 Anm. 965; Strafauffälliger, S. 432) reduziert worden wäre. Der Arbeit fehlt leider ein Personenregister, bei seiner Fertigung wäre der Verfasserin sicher der Widerspruch in ihrer Aussage zu den beiden betreuten Habilitanden, Jürgen Baumann und Klaus Tiedemann, aufgefallen. Während Tiedemann an beiden Stellen, die Peters’ akademische Schüler nennen (221, 419), genannt ist, ist Baumann nur an einer Stelle als Habilitand genannt (419).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ulrich-Dieter Oppitz, Rezension von/compte rendu de: Hannah Andres, Karl Peters (1904–1998). Verantwortung und Anspruch eines Juristen, Berlin u. a. (Peter Lang Edition) 2021, 468 S. (Rechtshistorische Reihe, 496), ISBN 978-3-631-85384-9, EUR 81,00., in: Francia-Recensio 2024/2, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.2.105539