Als Ausgangspunkt des vorgelegten Sammelbandes diente die bekannte These von Ernst H. Kantorowicz, dass der mittelalterliche König sowohl einen physischen als auch einen transzendierten oder mystischen Körper habe, der die Unsterblichkeit der königlichen Autorität manifestiere. Es sei aber noch zu wenig danach gefragt worden, wie die Verbindung beider Dimensionen von den zeitgenössischen Beobachtern aufgefasst und verstanden werden konnte. Man müsse deshalb die verschiedenen Faktoren der königlichen Selbstdarstellung forschend einbeziehen, den Hof und die kirchlichen Zeremonien, in die der Herrscher eingebunden war, die königlichen Abzeichen und Kleidungsstücke, die bei diesen Gelegenheiten getragen wurden, die Preisreden, die ihnen gewidmet wurden, die Ordnung und den Schmuck der gewählten Räumlichkeiten usw. Für den Ansatz bei der Wechselwirkung zwischen dem königlichen Akteur und den anderen Beteiligten bot sich das Bild des Schauspiels an. Staging the Ruler’s Body sollte, so die Intention des Herausgebers Michele Bacci, die Trennung der Fächer, besonders zwischen Kunstgeschichte und Allgemeiner Geschichte, überwinden, und verschiedene kulturelle Überlieferungen vor Augen führen. Deshalb bietet der Band ein erfreulich facettenreiches Panorama, dem auch ein extensiver Begriff des Mittelalters zugrunde liegt. Anfangs- und Endpunkte bilden in diesem Sinne Studien zum Reich der persischen Sassaniden im 3. und zum christlichen Reich von Georgien in der Mitte des 17. Jahrhunderts; einbezogen sind noch das Königreich von Kleinarmenien, Äthiopien, das Reich der Mongolen, Byzanz, Sizilien, León und Aragón. Nicht alle Beiträge fügen sich zum gemeinsamen Vorhaben (so eine Studie über die Jungfrau Maria als Herrscherin des Stadtstaates von Siena von Kayoko Ichikawa und eine andere über leerstehende Throne von Sabine Sommerer). Gravierender ist ein Mangel, der auch sonst leider multikulturell angelegte Sammelwerke regelmäßig kennzeichnet: Es fehlt, entgegen dem Untertitel, jeder Versuch einer vergleichenden Würdigung der Einzelergebnisse.
Eine Studie, die den Intentionen des Bandes in beträchtlichem Umfang gerecht wird, stammt von Marta Serrano-Coll. Die Autorin behandelt König Peter IV. von Aragón (reg. 1336–1387), dessen Beiname »o Ceremonioso«, »der Feierliche«, schon darauf hinweist, wie sehr ihm an der zeremoniellen Überhöhung des Königtums und Selbstdarstellung seiner eigenen Person lag. Quellen sind die Ordinacions und andere Regeltexte für das höfische Zeremoniell sowie Chroniken, vor allem Peters eigenes »Buch, das alle die großen Taten enthält, die in Unserem Haus in Unserer Lebenszeit vollbracht wurden«. Peter, von bescheidener Statur und schwacher Konstitution, war als Außenseiter auf den Thron gelangt; er bekennt sich selbst dazu, dass er die Sichtbarkeit der Monarchie gesteigert habe, »obwohl Uns Gott keinen großen Leib verliehen hat«. Mit äußerster Akribie regelte er alles, was mit seiner Erscheinung und seinem Umfeld zusammenhing. Seinem Friseur waren bestimmte Instrumente vorgeschrieben, die Diener hatten an jedem Abend die Aufträge für seine anlassbezogen passenden Kleider und seinen Schmuck am nächsten Tag entgegenzunehmen. Gelegentlich hielt er stolz fest, dass »Wir wissen, dass das Volk ein großes Vergnügen« beim Anblick seiner prächtig ausgestatteten Person empfand. Allerdings musste er einräumen, nicht physisch in der Lage zu sein, seinen Baronen einen Weg zu Fuß voranzugehen, sondern auf das Pferd angewiesen zu sein. Wie sich selbst, so hat er auch die Räume, in denen er sich bewegte, akribisch gestaltet und seinem Hof und seinen Gästen entsprechende Rollen zugewiesen. So schrieb er einen termingerechten Wechsel seines Bettzeugs vor und ließ die Wände seiner Wohnräume mit illustrierten Wandbehängen ausstatten, die nach Bedarf auch verborgen werden konnten. Zelte und andere Unterkünfte auf den Reisen waren ebenso in ihrer Ausstattung für sich selbst und sein Gefolge differenziert vorgeschrieben. Bei der Förderung des religiösen Kults scheint es Peter auf äußere Vollzüge und nicht oder weniger auf die Darstellung innerer Bewegung angekommen zu sein.
Ein Pendant zu dem spanischen Monarchen war Robert von Anjou, der König von Sizilien (Neapel; reg. 1309–1343), wenn man der Interpretation von Mirka Vagnoni folgt. Robert ließ mindestens vier noch erhaltene Porträts von sich anfertigen, die ihn nicht idealisiert, sondern naturalistisch wiedergeben sollten. Markant war demnach die Erscheinung seines Gesichts selbst. Die Gemälde geben einen Mann mit straff gekämmten, hellbraunen Haaren wieder, die am Ansatz des Halses in einer kunstvoll aufgedrehten Locke enden; Robert erscheint rasiert mit einem dünnen, langgezogenen Antlitz, einem vorstehenden und spitzen Kinn und betonten Kiefer, dünnen Lippen, einer ausgeprägten Nase, eng beieinanderliegenden Augen, eingefallenen Wangen, die die Knochen hervortreten lassen, sowie mit einer hohen und breiten Stirn und tiefen Falten um Nase und Mund. Diese Physiognomie, wie sie sich etwa an dem Gemälde von Simone Martini von Roberts Krönung durch den heiligen Ludwig von Toulouse ablesen lässt (1317–1319), hat eine anatomische Untersuchung des Schädels von 1959 bestätigt. Robert trägt hier zwar keine Abzeichen seiner königlichen Würde wie Krone oder Szepter, ist aber durch sein kostbares farbiges und golddurchwirktes Gewand als König erkennbar. Bei seiner realistischen Selbstdarstellung ging es Robert nach der einleuchtenden Deutung von Mirka Vagnoni aber nicht um eine politische Strategie, sondern sie sollte ihn als demütigen und heilsbedürftigen Christenmenschen vergegenwärtigen.
Scheint Vagnonis Deutung also die Dichotomie der zwei Körper des Königs zu bestätigen, so hat Antony Eastmond in einem scharfsinnigen Essay genau diese Gegenüberstellung infrage gestellt. Wie Eastmond an byzantinischen Beispielen zeigen kann, ist der Herrscher immer Herrscher, sodass die Metaphorik des Theaters für seine Darstellung und Selbstdarstellung in die Irre führe. In der Vita Basilii wird etwa über den Kaiser Michael III. (reg. 842–867) erzählt, er habe mit engen persönlichen Freunden einmal durch den Gebrauch bischöflicher Gewänder die Liturgie parodiert und die Kaisersmutter mit ihren skatologischen und frevelhaften Handlungen lächerlich gemacht. Die Geschichte diente zwar dazu, das öffentliche Bild der Herrschaft zu unterlaufen, aber es könne argumentiert werden, dass es sich bei dem Verhalten jenseits der Normen von Leben und königlichem Ritual ebenso um die Zurschaustellung des königlichen Leibes handelte wie dies sonst durch das Tragen der Krone oder den Vollzug der Zeremonien geschehe: »Wer sonst könnte es wagen, die kaiserliche Mutter ungestraft zu verspotten? Die Fähigkeit zum Spott ohne Recht auf Erwiderung war ebenso ein königliches Attribut wie Krone oder Szepter. Meiner Meinung nach handelt es sich jedes Mal ebenso um die Aufführung des königlichen Körpers« (151). Eastmond konnte seine Analyse noch anders zuspitzen. Das byzantinische Ritual war demnach keine Schicht, die sich auf den natürlichen Körper legte, um ihn als königlich hervortreten zu lassen, sondern es war darauf berechnet, das Künstliche zurückzudrängen, um die Wahrheit zu offenbaren und die Realität zu präsentieren. »Es diente dazu, die inneren, übernatürlichen Qualitäten des Herrschers zu zeigen, die sonst in der Unzulänglichkeit des menschlichen Körpers verborgen waren. Es diente dazu, die Transformation des persönlichen in einen politischen Leib zu entbergen, indem es die inneren Werte zur Anschauung brachte« (152).
Im Spannungsfeld der drei skizzierten Abhandlungen lassen sich die meisten anderen Beiträge verorten, die hier nur noch erwähnt werden können: Matthew P. Canepa behandelt Zeugnisse aus Iran vor der muslimischen Eroberung, Natia Natsvlishvili weibliche Architekturpatronage in Georgien, Gohar Grigoryan Repräsentationen des »Rechtgeleiteten Herrschers« aus dem kilikischen Armenien, Jacopo Gnisci Wand- und Buchmalereien aus Äthiopien, Maria Parani die Repräsentation kaiserlicher byzantinischer Ideologie durch Kleidung, Manuela Studer-Karlen Herrscherdarstellungen auf serbischen Kirchenwänden, Eleonora Tioli die Porträts mongolischer Herrscher in östlicher und westlicher Überlieferung im Vergleich, Aleksandra Rutkowska die monarchischen Grablegen der Basilika von San Isidoro in León und Sofía Fernández Pozzo die Selbstdarstellung Jakobs des Eroberers von Aragón in seinem Llibre dels Fets.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Michael Borgolte, Rezension von/compte rendu de: Michele Bacci, Gohar Grigoryan, Manuela Studer-Karlen (ed.), Staging the Ruler’s Body in Medieval Cultures. A Comparative Perspective, London (Harvey Miller) 2023, 351 p., 1 b/w, 83 col. fig, 1 b/w. tab, 1 b/w map (Studies in Medieval and Early Renaissance Art History), ISBN 978-1-915487-08-7, DOI 10.1484/M.HMSAH-EB.5.134720, EUR 75,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106280