In der Entwicklung des abendländischen Mönchtums gibt es zwei Reformperioden, in die die Frauenklöster und -stifte besonders involviert waren. Von den Reformen der ersten Periode, die sich vom 11.–13. Jahrhundert erstreckt, waren die benediktinischen und die stiftisch verfassten Frauengemeinschaften betroffen. In dieser Phase entstanden die Zisterzienserklöster als Alternative zu den Benediktinerinnen, die Prämonstratenserdoppelklöster, Augustinerchorfrauenstifte und – in England – die Gilbertinerinnen als Alternative zu den Stiften. Die zweite Reformzeit des 14. bis 16. Jahrhunderts ist geprägt vom Observanten-Streit in den Mendikantenorden. In dieser Phase wurden jedoch nicht nur die Klöster, sondern die katholische Kirche als Ganzes fundamental in Frage gestellt. Unter den älteren Orden, den Benediktinern und den Augustinerchorherren entstanden spontan neue Reformverbünde (Franks Johnson, Kap. 8). Der Band gliedert sich in elf Kapitel, beginnend mit der Einleitung der Herausgeberinnen zum Thema Frauen in Zeiten der Reform von 1000–1500 (Kap. 1) und zehn weiteren Beiträgen (Kap. 2–11) in internationaler Besetzung. Ein Personen-, Orts- und Sachindex beschließt den Band.

Das Anliegen der Herausgeberinnen ist es, die gängige Lesart der zyklisch auftretenden Reformen als Fortschrittsnarrativ aus der Sicht der männlichen Reformer (Patrone, Bischöfe, Äbte, Päpste) in Frage zu stellen. Sie wollen diese Meistererzählung mit der Wahrnehmung der betroffenen Frauen konfrontieren und die geistlichen Frauen als aktive Gestalterinnen dieser Prozesse sichtbar machen (S. 3: »two key questions animating current research into women and monastic reform: the reconceptualisation of reform as a contingent and negotiated process determined by local circumstances; and interpretations of women religious as active participants in reform processes, who responded to expectations from their local social, economic and political contexts to remain socially relevant«). Es gehe darum, die Reform nicht länger als Oktroi von oben zu verstehen, sondern als einen Vorgang, der von unten, von den Frauen selbst angestoßen, mitgestaltet und gewünscht worden sei. Die Entscheidung, ob sie die Reform annehmen, zurückweisen oder an ihre Bedürfnisse anpassen, habe in der Hand der Frauen gelegen. Die Handlungsmacht der Frauen sei in Kooperation mit Klerikern und Bischöfen sowie mit männlichen Orden zu prüfen.

Die Herausgeberinnen gehen davon aus, dass es keine Blaupause für diese Reformprozesse gab. Die Reform sei keine einstimmige und einheitliche oder gar standardisierte Angelegenheit gewesen. Vielmehr gelte es, die regionalen und lokalen Unterschiede herauszuarbeiten, die beteiligten sozialen Gruppen und Akteure und ihre Interessen und Medien jeweils individuell zu benennen. In diesen Reformprozessen hätten sich – so Hotchin/Thibaut – in den Frauenkonventen »fluide Identitäten« gebildet. Ausgehend von diesem Konzeptbegriff, den sie von Alison Beach und Isabelle Cochelin übernehmen (11), interpretieren sie »Reform« als Aushandlungsprozess, der jeweils im konkreten sozialen Kontext jeder einzelnen Gemeinschaft, deren historischer Tradition und Identität interpretiert werden müsse (12). Verfolgt werden solle ein komparatistischer Ansatz, der Kontinuitäten, Differenzen und Parallelen zwischen den einzelnen Konventen aufzeige (12).

Folglich hatten die Herausgeberinnen die Beitragenden aufgefordert, Einzelstudien (case studies) vorzulegen. Die Beiträge leisten dies zwar nicht für alle, aber für weite Teile Europas: vertreten sind das Reich (Hotchin/Henkelmann, Kap. 5; Mersch, Kap. 10), Lothringen (Blennemann, Kap. 2), England (Bugyis, Kap. 3), Irland (Collins, Kap. 4), Norditalien (Vanelli, Kap. 6; Johnson, Kap. 8), die südlichen Niederlande (Glasenapp, Kap. 11) und mit Kastilien (Pérez Vidal, Kap. 7) eine Region, die bislang kaum untersucht worden ist. Im Vergleich zeigt sich, dass die Reformen des Hochmittelalters in England und Irland erst mit zeitlicher Verzögerung ankamen.

In den Beiträgen scheint das breite Spektrum der textlichen, materiellen und visuellen Überlieferung auf. Die Untersuchungen beschränken sich keineswegs nur auf die in der traditionellen Forschung üblichen Schriftquellen – Urkunden, Chroniken, Regeln und Ordines –, sondern beziehen auch Hagiographie (Blennemann, Kap. 2), Rechnungsbücher (Vanelli, Kap. 6), liturgische Bücher (Pérez Vidal, Kap. 7), Musikhandschriften (Glasenapp, Kap. 11), Gebetbücher (Bugyis, Kap. 3), Textilien (Hotchin/Henkelmann, Kap. 5; Mersch, Kap. 10) und Architektur (Edwards, Kap. 9) mit ein.

Fast alle Beiträge rekonstruieren die sozialen Netzwerke im Reformprozess innerhalb und außerhalb der religiösen Gemeinschaften, sie benennen die Akteure und die Interessen der Beteiligten. Ökonomische Zwänge werden nur vereinzelt angesprochen (Vanelli, Kap. 6). Kunst und Medien als Reformprodukte heben besonders Mersch (Kap. 10) und Hotchin/Henkelmann (Kap. 5) hervor.

Alle Beiträge sind auf dem neuesten Stand der Forschung. Die meisten gehen auf Dissertationen oder gerade erschienene Monographien der Autorinnen und Autoren zurück. Manche Beitragenden referieren die Forschung sehr breit, können aber über die bisherigen Erkenntnisse hinaus keine neuen Lösungen für die Problemstellungen des Sammelbandes anbieten. Das wird sich im einen oder anderen Fall auch nicht ändern lassen, da die Quellenlage begrenzt ist und auch bleiben wird.

Die einleitenden Partien der Beiträge sind redundant, da jeweils von neuem versucht wird, den Hintergrund der monastischen Reformen zu erklären. Der Erkenntnisgewinn für die Leserinnen und Leser wäre größer, hätten sich die Autorinnen und Autoren stärker auf die Spezifika ihrer Fallbeispiele konzentriert, um sie am Ende – und das fehlt vielfach – intensiver in die von den Herausgeberinnen vorgegebenen Leitlinien einzuordnen. Zwar haben wir nun eine Reihe von Studien vorliegen, die uns die Diversität des Reformgeschehens in den Frauenkonventen verdeutlicht, ob es aber gemeinsame strukturelle Bedingungen für den Verlauf und die Akzeptanz oder Zurückweisung der Reform durch die Frauen gibt, bleibt nach wie vor eine offene Frage.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Hedwig Röckelein, Rezension von/compte rendu de: Julie Hotchin, Jirki Thibaut (ed.), Women and Monastic Reform in the Medieval West, c. 1000–1500. Debating Identities, Creating Communities, Woodbridge (The Boydell Press) 2023, 276 p. (Studies in the History of Medieval Religion, 54), ISBN 978-1-83765-049-1, GBP 60,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106295