Das vorliegende Quellenbuch zum Byzantinischen Recht basiert auf jahrelangen Seminarübungen der beiden Autorinnen an der Universität Groningen, die bis heute die bedeutendste Lehr- und Forschungsstätte weltweit für das Recht im römischen Osten bis zum Untergang 1453 und darüber hinaus darstellt.
Der Band behandelt in chronologischer Abfolge die Hauptetappen der Gesetzgebung: I. Vorjustinianische Zeit (4.–5. Jh., 1–21), II. Das Zeitalter Justinians (6. Jh., 22–83), III. Von Justinian bis zum Ende des Bilderstreites (Mitte 6. Jh. bis Mitte 9. Jh., 84‑115), IV. Die Mazedonische Renaissance (Mitte 9. Jh.–Mitte 11. Jh., 116–151), V. Vom 11. Jh. bis zum Ende des Reiches (152‑190). Ein letztes VI. Kapitel beschäftigt sich zusammenfassend mit dem kanonischen Recht (191–216). Jedem Kapitel ist eine Auswahlbibliographie zu Primärquellen und wichtiger Sekundärliteratur beigegeben. Karten (sämtlich neu angefertigt), Farbillustrationen zu Rechtsvorgängen aus Handschriften und Schemata zu den Zusammenhängen der Quellensammlungen (Gesetzbücher) untereinander und miteinander, ausnahmslos in höchster drucktechnischer Qualität, ergänzen den Band.
Jedes der sechs Kapitel enthält eine ausführliche erläuternde Einführung zu den in der Folge gebotenen ausgewählten Texten (s. u.). Wer allein diese Überblicke liest, erfährt bereits eine erste grundlegende Orientierung in die Gesetzgebung und die daraus resultierende Rechtsprechung von Justinian bis 1453, wie sie auf einem älteren Forschungsstand und in komplexerer Form bisher nur von Peter Pieler im Rahmen des 1978 entstandenen Handbuchs Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner (Bd. 2, 341–480) vorliegt.
Hauptzweck der Darstellung ist es allerdings, den Benutzer mit einer Auswahl aus verschiedenen Originaltexten (lateinisch oder, überwiegend, griechisch) anhand einer englischen Übersetzung vertraut zu machen und ihn gewissermaßen an den Seminarübungen teilnehmen zu lassen. Byzantinisches Recht ist, schon von den sprachlichen Voraussetzungen her, schwerer zugänglich als römisches. Die Basistexte sind zudem nur in Spezialbibliotheken vorhanden. Die Verfasser leisten daher hier Pionierarbeit (nicht nur in didaktischer Hinsicht), indem sie Ausschnitte aus einer tausendjährigen Rechtspraxis im wahrsten Sinn des Wortes sichtbar und dank einer luziden Übersetzung verständlich machen.
Die Darstellung ist aber kein Lesebuch zum byzantinischen Recht, sofern dies überhaupt beabsichtigt war. Dafür ist der Umfang der ausgewählten Texte vielfach zu gering, etwa hinsichtlich der Peira des Eustathios Rhomaios oder der Rechtsbücher der Makedonischen Epoche. Vielleicht ist dagegen der Raum, welcher der Zeit Justinians gewidmet ist (60 Seiten), insgesamt zu umfangreich bemessen.
Diese Bedenken verbinden sich auch mit der Frage, für welchen Benutzerkreis das Buch bestimmt ist. Zum alleinigen Eigenstudium ist es schwerlich geeignet. Es erreicht vielleicht ohne vermittelnde Führung durch den Dozenten doch nicht ganz sein Ziel, das byzantinische Recht in seiner Entstehung sichtbar zu machen.
Die Vertrautheit mit der Entwicklung des Rechts und seiner römischen Grundlagen, ganz anders als bei den Staaten des mittelalterlichen Westens, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen zum Verständnis des oströmischen Reiches als führendem Staat der östlichen Mittelmeerwelt, des Balkans und weiter Teile Kleinasiens, seiner eigenen Kontinuität und des Einflusses auf die Nachbarn. Rechtliche Normen aus Konstantinopel fanden Eingang in die Staaten des Balkans und Osteuropas, besonders im Falle Russlands und der christlichen Staaten des Kaukasus, sowohl im Staatsrecht, aber auch (vielleicht noch weitreichender) im kanonischen Recht. Das Recht der Staaten des der Kirche in Rom unterstehenden Westens hat in Vielem einen ganz anderen Ausgangspunkt und hat dadurch auch eine andere Entwicklung genommen, die in diesen Ländern besser bekannt ist. Gerade daher ist es wichtig, die Entwicklung im römischen Reich des Ostens von den Quellengrundlagen her zu erfassen, die in diesem Buch klar und deutlich zugänglich gemacht werden, sodass die Lektüre gerade auch dem Leserkreis der Francia empfohlen werden soll.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Peter Schreiner, Rezension von/compte rendu de: Daphne Penna, Roos Meijering, A Sourcebook on Byzantine Law. Illustrating Byzantine Law Through the Sources, Leiden (Brill Academic Publishers) 2022, 222 p. (Medieval Law and Its Practice, 34), ISBN 978-90-04-51470-6, EUR 112,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106303