Das hier zu besprechende Buch, das sich auch sonst durch gute Abbildungen auszeichnet, beginnt mit einer sehr schönen Abbildung des Epitaphs Papst Hadrians I (772–795). Es folgt (XXII–XXIII) die Wiedergabe des lateinischen Texts mit einer sehr genauen englischen Übersetzung.

Die Fragestellung des Bandes ist sehr breit. So soll geprüft werden, ob es überzeugende Beweise für die Herstellung des Epitaphs für Papst Hadrian I. im frühen Mittelalter, genauer, bald nach 795 gibt, oder ob es sich um eine Replik des 15. Jahrhunderts handelt. Dazu werden die Ausführung des Denkmals, die Abfassung der Inschrift und die Herkunft des Steins untersucht. Zudem fragt Joanna Story danach, welche Rolle der Stein und seine Inschrift in der Beziehung zwischen den Karolingern und dem Papsttum spielten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage nach dem Aufstellungsort: Wo befand sich das Grabdenkmal für Hadrian I. in Alt-Sankt-Peter? Und warum wurde ausgerechnet dieses Denkmal nicht wie so viele andere Denkmäler im Spätmittelalter oder beim Neubau von St. Peter zerstört? Um es gleich vorwegzunehmen: Die Antwort zur zeitlichen Einordnung bringt überzeugende Argumente für eine Entstehung des Epitaphiums Hadrians bald nach seinem Tod 795. Dabei bettet die Autorin die Analyse des Grabdenkmals in eine umfassende Darstellung der Beschäftigung mit epigraphischen Texten, des Interesses an Schrift und der Entwicklung der Handschriften in der Zeit Karls des Großen ein.

Das erste Kapitel bringt einen kurzen Überblick zu Italien, Rom und den Karolingern seit dem Anfang des 8. Jahrhunderts. Leider wird hier die einschlägige Arbeit von Wolfram Brandes zum fränkisch-byzantinischen Verhältnis nicht berücksichtigt, die wesentliche Erkenntnisse für das komplexe Dreiecksgefüge zwischen Karolingern, Papsttum und Byzanz bietet.1

Danach macht das Buch zeitlich einen großen Sprung. 1619 wurde das Epitaph Hadrians in der Portikus des Neubaus von St. Peter angebracht, wo es sich auch heute noch befindet. Nach Joanna Story wurde es so zu einer epigraphischen Spolie, die im Sinne des Architekten Maderno die institutionelle Stabilität des Papsttums zeigen sollte. Ursprünglich aber war das Epitaph im südlichen Querschiff zwischen der confessio des heiligen Petrus am Hochaltar und dem oratorium der heiligen Petronilla, der angeblichen Tochter des Petrus, aufgestellt, und damit zwischen den Plätzen, an denen die Reliquien der Familie des heiligen Petrus aufbewahrt wurden. Das Grabmal Hadrians stand also an einem durchaus bedeutenden Platz. Joanna Story legt überzeugend dar, dass Karl der Große und die mit ihm verbundenen Päpste Hadrian I. und Leo III. nie aus der historischen Erinnerung verschwanden und von den Päpsten des 16. Jahrhunderts und ihrem Umfeld bei verschiedenen Gelegenheiten als historische Vorbilder inszeniert wurden. So erhielt der päpstliche Speiseraum zwischen 1514 und 1517 Bilder Raphaels, die unter anderem den Reinigungseid Leos III. und die Kaiserkrönung Karls des Großen zeigten. Auf Hadrian und Karl als Bekehrer der Sachsen berief sich Hadrian VI. (1522–1523)2 als Vorbild für ihn und Karl V. im Kampf gegen Luther.

Joanna Story behandelt die Baugeschichte von St. Peter im 16. Jahrhundert ausführlich. In dieser Zeit wurde das Epitaph Hadrians immer wieder abgeschrieben. Es muss deshalb während des Neubaus weiterhin sichtbar und zugänglich gewesen sein. Gregor XIII. ließ das Epitaph 1574 vor den Türen der Basilika aufstellen, um es für das Heilige Jahr 1575 zugänglich zu machen, weil er erwartete, dass die Pilger das Epitaph lesen und seine Bedeutung verstehen würden. Es war in Verbindung mit weiteren frühen päpstlichen Inschriften als Ausdruck der Bedeutung Roms und als Argument der Gegenreformation gedacht (74). Das Epitaph wurde als ein Beweis für die Ergebenheit der früheren Könige, auch Karls des Großen, gegenüber dem Papsttum gelesen. Dies erklärt, warum das Epitaph Hadrians keine Gefahr lief, vernichtet zu werden.

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit Leben, Tod und Begräbnis Papst Hadrians, sowie dem Aufbau, der Sprache und den Aussagen des Epitaphs Hadrians. Das von Theodulf für Hadrian verfasste Epitaph sieht Joanna Story nicht als Konkurrenz, sondern als Antwort auf das Gedicht Alcuins, doch lässt sich weder für die eine noch die andere Sichtweise ein eindeutiger Beweis erbringen (100–101). In diesem Zusammenhang geht Joanna Story auch auf die abschriftliche Überlieferung von epigraphischen Texten ein, welche die Franken bei ihren Besuchen in Rom kennenlernen konnten. Es folgt eine ausführliche paläographische Analyse, die auch in die Entwicklung der päpstlichen Epigraphik eingeordnet wird. Hier ist es etwas überraschend, dass das grundlegende Werk von Walter Koch nicht zitiert wird.3 Stattdessen wird zum Brief Papst Gregors des Großen von 604, der in Marmor ausgeführt wurde und sich heute im Lapidarium von San Paolo fuori le mura befindet, die Fehleinschätzung von Stanley Morison übernommen, dessen Ansatz sowohl die Textsorte als auch den Inhalt sowie das Layout der Inschrift ignoriert.4

In einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Handschriftenproduktion zeigt Joanna Story, dass Dekoration und Schriftbild des Epitaphiums Hadrians I. Vorbilder in den zeitgenössischen Handschriften haben. Die Idee ist allerdings nicht ganz neu.5 Hinsichtlich des verwendeten Steins geht Joanna Story davon aus, dass der schwarze Stein in Aachen verfügbar war, lässt aber die Frage offen, ob möglicherweise eine antike Spolie für die Herstellung genutzt wurde.

Insgesamt macht die Autorin überzeugend deutlich, dass das Epitaph Hadrians am Ende des 8. Jahrhunderts entstand und keine Kopie des 15. Jh. ist. Sie bettet das Epitaph sehr gut in das zunehmende Interesse an epigraphischen Texten im fränkischen Reich unter Karl dem Großen ein. Bei der epigraphischen Analyse hätte noch erwähnt werden können, dass bei den karolingischen Inschriften der mittlere Balken des »E« stets genauso lang ist wie der obere und der untere Balken. Die Inschriften der Renaissance-Kapitalis weisen dagegen immer einen verkürzten Mittelbalken auf. Das gilt auch für die Fälle, in denen versucht wurde, ältere Schriften nachzuahmen.

1 Wolfram Brandes, Das Schweigen des Liber pontificalis. Die »Enteignung« der päpstlichen Patrimonien Siziliens und Unteritaliens in den 50er Jahren des 8. Jahrhunderts, in: Fontes Minores 12 (2014), 97–203.
2 Zum Epitaph Hadrians VI. in Santa Maria dell’Anima wäre grundlegend noch heranzuziehen gewesen: Eberhard J. Nikitsch, Das Heilige Römische Reich an der Piazza Navona. Santa Maria dell’Anima in Rom im Spiegel ihrer Inschriften aus Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Regensburg 2014, 199–215.
3 Walter Koch, Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der früheren Neuzeit. Früh- und Hochmittelalter. Mit CD-ROM, Wien, München 2007.
4 Stanley Morison, Politics and Script. Aspects of Authority and Freedom in the Development of Graeco-Latin Script from the Sixth Century B.C. to the Twentieth Century A.D., Oxford 1972, 104.
5 Sebastian Scholz, Karl der Große und das Epitaphium Hadriani. Ein Beitrag zum Gebetsgedenken der Karolinger, in: Rainer Berndt (Hg.), Das Frankfurter Konzil von 794. Kristallisationspunkt karolingischer Kultur, Mainz 1997, 373–394.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sebastian Scholz, Rezension von/compte rendu de: Joanna Story, Charlemagne and Rome. Alcuin and the Epitaph of Pope Hadrian I, Oxford (Oxford University Press) 2023, 432 p. (Medieval History and Archaeology), ISBN 978-0-19-920634-6, EUR 116,44., in: Francia-Recensio 2024/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106308