Ohne die Antike lässt sich Europa nicht erklären, lieferte diese Epoche doch den Entwurf für einen Transformationsprozess von ungeahnter Kontinuität und Wirkmächtigkeit. Schließlich kam es in der Renaissance entscheidend darauf an, ein Antikebild zu konstruieren, das als Grundvoraussetzung für das Wissen über sich selbst dienen konnte. Diese Wechselwirkung besaß eine solche Innovationskraft, dass stets nach neuen Objekten Ausschau gehalten wurde, um sich der Antike zu nähern. Für diese aneignende Transformation erwiesen sich Münzen als eine unerschöpfliche Quelle. Deshalb ist es keineswegs verwunderlich, dass die Numismatik geradezu zur Leitdisziplin der sich etablierenden Altertumswissenschaften avancierte. Dabei faszinierte zum einen das Sammeln der Stücke, zum anderen deren Bilder. Die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Antiquare galt den antiken Kaisermünzen mit ihren eindrucksvollen Porträtdarstellungen. Es wurden Münzsammlungen angelegt und neue Textsorten kreiert: Sammlungsinventare, Münztraktate und Kaiserhistoriografien. Als Numismatiker traten unter anderem Andrea Fulvio, Johannes Huttichius, Onofrio Panvinio, Antonio Agustín und nicht zuletzt Jacopo Strada in Erscheinung.

Jacopo Strada wurde in Mantua geboren. Sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt, man vermutet zwischen 1505 und 1515. Auch sein familiärer Hintergrund liegt im Dunkeln; Heenes verweist auf eine adlige Abkunft, für Peter Berghaus (vgl. seinen biografischen Abriss in: Geldgeschichtliche Nachrichten, 28 [1993], Heft 157, 214–220, hier 215) stammte seine Familie möglicherweise aus den Niederlanden (De Straet). In seiner Heimatstadt erlernte der junge Strada das Goldschmiedehandwerk, wobei ihm für die Anfertigung von Entwürfen sein zeichnerisches Talent sehr entgegen kam. Schon früh betrieb er einen florierenden Handel mit jedweder Art von Kunstgegenständen, seien es nun antike Artefakte, Gemälde oder Zeichnungen. So kam er mit bedeutenden Sammlern in Kontakt, man denke nur an Johann Jakob Fugger (1516–1576). Ab 1546 wirkte er vorübergehend als Goldschmied und Maler in Nürnberg. Anfang der 1550er-Jahre hielt er sich für einige Zeit in Frankreich auf, später kehrte er als Antikenkenner und Kunstagent nach Italien zurück. Dann zog es ihn an den kaiserlichen Hof nach Wien, wo er 1558 als Antiquar bestallt wurde. Strada starb am 6. September 1588 in Prag. Noch heute kennt man das eindrucksvolle Gemälde von Tizian (Tiziano Vecellio, 1476/1477–1576), das den »Tausendsassa«, sprich den Höfling, Gelehrten, Maler, Architekten, Goldschmied, Schriftsteller, Kunstsammler, Münzkenner (so Martin Mulsow, Fremdprägung. Münzwissen in Zeiten der Globalisierung [2023], 116), mit antiken Objekten – darunter selbstredend Münzen – abbildet.

An seinen unterschiedlichen Lebensstationen war Strada immer wieder numismatisch tätig, wovon seine verschiedenen Werke zeugen. So konnte der Leser des Zedlerschen Lexikons erfahren: »Strada […] machte überaus nette Abzeichnungen von alten Griechischen und Römischen Müntzen, davon in der Kayserl Bibliothek zu Wien 10 Bände übrig sind« (Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, 40 [1744], Sp. 479). Diese Bände (heute zum Teil auch in Prag) stellen Kommentare dar, die er zu den fast 9000 Zeichnungen von Münzen der Römischen Republik und des Kaiserreiches angefertigt hatte. Auftraggeber für dieses Mammutprojekt von immerhin 30 Bänden war der schon erwähnte Johann Jakob Fugger. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges gelangte das illustrierte Münzcorpus (Magnum ac Novum Opus) größtenteils nach Gotha (jetzt in der dortigen Forschungsbibliothek), vier Bände finden sich in der British Library in London, zwei in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Daneben existieren noch elf Bände mit komplementären Münzbeschreibungen, die als separates Werk von Strada in Wien und Prag überliefert sind: A . A . A NumismatΩn Antiquorum ΔΙΑΣΚΕΥΕ. Die hier vorzustellende Publikation führt die einzelnen Teile ideell zusammen oder kurz und knapp: sie bietet eine erste Gesamtsicht auf Jacopo Stradas Magnum ac Novum Opus.

Entstanden ist der Band im Zuge eines am Gothaer Forschungszentrum der Universität Erfurt von 2015 bis 2022 angesiedelten DFG-Projekts, das sich das Ziel gesetzt hatte, alle von Strada gezeichneten und beschriebenen Münzen in die Datenbanken des Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance- (Humboldt-Universität Berlin) und des Translatio nummorum-Projektes (Kunsthistorisches Institut, Florenz) zuerst einzugeben und anschließend zu analysieren. Der Band gliedert sich in drei große Teile: 1. der Entstehungsprozess des Corpus (Jansen), 2. Stradas numismatische Herangehensweise (Heenes) und 3. der Katalog (Jansen, Heenes und weitere Autoren). Letzterer bietet über 30 Fallbeispiele, in denen Stradas Münzzeichnungen mit realen Stücken kombiniert werden oder Bilder aus anderen Medien eine entsprechende Kontextualisierung erfahren. Dazu gehören auch Transformationen, die bis in das beginnende 19. Jahrhundert reichen. Ein sehr prägnantes Beispiel: der von Strada gezeichnete Janustempel in Rom auf Münzen der Kaiser Augustus und Nero. Sowohl auf einer Medaille von König Ludwig XIV. von Frankreich (1714) als auch auf Medaillen von Napoleon I. (1805/1809) findet sich eine solche Darstellung.

Im Jahr 2006 erhielt Volker Heenes von der Gothaer Forschungsbibliothek die Auskunft, dass die wissenschaftliche Bearbeitung des 30-bändigen Münzcorpus leider noch ausstehe. Dieses Forschungsdesiderat besteht nun nicht mehr. Der Band bietet die Möglichkeit, sich auf exzellente Weise mit dem numismatischen Werk von Jacopo Strada vertraut zu machen. Doch dabei bleibt es nicht, denn es eröffnet sich die Welt der Renaissance mit ihren vielfältigen Aneignungsprozessen der antiken Zivilisationsgeschichte und Kultur. In aller Deutlichkeit zeigt sich wieder, dass Münzen eben nicht nur für Numismatiker und Numismatikerinnen von Interesse sind beziehungsweise – gleichsam als methodische Herausforderung – sein sollten. Gerade die Verknüpfung von numismatischen und kunsthistorischen Forschungsansätzen unter vergleichenden Gesichtspunkten schafft neues Wissen. Eine Anmerkung des Rezensenten sei gestattet: Der biografische Hintergrund des Protagonisten wird nur relativ knapp geschildert; hier wäre eine Zeitleiste durchaus sinnvoll gewesen. Zum Schluss sollte der Hinweis nicht fehlen: Die Bildqualität des Bandes lässt keine Wünsche offen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Torsten Fried, Rezension von/compte rendu de: Volker Heenes, Dirk Jacob Jansen (Hg.), Jacopo Strada’s Magnum ac Novum Opus. A Sixteenth-Century Corpus of Ancient Numismatics, Petersberg (Michael Imhof Verlag) 2022, 392 S., 392 farb., 59 s/w Abbildungen (Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike, 16) ISBN 978-3-7319-0995-8, EUR 69,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106520