Maximilian Lanzinner, den das Erscheinen des Bandes aus Anlass seines 75. Geburtstages ehrte, hat mit seinen Arbeiten zur bayerischen Landes- und frühneuzeitlichen Reichsgeschichte eine bedeutende Wirksamkeit entfalten können. Als weiteres Arbeitsfeld kam dann in späteren Jahren noch die Forschung zur Friedensstiftung in der Frühen Neuzeit hinzu. 1977 für eine Arbeit zu den bayerischen Zentralbehörden im 16. Jahrhundert an der Universität Regensburg promoviert, hat Lanzinner aus der Bearbeitung der Akten des frühneuzeitlichen Reichstages (Reichstag von Speyer 1570) den Stoff für seine Habilitationsschrift geschöpft, die sich der Problematik von Friedenssicherung und politischer Einheit des Heiligen Römischen Reiches unter Kaiser Maximilian II. in den 1560er- und 1570er-Jahren widmete. Auf die sehr umfangreiche archivalische Überlieferung gestützt, konnte er die Verfahrensweisen einer pragmatischen und an konkreter Problemlösung orientierten Politik der Reichsinstitutionen analysieren und damit die Fähigkeit dieser politischen Organe zur Konsensbildung und zur Integration durch Kompromisse hervorheben. Ab 1991 Inhaber einer Professur für Frühe Neuzeit und Landesgeschichte Bayerns in Passau, wechselte Lanzinner im Jahr 2001 auf einen Lehrstuhl in Bonn, der mit der Leitung des Editionsunternehmens der Acta Pacis Westphalicae (APW) verbunden war, das sich die Herausgabe der wichtigsten Akten und Urkunden des den Dreißigjährigen Krieg beendenden Friedenskongresses in Münster und Osnabrück (1643–1649) zum Ziel setzt. In dieser Funktion hat sich Maximilian Lanzinner insbesondere ab 2010 für die Digitalisierung der edierten Dokumente engagiert. Folgerichtig trat in den Jahren der Bonner Tätigkeit, bis 2014, in der Arbeit Lanzinners auch die historische Friedensforschung in den Vordergrund.

Der Band folgt den wechselnden Schwerpunktsetzungen des Historikers, indem er Texte zur bayerischen Landesgeschichte, zur Entwicklung frühneuzeitlicher Reichsinstitutionen und zur Friedenssicherung präsentiert, die aus den Jahren 1985 bis 2014 stammen, aber weiterhin geschichtswissenschaftliche Aktualität beanspruchen können. Am Anfang stehen Aufsätze, die sich mit dem Hochstift Passau als Reichsfürstentum, dem Münchner Renaissancehof und der Stellung Bayerns in Europa für das 16. und 17. Jahrhundert befassen, speziell im Verhältnis zu den Flügelmächten Moskau und Spanien. Oft stehen hier Archivdokumente am Beginn der Ausführungen, so etwa das Gutachten eines bayerischen Kaufmannes namens Georg Liebenauer, der beim bayerischen Herzog Albrecht V. (Regierungszeit 1550–1579) für eine Annäherung an den Moskauer Zarenhof plädierte. Problemorientierte Studien gelten ferner der Goldenen Bulle als zentralem Verfassungsdokument des Heiligen Römischen Reiches und dem Gemeinen Pfennig als direkter Reichssteuer, die zwischen 1495 und 1544 die finanzpolitische Praxis bestimmte, dann aber der mit reichsständischer Autonomie eher kompatiblen indirekten Matrikelsteuer weichen musste. Auf welche Weise und von wem wurden diese Entscheidungen getroffen? Das Forschungsinteresse Lanzinners blieb stets auch auf die Akteure gerichtet, die an den Schaltstellen des Reiches im 16./17. Jahrhundert gemeinsame Maßnahmen trafen. Es galt daher, das Gesandtenpersonal des Reichstages zu untersuchen, seine Prägungen durch das juristische Studium und die Formen der Professionalisierung in fürstlichen Kanzleien und an den Reichsversammlungen in den Blick zu nehmen. Ein weiterer Ansatz, um das Funktionieren des keinesfalls so »monströsen« Reichskörpers im 16. Jahrhundert kennenzulernen, war die Konzentration auf institutionelle Schlüsselfiguren, wie den Kurfürsten von Mainz als Erzkanzler und sein politisches Agieren auf dem Reichstag. Neben dem starren Regelwerk der Politik werden dabei immer wieder auch Individuen in der Geschichte greifbar, wie der in einem Aufsatz eigens behandelte Dr. David Lauck (Lucanus), ein Rat des hessischen Landgrafen in Marburg, der über seine Aktivitäten auf dem Augsburger Reichstag 1582 minutiöse Rechenschaft gab, auch im Sinne einer Alltagsgeschichte des langen Wartens in der Fuggerstadt auf die Eröffnung der Versammlung, die erst mit erheblicher Verspätung beginnen konnte. Diese Geheimen Räte, vom Schlage eines Dr. Lauck aus Marburg, sind seit den 1980er-Jahren von Historikern sehr zu Recht als kollektive Baumeister frühmoderner Staatlichkeit betrachtet worden. Auch hier hat Maximilian Lanzinner einen wesentlichen Beitrag zur besseren Erfassung dieses Personenkreises an den Hebeln der Macht leisten können, mit einem Fokus auf den Süden des Reichsgebietes (Thüringen eingeschlossen), der sich bereits aus der stärkeren Integration dieser Gebiete in die Strukturen der Reichsverfassung ergab. Neben diesen erheblich weiterführenden und weiterhin maßgeblichen Studien stehen die erwähnten Überlegungen des Historikers zur Friedensstiftung, zu den Landfriedensbünden des 16. Jahrhunderts und dem Heiligen Römischen Reich als Sicherheitssystem, die mit dem erwähnten Interesse an einer historischen Friedensforschung zusammenhängen. Mit einem Text zum APW-Editionsprogramm aus dem Jahr 2014 schließt der Band, der einen umfassenden Überblick über ein großes Forschungspensum erlaubt, das heute einen Schlüssel zum besseren Verständnis frühmoderner politischer Systeme bereithält, die uns mit ihrer Ausrichtung am Ideal der Friedenswahrung, bei aller ihnen innewohnenden Komplexität, in den Schriften Lanzinners recht plastisch vor Augen gestellt werden. Abgerundet wird dieser Band der kundig ausgewählten und durchaus aktuellen Abhandlungen zur frühneuzeitlichen Geschichte durch eine gut orientierende Einleitung und ein Publikationsverzeichnis des Jubilars.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Thomas Nicklas, Rezension von/compte rendu de: Maximilian Lanzinner, Michael Rohrschneider, Arno Strohmeyer (Hg.), Bayern – Heiliges Römisches Reich – Friedensstiftung. Ausgewählte Abhandlungen zur frühneuzeitlichen Geschichte, Münster (Aschendorff) 2023, 441 S. (Schriftenreihe zur Neueren Geschichte, 42 [Neue Folge 5]), ISBN 978-3-402-14776-4, EUR 69,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106522