Dass Napoleon mithilfe vor allem von Jospeh Fouché eine systematische Überwachung und Lenkung von Presse und Printmedien betrieben hat, ist im Allgemeinen oft dargestellt worden. Weit weniger bekannt ist dagegen, wie dieses System konzipiert wurde und im Inneren funktionierte. Dies herauszuarbeiten, gelingt Maximilien Novak, Dozent für Französische Literatur am Dartmouth College in Hanover/NH, in beachtlichem Maße. Abgesehen von der Auswertung gedruckter Quellen hat er besonders aus den Archives nationales (police générale), dem Archiv des französischen Außenministeriums sowie aus Handschriften der Bibliothèque nationale und der Bibliothèque historique de la ville de Paris zahlreiche und aufschlussreiche Zeugnisse dieses Innenlebens zusammengetragen, wie 20 Abbildungen exemplarisch belegen.

Grundlegende Bedeutung hat ein Rapport vom 10. Juni 1802, in dem Pierre-Louis Roederer dem Ersten Konsul die Einrichtung eines thermomètre de l’opinion publique vorschlug. Mit dieser medizinischen Metapher diagnostizierte der Staatsrat einerseits die »Erkrankung« der öffentlichen Meinung durch die noch vom Revolutionsfieber überhitzte Presse, und umschrieb andererseits die erforderliche »Therapie«: die formation et direction de l’esprit public durch eine staatliche Administration mit einem Corps besoldeter Funktionäre, das aus Journalisten und gens de lettres isolés zu rekrutieren sei (60; 69; 157). Die dementsprechende Meinungspolitik des Konsulats und des Empire stützte sich – so Novak – auf vier Hauptpfeiler.

Erstens auf die Kontrolle und Lenkung der Anfang 1800 stark reduzierten Pariser Zeitungen durch ein bureau d’esprit public unter Leitung von Roederer, welcher zuvor mit Fiévée Bonapartes politisches bureau de presse geleitet hatte. Für ihre täglichen Berichte erhielten die angestellten Zensoren genaue Instruktionen. Ähnlich verfuhr das Polizeiministerium mit seinem bureau de l’esprit public, indem es 1805 die wichtigsten Zeitungen in seine finanzielle Abhängigkeit brachte und jeder einen Zensor zuordnete. Beide Pressebüros sollten auf Anweisung von Bonaparte missliebige Zeitungsartikel nicht einfach verbieten, sondern auf eine mäßigende censure intérieure hinwirken (145). Wie heikel dies bei einer auflagenstarken Zeitung war, erwies sich am Beispiel des Journal des débats, dessen Zensor vom Erzroyalisten Fiévée zum Dramatiker Charles Étienne wechselte, bis das Journal 1811 verstaatlicht wurde – mit Napoleon als Hauptaktionär.

Zur Meinungskontrolle entwickelte sich zweitens eine regelrechte Bürokratie beginnend mit dem Verwaltungsumbau der Jahre 1799 bis 1803. Während der Polizeiminister den ihm unterstellten Präfekten in den Departements ausgewählte lieutenants de police beiordnete und darüber hinaus bereits 1802 dreihundert Spione beschäftigte, überzog Außenminister Talleyrand die europäischen Höfe mit einem Netz von Informanten und Geheimagenten, unter denen sein Vertrauter Amable de Baudus eine führende Rolle spielte. Daneben unterhielt Bonaparte mit Hilfe von Postminister Delaforest sein eigenes Informationssystem und schuf die Ämter des préfet de police de Paris (Louis-Nicolas Dubois) und des secrétaire général du ministère de la Police (Pierre-Louis Saulnier), um Fouché zu überwachen. In welchen hierarchischen Abläufen all diese mit besoldetem Personal besetzten Institutionen am laufenden Band Momentaufnahmen über den Zustand des esprit public produzierten, ist etwa im Bereich des Polizeiministeriums zu beobachten, wo Fouchés Vertrauter Pierre-Jean Desmaret für die Departements zuständig war. Als sein »Angestellter« hatte Jean-Marie François, ehemals Anwalt und royalistischer Spion, die Aufgabe, die eingehenden Berichte der Präfekten und die Informationen der Spitzel zu täglichen bulletins zu kompilieren, von 1799 bis 1814 über 5000 Stück.

Im Bestreben, die öffentliche Meinung nicht nur zu überwachen, sondern auch zu formen, entwickelte das Empire zum Dritten eine eigene Presse und Historiografie, nach genauen Anweisungen verfasst von erprobten Kompilatoren und Schriftstellern der zweiten Reihe. Zu diesen mercenaires de l’opinion – so Novak (192‑203) – gehörten der ehemalige Jakobiner Bertrand Barère als Redakteur des Mémorial anti-britannique (1803–1807) ebenso wie der zurückgekehrte Emigrant Baudus, der im Auftrag Fouchés den Spectateur du Nord herausgab (1797–1803) und zugleich unter dem Pseudonym Petrus für Talleyrand arbeitete. Dienten Journale und anonyme Pamphlete der aktuellen Propaganda, so waren historiografische Aufträge und das Amt des historiographe de France darauf angelegt, das Empire der (Zeit-)Geschichte als stabile Errungenschaft einzuschreiben. So bezog das Précis d’histoire de France von Antoine Caillot (1812) den Code Napoléon auf den Codex Justinianus und rühmte zugleich den »siegreichen« Russlandfeldzug, während die Eléments de l’histoire de France von Charles de Lacretelle (1810) das Empire als konsequente Überwindung des verderblichen Konflikts zwischen Monarchie und Revolution darstellten.

Nicht weniger ehrgeizig war viertens das Bemühen, in den Institutionen von Wissenschaft und Kultur eine meinungsprägende intellektuelle Elite des Empire heranzuziehen. Dazu wurden einerseits Sektoren, die Bonaparte zu liberal und eigenständig schienen, neutralisiert: das Institut durch den Ausschluss der idéologues und die Auflösung der Académie des sciences morales et politiques, die Académie française durch die Einschleusung »zuverlässiger« Kandidaten wie Lacretelle, die Écoles centrales durch die Umwandlung zu politisch konformen lycées. Andererseits wurden neue Institutionen geschaffen und mit linientreuem Personal ausgestattet, allen voran die Université impériale (1806) unter Leitung von Louis de Fontanes, der die Lehrstühle nur nach kaiserlicher Genehmigung besetzen konnte. Dass so die gewünschte opinion modérée erzeugt wurde, darf allerdings bezweifelt werden, wie das Beispiel der bespitzelten Salons zeigt, in denen das unverbindliche Gabelfrühstück die lebhafte Konversation ersetzte.

Soweit lediglich die Grundlinien von Novaks ebenso weit ausgreifenden wie detailreichen Quellenstudien, eingebettet in die ältere Forschungsliteratur, deren Autoren ausdrücklich zu Wort kommen. Insgesamt verdanken wir Maximilien Novak ein Standardwerk zur napoleonischen Meinungspolitik.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rolf Reichardt, Rezension von/compte rendu de: Maximilien Novak, Napoléon et l’Empire des Lettres. L’opinion publique sous le Consulat et le Premier Empire (1799–1814), Paris (Presses universitaires de France) 2023, 400 p., ISBN 978-2-13-084759-5, EUR 32,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106530