Der hier zu besprechende Band versammelt die Beiträge einer Sektion auf der 13th International Conference on Urban History der European Association of Urban History in Helsinki im Sommer 2016. Die Beiträge widmen sich der Frage nach Transformationsprozessen in der Struktur vormoderner Städte anhand verschiedener Fallstudien, die sowohl unterschiedliche geografische Räume als auch verschiedene Zeiträume abdecken. Ausgangspunkt ist die von Bruno Blondé und Ilja Van Damme in The Oxford Handbook of Cities in World History vertretene These: »If the early modern period was a period of crucial transition in urban Europe, it certainly did not show in the outlook of its cities«.1 Ein zentrales Charakteristikum vormoderner Städte sei demnach deren konstante räumliche Struktur gewesen, die sich nach der Gründung bis zur Industrialisierung nicht wesentlich verändert habe. Mit Blick auf die Makroebene wollen der Herausgeber und die Herausgeberin des Sammelbandes, Jaap Evert Abrahamse und Heidi Deneweth, dieser Beobachtung in ihrer Einleitung nicht widersprechen. Sie fordern aber zu einem Perspektivwechsel auf, durch den die Meso- und Mikroebene in den Blick gerät. Auf diese Weise ließen sich manchmal radikale, öfter noch graduelle Transformationen im vormodernen Stadtraum aufgrund ökonomischen, funktionalen und sozialen Wandels während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit beobachten (14), denen die verschiedenen Beiträge nachspüren. Dabei sind diese jeweils drei thematischen Feldern zugeordnet, die zu Veränderungen im Stadtraum führen: nämlich erstens geopolitischen Erwägungen und dem omnipräsenten Risiko von Stadtbränden, zweitens der Religion als Motor von städtischer Veränderung sowie drittens dem Einfluss von ökonomischen und demografischem Wandel auf die bestehende Hausbebauung. Angesichts des begrenzten Raumes können hier leider nicht alle Beiträge eingehend betrachtet werden.
Liisa Seppänen untersucht in ihrem Beitrag die räumlichen Transformationen der finnischen Stadt Turku in der longue durée vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Sie arbeitet heraus, dass geopolitische, ideologische und umweltspezifische Faktoren wesentlich zu den Transformationen im Stadtraum beigetragen haben (41). Insbesondere die strategische Lage Turkus zwischen West und Ost, zwischen Schweden und Russland, wirkte sich auf den Ausbau der Stadt unter schwedischer Herrschaft und ihren Niedergang unter russischer Herrschaft aus. Zentraler aber noch für eine weitreichende Transformation des Stadtraumes waren die verschiedenen Stadtbrände, die die Stadt heimsuchten. Dabei betont Seppänen den ambivalenten Charakter dieser Brände, die einerseits zerstörten, andererseits aber die Möglichkeit zur Umsetzung neuer architektonischer und städtebaulicher Ideen eröffneten (43). Die Problematik von Stadtbränden, der Umsetzung präventiver Maßnahmen und deren Niederschlag in räumlichen Arrangements werden im Beitrag von Janna Coomans noch einmal explizit aufgegriffen. Sie plädiert für die Anwendung der Akteurs-Netzwerk-Theorie, um das Zusammenspiel von Interessen und Motiven, menschlichen ebenso wie materiellen Akteuren mit dem Raum zu untersuchen. Seppänen und Coomans kommen beide zu dem Schluss, dass die Veränderung der Bauweise durch Verwendung feuerfester Materialien ein komplexer und langwieriger Prozess war.
Anna Anisimova und Colin Arnaud widmen sich in ihren Beiträgen zur zweiten Sektion der Frage nach den räumlichen Implikationen der Reformation am Beispiel englischer »monastic towns« bzw. in komparatistischer Perspektive an den Beispielen Bologna und Straßburg. Beide setzen mit ihrer Untersuchung bereits im 13. Jahrhundert an, um nach Kontinuitäten und Brüchen zu fragen. Anna Anisimova konnte feststellen, dass bereits im Spätmittelalter vier wesentliche Trends zur Umgestaltung des städtischen Raumes einsetzten, die auch im 16. Jahrhundert fortwirkten: »the filling-in of the market-place and adjoining streets; the appearance of new public buildings, parish churches, and almshouses; the rebuilding of private houses; and the proliferation of inns« (97). Dem gegenüber habe die Auflösung der Klöster zwar zu einem Wandel in der städtischen Administration und Wirtschaft geführt, nicht aber zu radikalen Veränderung im Stadtbild. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Colin Arnaud mit Blick auf Bologna und Straßburg, die zwar eine unterschiedliche sowie ungleichzeitige Entwicklung durchliefen (vertikale versus horizontale Zentralität), deren räumliche Transformation aber jeweils ebenso durch eine deutliche Kontinuität seit dem Spätmittelalter geprägt war – im Fall Bolognas die Verdrängung privaten Wohnraumes aus dem Innenstadtbereich zugunsten exklusiver städtischer Prestigebauten, während in Straßburg der zentrale Marktdistrikt ein Versammlungsort für die gesamte Bevölkerung blieb.
Den Abschluss bilden drei Beiträge zum Einfluss ökonomischen und demografischen Wandels auf das Stadtbild. Alle drei Beiträge haben eindrücklich herausgearbeitet, dass auf der Makroebene häufig keine einschneidenden Veränderungen im Stadtbild zu beobachten sind; sobald man aber auf der Grundlage von Archivquellen den Blick auf die Mikro- und Mesoebene richtet, werden Veränderungen sichtbar, die nicht ad hoc und nicht zwangsläufig top down, sondern in einem längeren Prozess und häufig auch bottom up durch die Bewohner der Stadt umgesetzt wurden. So konnten Sarah Collins am Beispiel von New Castle sowie Heidi Deneweth am Beispiel von Brügge zeigen, dass der soziale und funktionale Wandel bestimmter Stadtviertel in Zeiten von Wachstum, ebenso wie in Zeiten rückläufiger Einwohnerzahlen durch die Stadtbewohner selbst und deren ökonomisch-spekulatives Handeln und nicht etwa durch obrigkeitliche Eingriffe vorangetrieben wurde: Finanzstarke Stadtbewohner kauften etwa Häuser auf, um sie dann an Ärmere zu vermieten oder Handwerker ließen sich in Stadtvierteln mit weniger dichter Bebauung nieder, um die freien Flächen für Produktion und Lagerung zu nutzen. Jaap Evert Abrahamse macht eine ganz ähnliche Beobachtung mit Blick auf die stadtplanerische Umgestaltung des Amsterdamer Stadtkerns, in dem Fall durch die städtische Führung: Sowohl der Abbau der funktionslos gewordenen mittelalterlichen Stadtmauer als auch die damit verbundene Aufwertung des Singel-Kanals waren keine ad hoc-, sondern langfristige Maßnahmen, die behutsam umgesetzt wurden und so über einen längeren Zeitraum das Stadtbild veränderten.
Durch den Perspektivwechsel von der Makro- auf die Meso- und Mikroebene, wie er vom Herausgeber und der Herausgeberin gefordert und von den Beitragenden umgesetzt wurde, trägt der Sammelband wesentlich dazu bei, Thesen wie die der Konstanz städtischer Strukturen in der Frühen Neuzeit kritisch zu beleuchten und zu diversifizieren.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Teresa Schröder-Stapper, Rezension von/compte rendu de: Jaap Evert Abrahamse, Heidi Deneweth (ed.), Transforming Space. Visible and Invisible Changes in Premodern European Cities, Turnhout (Brepols) 2022, 250 p., 22 b/w, 68 col. ill. (Studies in European Urban History [1100–1800], 58), ISBN 978-2-503-57984-9, EUR 87,00., in: Francia-Recensio 2024/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106640