Peter Hensen, Jahrgang 1888, Sohn eines Aachener Gastwirts, Ratsherrn und Karnevalspräsidenten, war nach einer Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter von 1912 bis 1918 Sekretär der Zentrumspartei in Bonn, von 1918 an Miteigentümer und Chefredakteur der Godesberger Volkszeitung. Als Abgeordneter im Stadtrat von Bad Godesberg und im Kreistag des Landkreises Bonn musste er während des Ruhrkampfs 1923/24 Exekutivverantwortung übernehmen. Von 1928 bis 1933 vertrat er den Wahlkreis Köln-Aachen im Preußischen Abgeordnetenhaus. Nach schwierigen Jahren als Mitinhaber einer Wäscherei in Berlin von 1941 bis 1945 gehörte er zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs der CDU in Berlin vom 26. Juni 1945, den Andreas Hermes initiiert hatte. Von 1947 bis 1950 gehörte er dem Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen als Abgeordneter an. Der Autor, Ehemann der ältesten Enkeltochter von Peter Hensen, hat den reichhaltigen Familiennachlass genutzt, um ein Porträt dieses Repräsentanten des politischen Katholizismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Dazu hat er auch weitere Archivbestände und die einschlägige Fachliteratur herangezogen.

Die vielen Briefe an Familienangehörige, die Gilbert Nicolas ausgewertet hat, zeigen einen Angehörigen des katholischen Establishments im Rheinland, dessen politisches Engagement fest in einem katholischen Glauben und religiöser Praxis im rheinischen Milieu verwurzelt war. Sonntäglicher Messbesuch und Tischgebet gehörten für Peter Hensen und seine Familie zum Alltag, die kirchlichen Hochfeste wurden traditionsbewusst gefeiert, und auch die Namenstage der Familienangehörigen galten immer als Feiertage – nicht die Geburtstage. Das emotional wichtigste Fest war wohl Fronleichnam, aber auch das Fest des Heiligen Martin spielte eine wichtige Rolle im emotionalen Haushalt der Familie. In Hensens Briefen wird ein elementares Gottvertrauen spürbar. Schicksalsschläge empfand er als Prüfungen, die ihm auferlegt wurden; und wenn es ihm notwendig erschien, zögerte er auch nicht, für die schulischen Erfolge seiner Kinder zu beten.

Politisch ergab sich für ihn aus dem gelebten Glauben die Bereitschaft, Verantwortung für ein Leben in Freiheit und Recht zu übernehmen. Als junger Erwachsener wurde er sehr von dem katholischen Sozialreformer Carl Sonnenschein beeinflusst, der damals in der Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland in Mönchengladbach tätig war. Entsprechend begriff er die Zentrumspartei als eine wahre Volkspartei mit einem starken sozialen Einschlag. Noch als Firmeninhaber in Berlin kümmerte er sich mehr um die sozialen Belange der Mitarbeiter als um den finanziellen Ertrag des Betriebs. Er wurde zu einem Verteidiger der Weimarer Demokratie, der nicht nur den Kommunismus entschieden ablehnte, sondern auch den Nationalsozialismus. Der Aufstieg des Nationalsozialismus und die Manöver der demokratiefeindlichen Rechten (von Papen, Schleicher) erfüllten ihn mit großer Sorge. 1932 warnte er vor einer »brutalen Diktatur« und der »Beseitigung der Gewerkschaften«.

Als sich das Zentrum in den Reichstags- und Landtagswahlen vom 5. März 1933 im Rheinland behauptete und damit eine absolute Mehrheit der NSDAP verhinderte, wurde Hensen selbst zum Objekt nationalsozialistischer Attacken. Nur indem er sich zeitweilig in kirchlichen Einrichtungen versteckte, konnte er der Schutzhaft entgehen. Die Godesberger Volkszeitung musste ihren politischen Charakter aufgeben und mit einer weiteren katholischen Zeitung (der Bonner Reichszeitung) fusionieren. Hensen konnte den Verlag und die Druckerei in Bad Godesberg behalten, war aber zunehmend auf Druckaufträge des katholischen Jugendhauses in Düsseldorf und des Kölner Generalvikariats angewiesen. Dabei bewegte er sich wiederholt am Rande eines Publikationsverbots und der Verhaftung und war ständiger Überwachung durch die Gestapo ausgesetzt. Im Frühjahr 1941 gab das Generalvikariat die Publikation von Broschüren auf, die als politisch anstößig gedeutet werden konnten. Gleichzeitig musste die fusionierte Zeitung wegen angeblichen Papiermangels eingestellt werden. Hensen war damit praktisch ohne Einkommen.

Mit der Nachzeichnung dieser Entwicklung wirft Nicolas einige Schlaglichter auf die Realität der »Gleichschaltung« und der »inneren Emigration« von Katholiken, die sich dem neuen Regime nicht anpassen wollten. Das Kapitel über die Berliner Jahre bietet Einblicke in die Wirkung der Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung und die dramatischen Erlebnisse im »Endkampf« um die Reichshauptstadt. Der Bombenkrieg wird auch in einem Kapitel über die beiden Töchter thematisiert, während ein Kapitel über den ältesten Sohn, der es als Kriegsfreiwilliger zum Kommandanten einer Sturmgeschütz-Panzerbrigade brachte, die innere Distanzierung eines Wehrmachtssoldaten vom herkömmlichen Katholizismus nachzeichnet. Ansonsten dienen diese beiden Kapitel vorwiegend der Vervollständigung der Familiengeschichte.

Das abschließende Kapitel hingegen ist wieder von zeitgeschichtlichem Interesse: Mit der Unterzeichnung des Gründungsaufrufs der CDU zeigte Peter Hensen erneut seine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Trotz mentaler und physischer Erschöpfung hielt er es für seine Pflicht, am Wiederaufbau mitzuwirken und der Generation der Kriegsheimkehrer den Weg zu einer sozialen Demokratie zu zeigen. Dabei gewann er bald den Eindruck, dass sich diese unter den Bedingungen der sowjetischen Besatzung nicht verwirklichen ließ. Das bewog ihn im Januar 1946 zu dem Entschluss, nach Bad Godesberg zurückzukehren und am mühevollen Aufbau des politischen Lebens im Land Nordrhein-Westfalen mitzuwirken.

Der Autor überzeichnet den Lebensweg von Peter Hensen etwas, wenn er die Berliner Jahre als »erzwungenes Exil« bezeichnet (253). Auch die Zuordnung zum »Widerstand« (bis 1941) beziehungsweise zur »Resistenz« (in der Berliner Zeit) erscheint überzogen. Dessen ungeachtet bietet das reichhaltig illustrierte Buch aber weiterführende Einblicke in die Welt des rheinischen Katholizismus und den Alltag nicht-angepasster Katholiken im Dritten Reich. Zudem kann es helfen, französischsprachige Leserinnen und Leser mit diesen Themen vertraut zu machen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Wilfried Loth, Rezension von/compte rendu de: Gilbert Nicolas, Peter Hensen. Un catholique allemand contre Hitler, Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2023, 263 p., ill., cartes, fac-similés, portraits, ISBN 978-2-7535-9285-8, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2024/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.3.106715