Mit ihrer Monographie zu den französischen Königinnen des 12. bis 14. Jahrhunderts legt Christene d’Anca, die in Kalifornien lehrt, eine Arbeit vor, die eine Lücke schließt und zugleich bezeichnet. Das Handeln mittelalterlicher weltlicher Frauen als aktive Teilnahme an der Ausgestaltung der meist männlich dominierten Umwelt ist ein zwar oft im wissenschaftlichen Gespräch angeführtes Desiderat, bleibt aber meist auf die Ebene des Beitrages in Sammel- oder Zeitschriftenbänden beschränkt. Zudem ist der Untersuchungszeitraum packend gewählt, denn in ihm vollzog sich der dynastische Übergang von den Kapetingern auf die Valois im Jahre 1328, so ist Blanca von Navarra als Ausgang der Untersuchung enthalten (147–170).
In einer ausführlichen Einleitung (11–35) legt die Verfasserin dar, mit welchen Fragestellungen sie sich beschäftigen möchte, welche Methoden sie beeinflusst haben und warum die Untersuchung des Themas weiterführend zu sein verspricht. Dabei orientiert sie sich an dem Quellenkorpus, das ihrer Arbeit zugrunde liegt, sodass die Methodenwahl den Gegebenheiten der schriftlichen Überlieferung angepasst erscheint. Dies ist hervorzuheben, denn nicht immer wird dieser angemessene Weg beschritten, sondern heutige Theorie vor die Traditionen gestellt. Selbstverständlich aber kommt man ohne Methoden nicht aus, und Christene d’Anca verortet ihr Buch in der Forschung zu Königinnen als Teilhaberinnen der dynastischen Kontinuität und der die Gesellschaft des Mittelalters prägenden Faktoren Verwandtschaft und Genealogie. Sie ordnet ihre wichtigsten Schriftquellen (die Genealogie der Herzöge von Brabant, die Grandes Chroniques de France sowie genealogische Aufzeichnungen) und die kunst- beziehungsweise bauhistorischen Überreste als Erinnerungsorte entsprechend ein. Die Einzelabschnitte folgen der historischen Chronologie. Am Anfang stehen Eleonore von Aquitanien mit ihren Töchtern (37–73), mithin eine durchaus bewegte Familiengeschichte, sowie Maria von Brabant (75–110). Johanna von Évreux (111–145) und Blanca (147–170) markieren das Ende der kapetingischen Dynastie beziehungsweise die Phase des Überganges.
Eleonore von Aquitanien († 1204) hatte aus ihrer ersten, 1152 aufgehobenen Ehe mit König Ludwig VII. von Frankreich (reg. 1131/37–1180) eine Tochter, Maria von Champagne († 1198), und aus ihrer zweiten mit König Heinrich von England (reg. 1154‑1189) drei weitere: Mathilde († 1189), Gemahlin Herzog Heinrichs des Löwen von Sachsen († 1195), sowie Eleonore († 1214) und Johanna († 1199). Mithin verstarben beide Ehemänner sowie drei der Töchter noch zu ihren Lebzeiten, nur das gleichnamige Kind überlebte seine Mutter. Ein umfangreiches Unterkapitel ist Mathilde und Heinrich, den literarischen Werken aus ihrem höfischen Umfeld sowie dem Braunschweiger Evangeliar gewidmet (55–69). Die Ausführungen von Christene d’Anca dazu sind beschreibender Natur, die Diskussion des Forschungsstandes ist nicht ihre Absicht. Bei der Interpretation der berühmten grünen Person ohne Namen am rechten Rand des Krönungsbildes plädiert sie für Eleonore von Aquitanien. Insgesamt vertritt sie die Auffassung, Mathilde sei maßgeblich an der Konzeption des Evangeliars beteiligt gewesen, wofür nicht zuletzt der hl. Thomas Becket spräche, der über ihrer Verwandtschaft auf dem Krönungsbild erscheint.
Der Untersuchung Marias von Brabant († 1321), der zweiten Ehefrau König Philipps III. von Frankreich von 1275–1285, stellt die Verfasserin das Motto »Eine lebenslange Reise der Patronage vom Tod umgeben« voran. Ein Zeitsprung bringt uns schließlich in die kurze Phase der Mitherrschaft Johannas von Évreux († 1371) von 1326–1328. Blanca von Navarra († 1398), hatte nur eine kurze Regentschaft, da ihr Mann, der verwitwete König Philipp VI. von Valois, im Jahr der Eheschließung 1350 verstarb und sie nicht wieder heiratete, nachdem sie ihrer gemeinsamen Tochter (Johanna) das Leben geschenkt hatte. Es ist vor allem ihr berühmtes Testament, das Christene d’Anca behandelt.
In ihrer Conclusio (171–174) wechselt die Verfasserin in die erste Person Singular und fasst die von ihr gewonnenen neuen Einsichten präzise zusammen. Neben den einzelnen Werken, die nicht zuletzt der Kommemorierung der eigenen Person und der sich daraus ergebenden verwandtschaftlichen Bindungen sowie der Sicherung der Rolle bei Hofe spielten, sind es die wechselseitigen Beeinflussungen, die Christene d’Anca deutlich machen konnte.
Im Literaturverzeichnis (178–195) finden sich fast ausschließlich englischsprachige oder ins Englische übersetzte Werke, was bei dem Forschungsgegenstand doch überrascht, zumal die notwendigen Quellen meist umfassend, aber oft in Übersetzungen ausgewertet wurden. Auch ist die deutschsprachige Forschung zu Herzog Heinrich von Sachsen nur mit einer englischen Übertragung vertreten: Karl Jordans inzwischen veralteter Biographie des Löwen aus dem Jahr 1979. Otto Gerhard Oexles (nicht: Oexel) Spätdatierung des Evangeliars wird indirekt mittels der von der Verfasserin herangezogenen Studie von Colette Bowie erwähnt. Etwas schade ist auch, dass sich der Verlag entschieden hat, die Abbildungen nur in Schwarz-Weiß wiederzugeben.
Mit den sich aus dem ambitionierten Vorhaben notwendigerweise ergebenden Abstrichen sind dem Buch viele Leserinnen und Leser zu wünschen, die sich auf diesem letztlich globalen Themenfeld der Rolle von Herrscherinnen für die familiäre, dynastische und persönliche Memoria bewegen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Caspar Ehlers, Rezension von/compte rendu de: Christene d’Anca, Medieval Mausoleums, Monuments, and Manuscripts. French Royal Women’s Patronage from the Twelfth to the Fourteenth Centuries, Turnhout (Brepols) 2024, 200 p., 34 b/w fig., ISBN 978-2-503-60696-5, EUR 95,00., in: Francia-Recensio 2024/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.4.108059