Der auf westalliierte Initiative zu Beginn des Kalten Krieges auf dem Territorium ihrer drei westlichen Besatzungszonen gegründete »Weststaat« sowie der Aufbau und die Entwicklung der neuen demokratischen Bundesrepublik Deutschland gelten gemeinhin als Erfolgsgeschichte. Binnen weniger Jahrzehnte mauserte sich das aus der Not geborene alliierte Bonner »Auftragsprovisorium« zu einem Wirtschafts- und Wohlstandsgiganten und politischen Stabilitätsfaktor in Europa. Und mit einer kompromisslosen Westbindung verabschiedete sich die Bundesregierung zugleich von den gescheiterten außenpolitischen Leitbildern ihrer Vorgänger: dem machtvollen deutschen Nationalstaat im Zentrum eines »alten Europas«. Westlich-kapitalistische Lebensstile und Wertemuster – in Politik und Wirtschaft wie in Konsum und Alltagskultur – haben seitdem Einzug gehalten. Gepaart mit gewachsenem Verfassungspatriotismus sind sie, bei aller vorhandener Kritik an den Auswüchsen des Amerikanismus, heute Ausdruck einer zunehmend pluralisierten, liberalen »offenen Gesellschaft«.

Nicht erst die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in den letzten Jahren oder der wieder aufgeflammte Antisemitismus jedoch erinnern eindringlich daran, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik abseits des demokratischen Mainstreams eine extreme politische Rechte immer gegeben hat. Zwar wurden in dem heterogen zusammengesetzten rechten Spektrum politische Parteien meist zügig verboten oder versanken nach Wahlerfolgen rasch wieder in die Bedeutungslosigkeit. Weniger öffentlichkeitswirksame Vereinigungen und Initiativen wie Jugendbünde, in denen nationalsozialistisches Gedankengut offen gelehrt wurde, oder das Publikations- und Verlagswesen als »Ideologieproduzent über das Kernmilieu hinaus« konnten jedoch ihre Wirkung entfalten. Dabei veränderten sich über die Jahrzehnte »Netzwerke, zentrale Akteure, Medien, inhaltliche Schwerpunkte und Methoden« der selbsternannten »nationalen Opposition« in der Regel fortwährend (4).

Die zu Beginn der 1980er-Jahre einsetzende Rechtsextremismusforschung, so die drei Herausgeber dieses Sammelbands in ihrer Einleitung, hat mittlerweile einen Stand erreicht, der es erlaubt, ein Zwischenfazit zu ziehen 1 und seine Geschichte tiefergehend zu analysieren. Sie tun es, indem sie erstmals eine Zusammenstellung »rechtsextremer Biographien seit 1945« präsentieren. Die Bandbreite der insgesamt 24 Beiträge ist sehr weit gefasst, dennoch bemerkenswert und dabei selbstredend bei weitem nicht vollständig; mögliche Folgebände sind angedacht.

Vorgestellt werden 22 Männer und zwei Frauen, die eher als NS-Aktivisten der zweiten Reihe, als Ideologieproduzenten oder »Strippenzieher« im Hintergrund nach 1945 gelten können. Prominente NS-Funktionäre, die nach überstandenem Krieg und etwaigen Gerichtsverfahren in Nachkriegsdeutschland weiter aktiv zu sein versuchten wie der letzte »Reichsjugendführer« Artur Axmann (1913–1996), stellen eher die große Ausnahme dar. So sucht man auch den SS-Intellektuellen Werner Best (1903‑1989) oder ehemals populäre Wehrmachtsoffiziere, die in den Nachkriegsjahren offen nationalsozialistisch-publizistisch oder im rechtspolitischen Spektrum agierten, vergeblich. Zu denken wäre etwa an den in die Niederschlagung der Revolte des 20. Juli in Berlin verwickelten Otto-Ernst Remer (1912–1997) oder den vom DFB 1978 ins WM-Quartier nach Argentinien eingeladenen Ritterkreuzträger Hans-Ulrich Rudel (1916–1982).

Altersmäßig gehört die große Mehrzahl der vorgestellten Persönlichkeiten der »Kriegsjugendgeneration« 1900–1915, also der letzten noch im Nationalsozialismus selbst aktiven Altersgruppe, und der zu Ende der Weimarer Republik oder im »Dritten Reich« sozialisierten HJ-Generation 1925–1938 an. Beide Alterskohorten erlebten einen Großteil ihres politischen und beruflichen Wirkens in den ersten vier Jahrzehnten der Bundesrepublik.

Nur eine Minderheit (fünf Beiträge) bilden Personen wie der führende Neonazi-Aktivist Michael Kühnen (1955–1991) oder der Rechtsterrorist Frank Schubert (1957–1980), die als bei Kriegsende oder in der Nachkriegszeit geborene junge Neonazis der gewaltbereiten rechten Szene in Westdeutschland angehörten. Ein Grund für diese Gewichtung liegt auch in der Tatsache, dass die Herausgeber bewusst nur bereits verstorbene Persönlichkeiten in den Blick genommen haben, deren Biografien als bereits »vollendet« zu betrachten sind. Die beiden Frauen sind die völkische Aktivistin Mathilde Ludendorff (1877–1966), Witwe des 1937 verstorbenen Ersten-Weltkriegs-Generals Erich Ludendorff, sowie die Marburger Publizistin und Agitatorin in rechten Kulturnetzwerken Elisabeth Neumann-Gundrum (1910–2002).

In den einzelnen Beiträgen werden politik- bzw. sozialwissenschaftliche Ansätze mit historiografischen Fragestellungen und Arbeitsmethoden verknüpft. Dies verdeutlicht schon das Profil der drei Herausgeber: Gideon Botsch und Christoph Kopke sind Professoren für Politikwissenschaft an den Universitäten Potsdam bzw. Berlin, Botsch dazu Leiter der Emil Julius Gumbel-Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam.2 Karsten Wilke, der über den Interessenverband der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS in der Bundesrepublik gearbeitet hat,3 ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus und Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf.

Es ist den Herausgebern ein besonderes Anliegen, die vorgestellten rechtsextremen Lebensbilder nicht isoliert, sondern im Kontext der jeweiligen soziopolitischen Zusammenhänge der Geschichte der Bundesrepublik zu betrachten. Allein damit sei eine gewünschte Typisierung rechtsextremen Handels, bezogen auf die verschiedenen Phasen der (west-)deutschen Nachkriegsgeschichte, zu erreichen. Für diesen inzwischen fast 80 Jahre umfassenden Zeitraum unterscheiden sie drei Hauptphasen: eine erste bis etwa 1968 andauernde Formierungs- und Sammlungsphase; eine bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 währende zweite Übergangsphase mit vielfältigen Desintegrations- und Wandlungsprozessen, die u. a. durch die Konsolidierung einer intellektuell ausgerichteten »Neuen Rechten« nach französischem Vorbild4 gekennzeichnet ist; und eine dritte bis heute andauernde Phase mit einem zunehmenden Erstarken und vielfältigen Auffächern rechter Aktivitäten. Der quellenfundierte Blick auf die Sozialisation der rechten Akteure jedenfalls soll deren Handeln nach 1945 »verstehbar machen« sowie die »Erkenntnisse zu den Organisationen und Netzwerken, in denen sie agierten, verdichten« (11).

Aus dem von den Herausgebern fokussierten Personenkreis sollen hier zwei Persönlichkeiten näher vorgestellt werden, die in ihrem publizistischen wie politischen Schaffen einen besonderen Bezug zu Frankreich aufweisen. Dies gilt in erster Linie für den heute als maßgeblichen Vordenker der »Neuen Rechten« in Deutschland geltenden gebürtigen Schweizer Armin Mohler (1920–2003). Sein Anliegen war es, die Ideenwelt der durch das NS-Unrechtsregime desavouierten antidemokratischen und nationalistischen Rechten der Weimarer Republik in die Nachkriegszeit hinüberzuretten. Hierzu konstruierte Mohler bald nach 1945 eine aus seiner Sicht vom Nationalsozialismus unberührte geistig-ideelle Sammlungsbewegung, die er als »Konservative Revolution« etikettierte.5 Sein Konzept stellte er als zeitgemäßes nationalkonservatives Politikverständnis dem nach seiner Auffassung allzu sehr individuell-moralisch aufgeladenen Liberalismus gegenüber, der den politischen Diskurs in westlichen Demokratien nach 1945 einseitig dominiere. Mohler profilierte sich früh als rechtsintellektueller »kluger Kopf«. Sein Weg startete 1951 als Privatsekretär Ernst Jüngers und führte ihn über seine Stationen als vielgefragter Journalist und Publizist, CSU-Wahlkampfberater und -Redenschreiber in den 1970er-Jahren bis hin zu den späteren Netzwerkaktivitäten für die Partei »Die Republikaner« und bei der Münchener Carl Friedrich von Siemens-Stiftung. Dabei rückte Mohler spätestens seit 1968 immer weiter nach Rechtsaußen.

Mohlers Wirkung auf das Denken der politischen Rechten in Deutschland untersuchen – aus durchaus ähnlicher Perspektive – gleich zwei Beiträge. Cenk Akdoganbulut, Doktorand an der Université de Fribourg (Schweiz), beschäftigt sich mit dem Versuch Mohlers, die aus der französischen Politik bekannte Ideologie des Gaullismus in die Bundesrepublik der 1960er- und 1970-Jahre zu exportieren. Im Gaullismus erblickte Mohler die zeitgemäße autoritär-konservative Ausformung seiner Vorstellungen von einer »Konservativen Revolution«. Als in Bourg-la-Reine am südlichen Stadtrand lebender Pariser Auslandskorrespondent, u. a. für die schweizerische Tageszeitung Die Tat und Die Zeit, hatte Mohler acht Jahre lang Gelegenheit gehabt, die französische Rechte aus nächster Nähe zu studieren. Ansprechpartner für sein Werben für den Gaullismus war vor allem der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß, der letztlich aber davor zurückscheute, eine bundesweite weiter rechts orientierte CSU zu organisieren.

Philipp Becher sieht in Mohlers Konstrukt der »Konservativen Revolution« letztlich eine »Reserve-Ideologie« des Faschismus, mit der es Mohler gelungen sei, zahlreiche Aspekte des 1945 vermeintlich untergegangenen »faschistischen Traums« in die Nachkriegszeit zu retten. Indem bedeutende aktive Rechtsintellektuelle der Gegenwart wie Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann, die beide zur Mohler-Schule gezählt werden dürfen, heute in Deutschland zunehmend Einfluss auf die Programmatik der Partei Alternative für Deutschland (AfD) ausüben, sei Mohler selbst zu einem »Regenpfeifer«, also einem Vogel geworden, der den Regen voraussagt, bevor er fällt. Dies sei ein später Erfolg seiner Bemühungen, die in Deutschland herrschende »linksliberale Diskurshegemonie« zu durchbrechen, mit dem Ziel, eine neue politische Macht in Deutschland zu etablieren. Derzeit stünden die Vorzeichen hierfür, so Becher, günstiger als in früheren Jahrzehnten.

Eine Persönlichkeit ganz anderen Kalibers, die der Düsseldorfer Historiker Paul-Lukas Hähnel beleuchtet, ist der Altnazi und lebenslange völkische Aktivist Ernst Anrich (1906–2001). Anrich entstammte einer »altelsässischen« Familie, die 1918 das Land verließ. Die Vertreibung aus seiner Heimat schuf einen fruchtbaren Nährboden für Ressentiments gegen die französische Kultur und eine revanchistische Haltung, der er zeitlebens treu blieb. Als junger Historiker und Wissenschaftler engagierte er sich in der in der Zwischenkriegszeit boomenden »Westforschung« sowie hochschulpolitisch, d. h. seit Beginn der 1930er-Jahre als »Alter Nationalsozialist« im NS-Studentenbund. Eine glänzende Parteikarriere allerdings blieb ihm aufgrund seiner querulantischen Neigungen verwehrt.

Trotz allem avancierte er 1941 zum Aufbaukoordinator der »Reichsuniversität Straßburg«, die zu einem wissenschaftlichen Vorposten des nationalsozialistischen Volkstumskampfes für Westeuropa geformt werden sollte. Auch hier jedoch scheiterte Anrich mit seinen ehrgeizigen Plänen. Nach 1945 misslang der universitäre Wiedereinstieg aufgrund der zu starken Formalbelastung aus der NS-Zeit. Auch aus wirtschaftlicher Not engagierte sich Anrich von nun an im Verlagswesen und baute, zusammen mit ehemaligen Gesinnungsgenossen, die »Wissenschaftliche Buchgesellschaft« in Darmstadt auf, wo er anfangs auch völkisch orientierten Kollegen eine Publikationsplattform bot. Um 1970 schließlich fungierte er als Chefideologe und Netzwerker für die rechtsextreme NPD, von der er sich 1976 aber wieder zurückzog.

Insgesamt gilt es festzuhalten, dass der Biografien-Band eine Vielzahl ganz unterschiedlicher rechter Lebensläufe in literarisch wie wissenschaftlich-formal ansprechender Form präsentiert. Fast immer haben die Autorinnen und Autoren dabei umfangreiche neue Quellenbestände aufgetan. Eine Ausnahme bilden hierbei ausgerechnet die Beiträge zu Mohler und Anrich, die nahezu ausschließlich auf der Auswertung der bisher vorhandenen Forschungsliteratur basieren – obwohl zu beiden jeweils umfangreiche Nachlässe in den letzten Jahren zugänglich gemacht worden sind. Im Falle Mohlers mag dies auch daran liegen, dass das in den letzten 20 Jahren stark zugenommene Interesse an seiner Person zu einer derzeit kaum noch übersehbaren Materialfülle geführt hat. Zumal eine wissenschaftlich-kritische und politisch unabhängige Biografie zu dem »geistigen Vater der Neuen Rechten« nach wie vor aussteht.6

Auch die gut lesbare und präzise Einleitung der Herausgeber, die den aktuellen Forschungsstand zur Entwicklung der »nationalen Opposition« in der Bundesrepublik auf wenigen Seiten übersichtlich auf den Punkt bringt, sowie die sorgfältigen, getrennt aufgeführten Organisationen- und Institutionen- bzw. Personenregister am Ende laden zum Suchen und Weiterarbeiten ein. Damit kommt dem Werk im Grunde Handbuch-Charakter zu.

1 Dazu etwa: Fabian Virchow et al. (Hg.), Handbuch Rechtsextremismus, Wiesbaden 22025; darin der Überblicksbeitrag von Gideon Botsch zur »Geschichte der extremen Rechten in der Bundesrepublik«.
2 Kopke arbeitet darüber hinaus als Historiker; vgl. Christoph Kopke, Die »politisch denkende Gesundheitsführung«. Ernst Günther Schenck (1904–1998) und der Nationalsozialismus, Berlin 2008.
3 Vgl. Karsten Wilke, Die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit« (HIAG) 1950–1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik, Paderborn u. a. 2011.
4 In Anlehnung an die »Nouvelle Droite« mit ihrem intellektuellen Kopf Alain de Benoist (* 1943); vgl. Armin Pfahl-Traughber, Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotenzial der Neuen Rechten, Bonn 2022, 58–59.
5 Vgl. seine Dissertation: Armin Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland, 1918–1932. Ein Handbuch, Darmstadt 1989 (Zuerst: 1950).
6 Diesen Anspruch kann die Arbeit eines Mohler-Schülers kaum einlösen; vgl. Karlheinz Weißmann, Armin Mohler. Eine politische Biographie, Schnellroda 2011.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Hubert Roser, Rezension von/compte rendu de: Gideon Botsch, Christoph Kopke, Karsten Wilke (Hg.), Rechtsextrem. Biografien nach 1945, Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2023, 485 S., 25 Abb., ISBN 978-3-11-100870-7, EUR 69,95., in: Francia-Recensio 2024/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.4.108201