Die interdisziplinäre und internationale Bauernkriegsforschung ist wahrlich kein Nebenschauplatz in den Publikations- und Tagungsforen vergangener wie gegenwärtiger Tage. Zurzeit führen in der Hitliste wissenschaftlicher Werke die beiden voluminösen Monografien aus der Feder der in Oxford lehrenden, australischen Bestseller-Autorin Lyndal Roper (Für die Freiheit. Der Bauernkrieg, 2024,) und des an der Technischen Universität Dresden lehrenden renommierten Frühneuzeithistorikers Gerd Schwerhoff (Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung, 2024). Das kommende Gedenkjahr 2025 – 500 Jahre Bauernkrieg – wird, soviel kann man jetzt schon sagen, mit großen Landesausstellungen in Baden-Württemberg (Bad Schussenried, Stuttgart), mit der bereits im April–Mai 2024 eröffneten thüringischen Landesausstellung in Mühlhausen und Bad Frankenhausen (»Freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg«), mit einer Reihe von Fachtagungen und ungezählten Vorträgen zu regionalen Schauplätzen des Bauernkriegs, die Aktivitäten des letzten großen Gedenkjahres 1975 (»450 Jahre Bauernkrieg«) nochmals toppen!

Im zeitlichen Vorfeld zum gegenwärtigen 500-jährigen Gedenken des deutschen, präziser gesagt, mitteleuropäischen Bauernkriegs der Jahre 1524–1525 sind sozusagen als Appetitanreger für Kommendes die hier anzuzeigenden Ergebnisse des 14. Kraichtaler Forschungskolloquiums im Jan Thorbecke Verlag veröffentlicht worden. Die vorbereitende Tagung fand vom 6. bis 8. Mai 2022 im Rahmen der alle zwei Jahre in Gochsheim (Stadt Kraichtal) organisierten Kolloquien statt, die sich unterschiedlichen Themen widmen, doch stets einer vergleichenden historischen »Landeskunde« verpflichtet sind. Als Herausgeber des leider mit nur einer Grafik – sie zeigt die Hinrichtung des Bauernführers Jäcklein Rohrbqach –, aber mit sorgfältig geführten Namen-, Orts- und Sachregister gut ausgestatteten Bandes zeichneten Kurt Andermann und Gerrit Jasper Schenk. Kurt Andermann, Archivar und Historiker, ist seit 2012 Honorarprofessor an der Universität Freiburg sowie Begründer und Organisator der seit 1996 stattfindenden Kraichtaler Kolloquien. Gerrit Jasper Schenk lehrt mit breit aufgestellten Forschungsschwerpunkten in der Kultur-, Stadt-, Umwelt-, Mentalitäts- und Wissensgeschichte seit 2009 mittelalterliche Geschichte an der Technischen Universität in Darmstadt. Die beiden Herausgeber steuerten zudem lesenswerte Einzelbeiträge bei. Schenk (»Was wollten die Bauern? Die Zwölf Artikel und das Problem der Allmende«, 11–43) bemüht sich um einen Forschungsüberblick mit Fokus aus neuerer umwelt- und agrarhistorischer Fragestellung, wobei dem Wegfall bzw. der Umwidmung sozialrelevanter Allmenden ein hoher Stellenwert im ABC der Aufständischen zuerkannt wurde. Es gelingt der Krisenthematik, wie sie bei Peter Blickle, Hartmut Zückert und David von Mayenburg mit vielerlei lebensweltlichen Beispielen bereits mehrfach konkretisiert wurde, zumindest mit einem »kurzen Blick« auf den Kraichgau (37–43) regional neue Perspektiven zu schaffen.

Es folgt ein Beitrag von Enno Bünz, der seit 2001/02 in Leipzig Sächsische und Vergleichende Landesgeschichte lehrt, zum altbekannten Thema: »Bauern und Reformation. Eine Umschau im Reich«. Aus der immensen Quellenkenntnis zum Niederkirchen- und Pfarreiwesen gelingt es ihm, das von Peter Blickle entwickelte Konzept der Gemeindereformation und der damit verbundenen Kommunalisierung kritisch zu hinterfragen. In regionaler Differenzierung sollte jedenfalls insbesondere bei der Erklärung ländlicher Aufstände für die Jahre 1524/25 die Rolle der Pfarreien stärkere Berücksichtigung finden. Schließlich galt eine der programmatischen Forderungen der Memminger Artikel der freien Pfarrerwahl.

Eines der Anliegen neuerer Bauernkriegsforschung, Allgemeines deduktiv mit neuen Quellenbefunden zu regionalisieren, wird im vorzustellenden Tagungsband von mehreren Autoren eingelöst. Nina Gallon (»Damit das evangelium und die gerechtigkeit ein furgang uberkom«, 107–134) bestätigte für den Kraichgau und Bruhrain eine Eigendynamik der Aufstandsbewegung, die sich keineswegs nur aus ländlichen Gruppen zusammensetzte. Es war der mit vielen Kleinstädten gespickte Raum, der das in der Forschung lange unbeachtete Zusammenspiel von Stadt und Land in der Krise 1524/25 erneut als Desiderat anzeigt. Kurt Andermann (»Bäuerliches Recht und herrschaftliche Verdichtung«, 45–64) stellte am Beispiel der Beschwerdeartikel aus der Gemeinde Menzingen – sie datierten vom September 1524 – den engeren Untersuchungsraum ins Zentrum. Aufschlussreich ist dabei der zeitlich ausgreifende Blick auf die Probleme der Gemeinde seit dem 15. Jahrhundert mit den Landgrafen von Hessen über Fron- und Leibdienste, Waldnutzung, Viehtrieb, Weinverkauf, Steuern und Gerichtsbarkeit. Andermann revidiert die mitunter von Friedrich Engels vorgenommene, monokausale Begründung des Aufstands als Folge schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse seitens des Junkers Philipp von Mentzingen, die in Folge zu einer blutrünstigen Übersteuerung der Untertanen führten.

Christine Reinle (»Gewalthandeln von Bauern, Bauernfehden und Bauernkrieg im Vergleich«, 135–167) thematisierte in einer stark begriffsgeschichtlich orientierten Analyse die unterschiedlich angewandten Formen von Gewalt, wobei sie einerseits Verbindungen zwischen Fehde, Revolte und Bauernkrieg feststellt, die in der Manifestation von Eigengewalt lagen. Andererseits gab es grundlegende Unterschiede, da sich betroffene Gruppen – man hätte auch mit dem Quellenbegriff der »Haufen« operieren können – in Qualität und Quantität unterschieden. Die einen klagten individuelle Ansprüche ein, die anderen beharrten auf kollektiven althergebrachten Rechten. Die in der Bauernkriegsforschung mehrfach ausführlich beschriebene Weinsberger Bluttat wurde durch Hermann Ehmer (»Die Weinsberger Bluttat. Der Wendepunkt des Bauernkriegs«, 169–185) erneut mikroskopisch zerlegt. Er bestätigt, dass die Weinsberger Bluttat eine Wende für die Bauernerhebung brachte, da die »Brutalisierung des weiteren Geschehens« vor Ort – die Hinrichtungen von Jäcklein Rohrbach und Melchior Nonnenmacher – zu einem kompromisslosen Vorgehen des Schwäbischen Bundes mit Waffengewalt führten.

Zwei Galionsfiguren der Bauernkriegszeit, Götz von Berlingen (um 1480–1562) und Florian Geyer von Giebelstadt (um 1490–1525), wurden von Oliver Auge (»Hauptmann der Bauern oder ihr Gefangener? Götz von Berlichingens Rolle im Bauernkrieg«, 187–209) und Andreas Flurschütz da Cruz (»Würde er lieber zugesehen haben, daß sie erstochen würden, denn daß er sich mit ihnen verbrüderte«, 205–231) biografisch in das Aufstandsgeschehen eingeordnet. Im Ergebnis schließt sich Auge der Neubewertung der viel zitierten Lebensbeschreibung durch Tilmann G. Moritz an, die Götz von Berlichingen, nach Meinung der älteren Forschung, noch als 80-Jähriger (!) im Stil des Tat(sach)enberichts aufgesetzt oder diktiert hatte. Offenbar handelt es sich aber um ein erst nach seinem Tod zwischen 1562 und 1567 entstandenes »Medium politischer Positionierung«. Flurschütz da Cruz spricht sich am Beispiel der Aufstandsbeteiligung Florian Geyers als einem Kriegsprotagonisten aus der »zweiten Reihe« dafür aus, künftig die Pluralität und die Heterogenität des beteiligten Ritteradels in der Bauernkriegsforschung stärker zu berücksichtigen.

Der Heidelberger Mediävist Bernd Schneidmüller (»Wieviel Bauer braucht die bürgerliche Bauernkriegsforschung. Schlussgedanken«, 235–256) resümierte in einer Art Nachwort die Beiträge des, mit den bereits erwähnten Registern, gut redigierten Tagungsbandes. Es ging um die Einordnung bauernkriegsorientierter Spezifika aus dem Kraichgau und seiner benachbarten Landschaften zwischen Speyer und Würzburg in das europaweite Forschungsinteresse um den Aufstand des »gemeinen Mannes«. Der Band macht demnach erneut die Problematik der Etikettierung der Zeitläufe als »Bauernkrieg« deutlich, da der Begriff die einseitige Sicht einer letztlich siegreichen Obrigkeit wiedergibt und da er für das Verständnis sozialer Erhebungen zu unsensibel ist und den Konflikt der Jahre 1524/25 auf die Dichotomie »von Bauern versus Obrigkeit« reduziert.

Insgesamt ist ein lesenswerter, vom Verlag in Ostfildern gediegen ausgestatteter, aber leider mit der erwähnten Ausnahme (8–9), komplett bildloser Textband entstanden. Die Autorinnen und Autoren können alle aufgrund einschlägiger Vorarbeiten als Spezialistinnen und Spezialisten für die Bauernkriegszeit gelten, dennoch wird man am Ende die Ergebnisse im Kontext der Publikationsdynamik der Jahre 2024–2025 messen müssen. Welche Erkenntnisse waren bzw. sind neu oder begleiten eine gar bahnbrechende Neujustierung? Deutlich ist die (teils noch vorsichtige) Kritik an den oft zugespitzten Thesen Peter Blickles zu spüren, der im Band trotzdem wiederholt als Doyen der Bauernkriegsforschung bezeichnet wurde. Die Absicht liegt klar in der Aufwertung eigener Thesen und Forschungen. Als Orientierungspunkt für kommende Arbeiten zum Bauernkrieg kann man sicher aus landes- und regionalhistorischer Sicht heute bereits räumlich und örtlich belegte Ergebnisse einordnen. Ob der vierzehnte Band der Kraichtaler Kolloquien auch für die seit Generationen belastbare internationale Bauernkriegsforschung neue Akzente setzen kann, wird sich erst noch zeigen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Wolfgang Wüst, Rezension von/compte rendu de: Kurt Andermann, Gerrit Jasper Schenk (Hg.), Bauernkrieg. Regionale und über-regionale Aspekte einer sozialen Erhebung, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2024, 278 S. (Kraichtaler Kolloquien, 14), ISBN 978-3-7995-9284-0, EUR 29,00., in: Francia-Recensio 2024/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.4.108302