Theodor Baums hat sich viel vorgenommen: Der Jurist will in seinem Buch Luxemburg und das Reichskammergericht die Lösung des Herzogtums Luxemburg aus dem Heiligen Römischen Reich zeigen und damit die Folgen für die Gerichtszuständigkeit bei grenzüberschreitenden Konflikten dokumentieren. Dies gelingt ihm, und das sei ausdrücklich betont, sehr pointiert und auf hervorragende Weise.

Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse, die Baums schildert, ist der so genannte Burgundische Vertrag, der 1548 auf dem Reichstag zu Augsburg verhandelt wurde. Kaiser Karl V. verlangte dort von den Reichsständen, dass die Stände und Untertanen der burgundischen Erblande von Ladungen vor Gerichten des Heiligen Römischen Reiches – hier vor allem dem Reichskammergericht, der Reichshofrat spielte in diesem Fall noch keine große Rolle – und deren Gerichtsstand befreit werden sollten. Dies geschah auch für die westlichen Erblande (11). Den Werdegang dieser Entwicklung versucht das Buch nachzuzeichnen, indem es außerdem zeigt, dass die Aussagen des römisch-gemeinen Rechts zur Gerichtszuständigkeit gerade bei diesem Vorgang weiterentwickelt und angepasst wurden. Aus örtlichen Zuständigkeiten der Gerichte wurden nämlich Normen »internationaler« Gerichtszuständigkeit (13) bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten entwickelt, die schließlich allgemein anerkannt wurden.

Baums erläutert hierzu zuerst die Vorgeschichte des Burgundischen Vertrages, wobei sich zeigt, dass Karl V. bereits 1548 nicht vor Falschangaben bezüglich seiner burgundischen Erblande Halt machte. Denn er behauptete, dass die Burgundischen Erbländer von alters her von der Reichsgerichtsbarkeit befreit gewesen wären. Baums kann dabei sogar nachweisen, dass eine generelle urkundlich Befreiung Luxemburgs von der Reichsgerichtsbarkeit im Gegensatz zu den Behauptungen Karls V. gänzlich fehlte.

Danach untersucht Baums einzelne Reichskammergerichtfälle, um die »akzeptierte, ungeschrieben Verfassungspraxis« (13) analysieren zu können. Dies geschieht anhand ausgesuchter Reichskammergerichtsprozesse, die seit der Gründung des Reichskammergerichts auf dem Reichstag zu Worms 1495 bis zum Burgundischen Vertrag 1548 am Reichskammergericht anhängig waren. Dabei zeigt sich, dass das Reichskammergericht in luxemburgischen Rechtssachen tätig war. Kaiser Maximilian I. erklärte das Gericht in diesem Fall sogar selbst für zuständig. Allerdings, so muss betont werden, verfolgte die Habsburger Familie hier keine einheitliche Linie. Vor allem die Statthalterinnen in Brüssel, Margarete von Österreich und Maria von Ungarn, und auch in Einzelfällen Kaiser Karl V. versuchten die Exemtion Luxemburgs und aller anderen zu den burgundischen Erblanden zugehörigen Länder durchzusetzen. Baums geht aber noch einen Schritt weiter und untersucht auch diejenigen Rechtsfälle, die nach dem Burgundischen Vertrag aus Luxemburg vor das Reichskammergericht gelangten. Er kann dabei feststellen, dass die Regeln des Gemeinen Rechts über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte durch Einzelentscheidungen der Territorialgerichte in den jeweiligen Grenzländern auch auf grenzüberschreitende Streitigkeiten übertragen und angewandt wurden. Allerdings gab es dabei Einschränkungen. Der Zugang zu den Reichsgerichten blieb den Untertanen somit nicht ganz verwehrt. Sie konnten in Ausnahmefällen vor den Gerichten im Reich klagen und auch verklagt werden. Appellationen mit grenzüberschreitendem Bezug gelangten ebenfalls noch nach 1548 an das Reichskammergericht. Jedoch musste die Anerkennung erst durchgesetzt werden. Hierzu listet Baums zahlreiche Beispiele auf, die er in bestimmte Kategorien aufteilt. So fragt Baums nach dem Wohnsitz des Beklagten, der nach römisch-gemeinem Recht die Zuständigkeit des Gerichts bestimmte. Das war auch gemäß des Burgundischen Vertrages der Fall. Infolgedessen waren Kläger aus den habsburgischen Erblanden wie Angehörige des Reiches zu behandeln und umgekehrt. Dies galt auch bei besonderen Gerichtsständen wie bei vertraglichen Obligationen und für Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen sowie für herauszugebender Grundbesitz. Komplizierter war es dagegen im Lehnsrecht. Hier konnten verschiedene Gerichte zuständig sein, ebenso bei Erbschaft und bei Konnexität.

Der Burgundische Vertrag blieb jedoch auch nach 1548 umstritten. Der Kaiser selbst bestimmte häufig die Zuständigkeit des Gerichts, obwohl dies rechtlich nicht gerechtfertigt war. Allerdings muss hier auch festgehalten werden, dass das Reichskammergericht sich nicht in allen Fällen an die Weisungen des Kaisers gebunden fühlte.

Letztlich läutete der Burgundische Vertrag jedoch die Lösung der burgundischen Erblande und damit auch Luxemburgs aus dem Heiligen Römischen Reich ein. Gleichzeitig egalisierte der Burgundische Vertrag die unterschiedlichen Beziehungen der einzelnen Territorien des Burgundischen Reichskreises zum Reich. Trotzdem fand sich das Herzogtum Luxemburg in besonderen grenzüberschreitenden Fällen dazu bereit, die Entscheidungen der Gerichte im Reich und alle damit verbundenen Handlungen, wie Ladungen, Mandate etc. sowie Urteile in Luxemburg zu akzeptieren.

Baums hat ein anschauliches Buch geschrieben, das neue äußerst interessante Aspekte der Reichsgerichtsforschung aufgreift, die unbedingt weiterverfolgt werden sollten. Gerade die westlichen Grenzregionen des Reiches hätten mehr Aufmerksamkeit in der Forschung zur Höchstgerichtsbarkeit verdient!

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anette Baumann, Rezension von/compte rendu de: Theodor Baums (Hg.), Luxemburg und das Reichskammergericht. Die Lösung des Herzogtums aus dem Heiligen Römischen Reich und ihre Folgen für die Gerichtszuständigkeit bei grenzüberschreitenden Konflikten, Köln (Böhlau) 2024, 143 S. (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 81), ISBN 978-3-412-53052-5, EUR 70,00., in: Francia-Recensio 2024/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.4.108304