Bei dem sehr schön ausgestatteten Buch von Jean-Charles Speeckaert handelt es sich um die überarbeitete Version einer 2017 in Paris an der Sorbonne und in Brüssel (université libre) bei Lucien Bély und Michèle Galand verteidigten Dissertation. Bereits im Jahr 2016 hat Jean-Charles Speeckaert einen Preis der Académie royale de Belgique für sein Buch über Dominique de Lesseps erhalten,1 dem französischen Botschafter in Brüssel von 1752–1765 beim Statthalter in den österreichischen Niederlanden.

Das hier zu besprechende Werk widmet sich dem gleichen Themenbereich; es greift weiter aus, ist aber immer noch auf einen gut gewählten zeitlichen Abschnitt gerichtet: Die europäische Machtpolitik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts insgesamt ist nicht zuletzt vom überraschenden »renversement des alliances« (1756) gekennzeichnet, der Annäherung Frankreichs unter Ludwig XV. an das von Maria-Theresia regierte habsburgische Österreich. Das hatte fundamentale Auswirkungen auf die politische Rolle »Belgiens«, also der österreichischen südlichen Niederlande, die von einem Schauplatz der Konflikte zu einem Raum der Annäherung wurde, wie Speeckaert formuliert. Speeckaert widmet sich damit einem geographischen und politischen Bereich, der von der deutschen Geschichtswissenschaft nahezu ignoriert wird.2

Sein Buch ist in vorbildlicher Weise übersichtlich strukturiert und besteht aus zwei großen Teilen: In »Construire une relation pacifiée« gibt Speeckaert hauptsächlich einen politikgeschichtlichen Überblick über die österreichischen Niederlande, ihre Bedeutung im Verhältnis zu Frankreich, über das »renversement des alliances« im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg und die Grenzkonstitution zu Frankreich.

Der zweite Teil, der etwas mehr als die Hälfte des Buches einnimmt, widmet sich den diplomatischen Akteuren in Brüssel, beginnend mit den Diplomaten, dann aber auch mit Blick auf Ehefrauen und ihre Freundinnen sowie dem weiteren Personal der Botschaften. Speeckaert geht auf die Organisation der diplomatischen Vertretungen und die Einbindung der Botschafter in den Hof in Brüssel ein. Er schildert die ökonomischen Verbindungen zwischen Frankreich und den österreichischen Niederlanden und den Zusammenhang mit der Diplomatie, bevor er diplomatische Kultur und Praktiken skizziert. In einem letzten, analytischen Kapitel untersucht er die Sprache der französischen Diplomatie und arbeitet Besonderheiten heraus.

Speeckaerts Ausgangsfrage für diese Darstellung war, wie er in der Zusammenfassung (537) schreibt, was die Präsenz französischer Botschafter in den österreichischen Niederlanden, einem nicht souveränen Land bedeutete; etwas anders benennt er seine Leitfrage in der Einleitung (17): »mais comment deux pays-voisins évoluent-ils de relations d’hostilité et de crainte vers une trêve de presque cinquante ans?«. Seine umfassende Darstellung der Politik- und Diplomatiegeschichte kann tatsächlich zur Beantwortung beider Fragen etwas beitragen, indem er die strategische Bedeutung des geographischen Raums für die beiden Mächte Österreich-Habsburg und Frankreich herausarbeitet – einerseits in militärischer Hinsicht als Grenzraum, andererseits als mögliches Tauschobjekt (mit Bayern, 165-170). Dass Souveränität keine Voraussetzung für diplomatische Präsenz war, macht Speeckaert sehr früh deutlich (43), genauso aber, dass das protokollarische Gewicht und die Bedeutung des Zeremoniells von der französischen Regierung auffällig niedrig gewichtet wird. Speeckaert erwähnt zum Vergleich die Lombardei, die mit einem ähnlichen Status innerhalb der Habsburger Monarchie ohne französischen Botschafter blieben. Aus analytischer Sicht wäre eine weitere Durchführung dieses Vergleichs oder auch eine Ausweitung auf Fürstentümer innerhalb des Reichs sicherlich aufschlussreich gewesen.

Insgesamt ist ein wichtiger Vorzug des Buches, sehr quellengestützt zu arbeiten. Das gilt insbesondere für die biographischen Kapitel zu den Botschaftern, zu denen Speeckaert viele Archivalien herangezogen hat: Er fördert nicht zuletzt aus vielen Briefen persönliche Bewertungen der Diplomaten zutage, die teilweise die Grenze zum böswilligen Tratsch deutlich überschreiten. Allerdings zeigt sich in seiner weitgehenden Quellenrecherche auch zugleich eine wenig zielstrebige Art, diese zu nutzen, wenn er z. B. ein Bittgesuch der Tochter eines ehemaligen Sekretärs und Konsul in Ostende aus napoleonischer Zeit schildert, das mit dem eigentlichen Thema des Buches nichts zu tun hat und auch auf die Zeit in Brüssel offenbar nicht rekurriert (305). Dennoch werden in seinem Zugriff die Unterschiede in den Karrieren und im Profil der Botschafter deutlich. Die Hoffnung, Brüssel als Durchgangsstation auf dem Weg zu einem Posten in einer wichtigen Hauptstadt zu nutzen, erfüllte sich nicht für alle Botschafter, insbesondere der (in seinen Fähigkeiten allerdings auch sehr kritisch beurteilte) comte Jean-Balthazar d’Adhémar (Botschafter von 1774 bis 1783) beklagte sich über die nach seinem Empfinden zu lange Verweildauer in Brüssel, sein »Noviziat« ginge nun schon in das vierte Jahr, während andere davon ganz befreit gewesen seien (291). Speeckaert macht deutlich, dass in der Zeit des Außenministers Choiseul (1758 bis 1770) die Bildung eines lothringischen Netzwerks nicht allein mit dessen eigener lothringischen Herkunft und einer Seilschaft zu begründen ist, sondern auch mit Lothringens Position zwischen Frankreich und Österreich, wodurch die Annäherung von Habsburg und Bourbonen erleichtert werden konnte.

Deutlich macht Speeckaert die Vielseitigkeit, mit der die inoffiziellen Praktiken und Wege nicht zuletzt der weiblichen Netzwerke genutzt wurden: von Kontaktanbahnungen und Freundschaften im Heilbad Spa über die Übernahme von Postdiensten bis hin zur Vermittlung in den ständig virulenten Finanzproblemen. Die Kosten eines Botschafterpostens überforderte auch im 18. Jahrhundert die Möglichkeiten der Akteure. In diesem Zusammenhang beschreibt Speeckaert auch ausführlich die Einflussnahmen von Finanziers (441-444) auf politische Entscheidungen. Dennoch werden Militärs und Diplomaten wie der baron de Bon für die Posten bevorzugt, keine Geschäftsleute. Speeckaert stellt die Frage nach den Gründen (445‑446), beantwortet sie aber leider nicht.

Ähnliches wie für die archivalische Quellengrundlage kann für die schönen Bilder gesagt werden, die häufig jedoch nicht über eine hübsche Illustration hinausgehen und nur in seltenen Fällen interpretatorisch ausgewertet werden: Es handelt sich um Porträts nicht nur der Hauptprotagonisten, sondern z. B. auch von Benjamin Franklin, um das Theater von Marie-Antoinette im Petit Trianon etc.; ein Gegenbeispiel ist seine Aufmerksamkeit für die Schreibtische der Gesandten und des Gouverneurs Karl von Lothringen, deren Gestaltung »à la grecque« Speeckaert als Materialisierung eines politischen Ideals interpretiert (471, 478 mit einigen Beispielen in den Abbildungen).

Das Buch zeichnet sich durch einen wirklich umfassenden Blick auf die Organisation der Botschaft, das Personal und sein Personalleben aus. Zu den analytisch überzeugenden Teilen gehört insbesondere das letzte Kapitel zur Sprache (505–536), in dem Speeckaert detailliert Schlüsselworte des Vokabulars aufzählt. Seine Beschreibung einer neuen Rhetorik der Freundschaft, der »tendresse« ist für den Untersuchungszeitraum schlüssig – ob es allerdings eine »neue« Rhetorik ist, ob sie spezifisch für diese Zeit ist, das müssten weitere Untersuchungen zeigen. Theoretische und methodische Anregungen aus französischer und deutscher Geschichtswissenschaft (sofern sie in englischer oder französischer Version vorliegt) nennt Speeckaert bisweilen, insbesondere wenn es um das Zeremoniell geht, nutzt sie aber leider nicht für eine intensivere Analyse. Speeckaert liefert somit eine detaillierte Beschreibung eines gut gewählten Untersuchungsobjekts, mit teilweise sehr interessanten Analysen, die sich allerdings kaum zu einem Ganzen fügen. Ob die schöne titelgebende Metapher eines »diplomatischen Balletts« eine gewisse Berechtigung hat, bleibt also der Phantasie der Leserin oder des Lesers überlassen.

1 Dominique de Lesseps. Un diplomate français à Bruxelles au temps du renversement des alliances (1752-1765), Brüssel 2016; in einer Fußnote (255), nicht aber in der Bibliographie erwähnt.
2 In der österreichischen Historiographie sieht das wegen des Fokus auf Habsburg anders aus. S. Karl Vocelka, Herwig Wolfram, Glanz und Untergang der höfischen Welt: Repräsentation, Reform und Reaktion im Habsburgischen Vielvölkerstaat,1699–1815, Wien 2011, und die von Speeckaert erwähnten Forschungen von Renate Zedinger und Grete Klingenstein; eine deutsche Ausnahme stellt Lothar Schilling mit seiner Biographie zu Kaunitz dar. All diese Forschungen scheint Speeckaert nur dann wirklich zu nutzen, wenn es französische oder englische Versionen gibt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Albert Schirrmeister, Rezension von/compte rendu de: Jean-Charles Speeckaert, Un ballet diplomatique du service de la paix. Les ministres de France à Bruxelles dans la seconde moitié du XVIIIe siècle, Paris (Sorbonne Université Presses) 2023, 592 p., 70 ill. (Collection Roland Mousnier, 79), ISBN 979-10-231-0662-6, EUR 36,00., in: Francia-Recensio 2024/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2024.4.108323