In seiner Münsteraner Habilitationsschrift widmet sich Nils Bock den komplexen finanziellen Verflechtungen zwischen Frankreich, der päpstlichen Kurie und den florentinischen Bankiershäusern um die Wende zum 14. Jahrhundert, im Kern also unter der Herrschaft von König Philipp IV. »dem Schönen« (1285–1314), auch wenn das Handeln seines Vor- und Nachgängers durchaus immer wieder mitthematisiert wird. Bock gelingt es, in einer überzeugenden Synthese die wirtschaftlichen und politischen Dynamiken dieser Zeit zu analysieren und dabei sowohl die Akteure als auch die strukturellen Rahmenbedingungen in den Fokus zu nehmen. Obwohl die spätmittelalterliche Überlieferung der königlichen Rechnungskammer im 18. Jahrhundert in wesentlichen Teilen verbrannt ist, kann er dafür auf eine reiche Sekundärüberlieferung von Verzeichnissen und Kopien, Abrechnungen, Briefen, Verträgen und Denkschriften (Libri memoriales) zurückgreifen. Daneben reichern Chroniken und andere zeitgenössische Berichte sowie reiche kuriale Überlieferungen (etwa die aussagekräftigen Libri obligationum und die Introitusregister) die breite Quellenbasis an.
Das Buch gliedert sich in vier große Kapitel (II. bis V.), gerahmt von einer konzisen Einleitung (I.) und einer knappen Zusammenfassung (VI.).
Kapitel II (»Frankreich. Fiskalität und Herrschaft«) analysiert die Finanzpolitik und Verwaltung der französischen Krone während der Regierungszeit Philipps IV. und beleuchtet die strukturellen Grundlagen der königlichen Einnahmen und Ausgaben. Im Mittelpunkt stehen die Einnahmequellen der Krone, darunter direkte und indirekte Abgaben wie Steuern, Zölle und Einkünfte aus Domänen sowie die Besteuerung des Klerus. Bock zeigt, wie die französische Monarchie in ihrem Streben nach finanzieller Autonomie zunehmend die Kontrolle über Münzprägung und Steuererhebung zentralisierte. Die Verwaltung dieser Ressourcen erfolgte über eine institutionelle Struktur, die sich kontinuierlich weiterentwickelte und mit der Chambre des comptes eine frühe Form moderner Rechnungshöfe schuf. Philipp IV. nutzte diese Ressourcen, um militärische Konflikte wie die Flandernkriege zu finanzieren, was jedoch auch erhebliche Belastungen für die Wirtschaft und die Bevölkerung zur Folge hatte. Die Konflikte mit der Kurie, insbesondere um die Besteuerung des Klerus, verdeutlichen die Spannungen zwischen geistlicher und weltlicher Macht. Bock argumentiert, dass die Finanzpolitik der französischen Krone weniger auf langfristige Nachhaltigkeit als auf kurzfristige politische und militärische Ziele ausgerichtet war, was die strukturelle Instabilität und die Anfälligkeit für Krisen verstärkte. Abschließend wird hervorgehoben, wie die finanziellen und administrativen Maßnahmen Philipps IV. eine Grundlage für die spätere Entwicklung des französischen »Steuerstaats« legten.
Das dritte Kapitel (»Kurie. Das Geld der Christen«) untersucht die Finanzstrukturen und Strategien der päpstlichen Kurie bis 1316, wobei die Einnahmen aus ordentlichen und außerordentlichen Quellen analysiert werden. Zu den ordentlichen Einnahmen zählen Lehnszinsen, Einkünfte aus kirchenstaatlichen Gebieten und der Grafschaft Venaissin sowie diverse Gebühren und Abgaben. Die außerordentlichen Einnahmen umfassen Servitien, Annaten und den Kirchenzehnten, die häufig zur Finanzierung von Kriegszügen und anderen Großprojekten herangezogen wurden. Bock beleuchtet die Abhängigkeit der Kurie von externen Akteuren, insbesondere den florentinischen Bankiers, die die internationalen Finanztransaktionen abwickelten. Dabei zeigt er, dass die Zusammenarbeit mit den Bankiers einerseits eine notwendige Funktion für die Sicherung der päpstlichen Einnahmen darstellte, andererseits aber auch Risiken mit sich brachte, da wirtschaftliche Instabilität oder politische Konflikte die Zahlungsströme gefährden konnten. Ein zentraler Punkt ist die Diskrepanz zwischen den wachsenden finanziellen Bedürfnissen der Kurie und ihrer Fähigkeit, diese nachhaltig zu decken. Die Analyse illustriert, wie die päpstliche Verwaltung zunehmend professionalisiert wurde, um den komplexen Anforderungen einer international operierenden Institution gerecht zu werden.
Kapitel IV (»Florenz. Der Kampf der Häuser«) widmet sich den florentinischen Bankiershäusern und ihrer zentralen Rolle im internationalen Finanzsystem um 1300. Bock zeichnet die Entwicklung dieser Häuser nach, angefangen bei den frühen Handelsnetzwerken bis hin zur Dominanz einzelner Familien wie der Franzesi. Er beschreibt, wie die Bankiers als Kreditgeber sowohl für die französische Krone als auch für die päpstliche Kurie agierten und dadurch erheblichen Einfluss auf politische und wirtschaftliche Entscheidungen erlangten. Die Konkurrenz zwischen den Bankiershäusern führte zu einer Konzentration des Kapitals und schuf ein System, das auf wechselseitiger Abhängigkeit und Vertrauen basierte, jedoch gleichzeitig durch äußere Faktoren wie politische Konflikte fragil war. Ein Höhepunkt des Kapitels ist die Analyse der Zahlungsunfähigkeit und des Konkurses wichtiger Gesellschaften, worin sich die Instabilität des Systems widerspiegelt. Florenz selbst wird als Schauplatz innerer Konflikte geschildert, in denen politische Fraktionen und Bankiershäuser um Macht und Einfluss rangen. Bock betont die duale Funktion der Bankiershäuser als wirtschaftliche Akteure und politische Player, die ihre Interessen geschickt zwischen lokalen und internationalen Ebenen balancierten.
Kapitel V (»Erben«) untersucht die langfristigen Folgen der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen sowie Krisen, die in den vorherigen Kapiteln behandelt wurden. Bock beschreibt, wie sich nach den Zusammenbrüchen wichtiger Bankiershäuser und den strukturellen Schwächen der finanziellen Netzwerke die Strategien der Akteure veränderten. Viele ehemalige Akteure aus der Finanzwelt, darunter Bankiers und Kaufleute, zogen sich auf die Bewirtschaftung ihres Grundbesitzes zurück, was auf eine Rückbesinnung auf traditionellere Formen von Reichtum und Stabilität hindeutet. Gleichzeitig entstanden neue Akteure und Institutionen, die aus den Erfahrungen früherer Generationen lernten und die Finanzpraktiken weiter professionalisierten. Bock legt dar, wie diese Entwicklungen sowohl in Florenz als auch auf der Ebene der französischen Monarchie und der Kurie zu einer stärkeren institutionellen Konzentration und einer höheren Formalisierung führten. Diese Veränderungen bewirkten langfristig eine stärkere Kontrolle und Verwaltung der Finanzströme, was die Grundlagen für modernere Formen von Finanz- und Machtstrukturen legte. Abschließend zeigt das Kapitel, dass die während der Krise entwickelten Lösungen und Reformen zwar nicht alle Probleme lösten, aber wichtige Impulse für die weitere Entwicklung europäischer Finanzsysteme gaben und damit weitreichende historische Folgen hatten.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung (in Deutsch, Englisch und Französisch), den üblichen Verzeichnissen und umfassenden Registern, von denen das Sachregister als nicht selbstverständlich, aber hilfreich besonders hervorgehoben zu werden verdient. Insgesamt bietet Geld und Herrschaft um 1300 eine gründliche Analyse eines spezifischen Kapitels europäischer Wirtschaftsgeschichte einer politikhistorischen Schlüsselzeit. Beides – politische und ökonomische Entwicklung im europäischen Rahmen – wird überzeugend aufeinander bezogen. So beleuchtet Bock die Verflechtung ökonomischer und politischer Entwicklungen und liefert zugleich Einblicke in die Funktionsweise und Schwachstellen historischer Finanzsysteme. Ein sehr lesenswertes Buch.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Hiram Kümper, Rezension von/compte rendu de: Nils Bock, Geld und Herrschaft um 1300. Finanzielle Verflechtungen zwischen Frankreich, der Kurie und Florenz, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2023, 22 s/w Abb., 14 s/w Tab., 398 S. (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte, 257), ISBN 978-3-515-13372-2, EUR 74,00., in: Francia-Recensio 2025/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109364