117 Exponate vermittelten in einer Sonderausstellung (08.03.2024‑17.06.2024) des Musée des beaux-arts in Tours das alltägliche Leben, gesellschaftliche Rollenbilder und Handlungsspielräume der in Westeuropa lebenden Frau. Das 15. Jahrhundert und die Regentschaft Katharinas von Medici (gest. 1589), jedoch ohne Berücksichtigung der Religionskriege, rahmten den Betrachtungszeitraum. Der Austragungsort Tours erscheint als wirtschaftliches und künstlerisches Zentrum sowie aufgrund seiner Strahlkraft in den ländlichen Raum und seinem Palast Plessis‑lès‑Tours ideal. Le sceptre et la quenouille wurde als Erweiterung der 2012 gezeigten Ausstellung Tours 1500 konzipiert: Die historisch wie kunsthistorisch interessante Zeit des epochalen Umbruchs sollte 2024 einzig aus der Perspektive der Frauen dargestellt werden.1 Das Frauenbild dieser Zeit wurde maßgeblich durch zeitgenössische Schriften geprägt, die das Wesen der Frau und ihre gesellschaftliche Stellung thematisierten. Obwohl diese meist von Misogynie durchzogen waren, blieben sie nicht unwidersprochen. Christine de Pizan (gest. um 1429) sah es als ihre Aufgabe, das weibliche Geschlecht in ihren Werken zu verteidigen (siehe Avant‑propos). Die Ausstellung hatte zum Ziel, – sofern die Quellen dies zuließen – die Frauen allumfänglich zu beleuchten und den Faktor Geschlecht nicht primär, sondern im Zusammenspiel mit anderen Kategorien wie Alter und Stand zu betrachten (17).

Die von Elsa Gomez und Aubrée David-Chapy kuratierte Ausstellung fand großen Anklang in der Museumslandschaft Frankreichs und unterhielt Partnerschaften zur Bibliothèque nationale de France, dem Louvre und dem Musée national de la Renaissance. Dies wird anhand der Auswahl der Exponate ersichtlich: Alle ausgestellten Objekte stammen von französischen Leihgebern und Leihgeberinnen und stellen herausragende Stücke aus der damaligen Zeit dar. In den fünf Sektionen zu Ehefrauen, Frauen im Alltag, Frauenbildern, waffentragenden Frauen sowie Regentinnen wurden abwechslungsreiche Ausstellungsstücke wie Pretiosen, alltägliche Gegenstände und Egodokumente präsentiert. Äußerst fruchtbar erscheint der kunsthistorische Schwerpunkt der Ausstellung. So vermittelten Gemälde, Zeichnungen, Siegel und Kunstobjekte ein imaginaire (Jacques Le Goff) der zeitgenössischen Frau. Eine Schwierigkeit stellte die Repräsentation des alltäglichen Lebens von nicht adligen Frauen dar. Danièle Alexandre-Bidon argumentiert, dass viele archäologische Objekte ohne einen entsprechenden Kontext nicht eindeutig maskulin oder feminin zu definieren seien. In alten Ausgrabungspublikationen seien die Frauen aber unterrepräsentiert gewesen, denn Archäologen hätten Fundstücke außerhalb der Sphäre Haus systematisch dem Mann zugeordnet (98–99).

Das Vorhaben, nicht nur adligen Frauen, sondern auch der einfachen Bevölkerung einen Raum zu geben, ist nicht ganz geglückt. Zwar befassen sich die ersten zwei Sektionen mit der rechtlichen Stellung einer verheirateten Frau und ihrem alltäglichen Leben, jedoch stellen die zahlreichen überlieferten Quellen zu adligen Frauen ein Übergewicht dar. Auch die Themenschwerpunkte Bilder, Krieg und Regentschaft wurden durch biblische und historische Persönlichkeiten vermittelt. Gänzlich abwesend ist außerdem die Gruppe der geistlichen Frau. Der Anspruch, den westeuropäischen Raum abzudecken, stößt sich an der vornehmlich französischen oder flandrischen Provenienz der Exponate. Diese Lücke versuchen die Beiträge des Ausstellungskatalogs zu schließen, die in ihren Ausführungen bewusst auf Objekte verweisen, die nicht in der Ausstellung gezeigt wurden.

Der wissenschaftliche Mehrwert der Ausstellung wird spätestens anhand der 15 Beiträge des Ausstellungskatalogs, die unterschiedliche Perspektiven eröffnen und Forschungsansätze vertreten, ersichtlich. Einleitend wird zunächst die Quellenproblematik erörtert: So wurden Quellen mehrheitlich von Männern verschriftlicht, von ihnen erforscht und interpretiert. Dies hat dazu geführt, dass die Frau, entgegen der Quellenlage, lange Zeit kaum Gegenstand der Wissenschaft war (Fanny Cosandey, David Rivaud). Der Frauenalltag wird durch das Ereignis der Eheschließung und Gewaltanwendungen gegen Frauen inner- und außerhalb der Ehe greifbar gemacht. Ganz der aktuellen Gewaltforschung folgend, wird auch die gewalttätige Frau in den Blick genommen (Didier Lett). Anhand verschiedener Berufsfelder wird dem Vorurteil der weiblichen Sphäre Haus und der Bildungsferne entgegengewirkt. Hierbei wird die mittelalterliche und frühneuzeitliche Arbeitsteilung, aber auch die Ausbeutung der Frau als geringverdienende Kraft thematisiert (Danièle Alexandre-Bidon, Nadège Gauffre Fayolle).

Die kunsthistorischen Beiträge haben das Gegenpaar der frommen und verführerischen Frau sowie der Idealisierung Marias am Beispiel der französischen Stundenbücher zum Inhalt (Elsa Gomez, Marion Loiseau). Anhand des Werkes von Jean Cousin le Père wird der Einfluss der humanistischen Aktgemälde auf die Darstellung der Frau aufgezeigt: Obwohl Frauen immer gleich dargestellt wurden, charakterisierten Bildmotive wie die Schlange die thematisierte Frau (Luisa Capodieci). Ebenfalls um 1500 wurde das Motiv der kämpfenden biblischen und antiken Frau wiederentdeckt. Dadurch können Rückschlüsse auf die Lebenswirklichkeiten, wie beispielsweise im Hundertjährigen Krieg, gezogen werden (Laurent Vissière).

Die abschließende Sektion ist den weiblichen Regent- und Herrschaften vorbehalten. Die vielen weiblichen Regentschaften in Frankreich und Burgund des 15. und 16. Jahrhunderts hätten Frauen im höfischen Zeremoniell verankert und die Hofdame idealisiert, so Aubrée David-Chapy (277–279). Die letzten Beiträge untersuchen mithilfe der Heraldik und Sphragistik die weibliche Herrschaftsrepräsentation. Frauen nutzten ihr Wappen und Siegel, um ihre Abstammung und Herrschaftslegitimation zu demonstrieren (Marie-Adélaïde Nielen). Ebenso war die Markierung von Besitz und Dekor durch das eigene Wappen eine Methode, sowohl den öffentlichen als auch den privaten Raum zu beherrschen, wie der Königinnenpalast Plessis-lès-Tours unter Anna von der Bretagne veranschaulicht (Caroline Vrand).

Der hochwertig produzierte Ausstellungskatalog ist mit seinen großflächigen Abbildungen durchaus gelungen und bereichert die Forschungslandschaft. Insbesondere seine Beiträge vermitteln neue Ansätze und Perspektiven über das »être femme« um 1500. Ein Blick in die Bibliographie erhärtet jedoch den Eindruck, den die Exponate vermitteln: Es handelt sich weniger um eine ganzheitliche Darstellung der westeuropäischen laikalen Frau, sondern um eine geographische Schwerpunktsetzung auf Frankreich und Burgund.

1 Erstmalig stellte Joan Kelly-Gadol die Epochengrenze für Frauen in Frage. Vgl. Joan Kelly-Gadol, Did Women Have a Renaissance?, in: Renate Bridenthal, Claudia Koonz (Hg.), Becoming Visible. Women in European History, Boston 1977, 137–164.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Olivia Mayer, Rezension von/compte rendu de: Elsa Gomez, Aubrée David-Chapy (dir.), Le sceptre et la quenouille. Être femme entre Moyen Âge et Renaissance, Paris (In Fine éditions d’art) 2024, 352 p., 240 ill., ISBN 978-2-38203-170-4, EUR 39,00., in: Francia-Recensio 2025/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109372