Olivier Hanne unternimmt in Papes en guerre! La papauté et la violence armée au Moyen Âge einen Parforceritt durch 1200 Jahre Papstgeschichte, beginnend um 300, also anders als im Titel suggeriert noch in der Spätantike, endend um 1500. Das Buch richtet sich offenbar an ein breites Publikum, Forschungskontroversen sucht man darin (fast) vergeblich, Quellen sind ausschließlich in französischer Übersetzung präsentiert, Fußnoten auf das Nötigste reduziert.
Ausweislich der knappen Einleitung, die nur wenige Werke zum Thema nennt, geht es Hanne in seinem Buch darum, den »scandale« und das »mystère irrésolu« der »papes en guerre« (17) aufzudecken. Dies klingt eher nach aufmerksamkeitsheischendem Journalismus, als nach quellenbasierter Geschichtswissenschaft. Unterteilt ist das Buch in fünf chronologische Kapitel, die jeweils zwischen 450 und gut 150 Jahre Papstgeschichte abdecken, wobei Kapitel 4 den kürzesten Zeitraum umfasst (1140–1291) und gleichzeitig das längste Kapitel darstellt (95 Seiten). In jedem der fünf Kapitel nimmt die Ereignisgeschichte breiten Raum ein, weltliche Herrschaft der Päpste wird häufig gleichgesetzt mit Gewaltausübung.
Im ersten Kapitel (zu den Jahren 300–750) werden zunächst Aussagen einiger spätantiker christlicher Autoren zum Krieg zitiert (Tertullian, Ambrosius, Augustinus, Gelasius), die daher wichtig sind, da sie auch in den weiteren Jahrhunderten immer wieder herangezogen wurden. Leider werden im Folgenden nicht systematisch päpstliche Aussagen zu Krieg und Gewalt untersucht, und es wird nicht erörtert, welche Bedeutung die spätantiken Autoren für die Haltung und das Verhalten der späteren Päpste hatten. Thematische Aspekte spielen nur vereinzelt eine Rolle, etwa wenn die mit dem Papsttum im Zusammenhang stehenden Ämter auf ihren Konnex zum Thema Krieg oder Gewaltausübung hin abgeklopft werden.
Im zweiten Kapitel (zu den Jahren 750–980) stehen die Entstehung und Konsolidierung des sogenannten Patrimonium Petri im Zentrum, welche – so Hanne – zur Etatisierung und Militarisierung des Papsttums beitrugen, sowie die Verbindung der Päpste zu den Karolingern und Ottonen. Stellenweise werden hier päpstliche Positionierungen zu Krieg und Gewalt zitiert, wobei die angeführte Forschungsliteratur keineswegs immer auf dem neuesten Stand ist. Nicht französischsprachige Texte kommen sowieso kaum vor, Spezialliteratur sucht man vergeblich, eher werden große Überblickswerke und Lexikonartikel herangezogen.
Das dritte Kapitel (zu den Jahren 980–1140) fokussiert die Rolle der Päpste am Beginn der Kreuzzugsbewegung und zeigt auf, welche Bedeutung die Kirchenreform und die Herausbildung des Lehenswesens diesbezüglich hatten. Betont werden hier der Bedeutungswandel der Begriffe miles und militia sowie die zunehmende Betonung des bellum iustum. Papst Urban II. habe für den ersten Kreuzzug keinerlei militärische oder politische Strategie gehabt und auch die Kreuzfahrer hätten vom Papsttum keine militärische Führung erwartet. Gleichzeitig habe sich aber im Patrimonium Petri ein kleiner Feudalstaat entwickelt, mit dem Papst als militärischem Anführer an der Spitze; allerdings sei seine Armee nicht sonderlich schlagfähig und immer auf die Hilfe der großen Player angewiesen gewesen.
Auch im vierten Kapitel (zu den Jahren 1140–1291) werden immer wieder Quellenstellen herangezogen, die den Papst als Kriegsherr oder militärischen Anführer zeigen; doch fehlt jegliche Quellenkritik. Des Weiteren geht es um die Bezüge zu Krieg und Gewalt in päpstlicher Korrespondenz und im Kirchenrecht und die Bedeutung der Zisterzienser hierfür. Bei den Kreuzzügen des späteren 12. und 13. Jahrhunderts seien die Päpste zudem stärker in die Planungen involviert gewesen, wobei das Engagement auch von Papst zu Papst variieren konnte. Hanne nennt weitere von den Päpsten sanktionierte und mit Ablass belohnte militärische Aktionen (sogenannte »heilige Kriege«) wie die Reconquista oder die Kämpfe gegen die Katharer und schließt das Kapitel mit dem Fazit, dass es im 12. und 13. Jahrhundert zu einer Inflation der Kriegsschauplätze gekommen sei, welche vom Papsttum sanktioniert worden sei und zu einer Militarisierung der römischen Kirche geführt hätte.
Im letzten chronologischen Kapitel (zu den Jahren 1291–1453) wird aus der Militarisierung eine Kriegskultur, die auch das Papsttum erfasst habe. Das Verbot für Kleriker, Waffen zu tragen, sei ad acta gelegt worden, Prälaten und Legaten seien nun Anführer von Armeen und Truppen gewesen, etwa in den Hussitenkriegen. Allgemein sei die Verweltlichung des Papsttums vorangeschritten, das sich kaum noch von anderen Monarchien unterschieden habe.
Im »Épilogue« werden auf knappen sieben Seiten noch einmal die Kernthesen der fünf Kapitel zusammengefasst und anschließend einige Aspekte hervorgehoben, die aufgrund des breiten Raumes, den die ereignisgeschichtlichen Passagen in den einzelnen Kapiteln einnehmen, teilweise etwas untergehen: etwa die theologischen Standpunkte in ihrer historischen Entwicklung (Bedeutung des bellum iustum) oder die Rolle des Papsttums als Friedensstifter.
Insgesamt hätte sich die Rezensentin mehr Systematik in der Vorgehensweise des Autors gewünscht. Wenigstens ein kurzer Forschungsüberblick mit den wichtigsten Kontroversen der vergangenen Jahrzehnte wäre in der Einleitung gut platziert. Die immer wieder aufgegriffenen thematischen Aspekte wären besser zu verstehen, wenn sie in je eigenen Kapiteln über den gesamten Zeitraum untersucht würden. Dass eine breite Quellenkritik aller Primärtexte bei einem solch großen Untersuchungszeitraum nicht zu leisten ist, scheint evident. Allerdings könnte man doch Angaben zu ein oder zwei neueren Forschungen mit Bezug auf die zitierten Quellen in den Fußnoten erwarten, so dass das weitere Arbeiten mit Einzelaspekten des Buchs gewährleistet würde. Auch bei strittigen Begriffen sollten jeweils die wichtigsten Werke der letzten Jahrzehnte genannt werden, idealerweise über den französischsprachigen Raum hinaus. Das Buch ist eine unterhaltsam geschriebene Papstgeschichte zwischen 300 und 1500 mit Schwerpunkt auf politisch-militärischer Ereignisgeschichte, die für Personen ohne tiefere Kenntnisse zum mittelalterlichen Papsttum verständlich bleibt; aufgrund des niedrigen Preises ist das Buch auch für Studierende erschwinglich.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Veronika Unger, Rezension von/compte rendu de: Olivier Hanne, Papes en guerre! La papauté et la violence armée au Moyen Âge, Huningue (Presses universitaires Rhin & Danube) 2023, 376 p. (Collection Histoire), ISBN 978-2-493323-52-1, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2025/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109376