Der vorliegende Band zur 2021 in Leipzig abgehaltenen Tagung stellt den Abschluss des dort angesiedelten DFG-Projekts »Mediation von Herrschaft an den Grenzen Lateineuropas im Spätmittelalter« dar. In seiner Gesamtheit zeigt er die zahlreichen Vorteile, aber auch Fallstricke, bei der vergleichenden Untersuchung von Herrschaftswechseln auf. Seine Quantität von 25 Beiträgen und Kommentaren auf satten 579 Seiten ist beeindruckend. In das Erkenntnisinteresse der Beteiligten führt der Beitrag von Wolfgang Huschner und Sven Jaros (»Rulership – Change – Europe: Approaches to the Core Categories of the Volume«, 1–23) ein. Herrschaft verstehen die Herausgeber und die Herausgeberin als dynamisches Resultat von Aushandlungsprozessen, die besonders in Herrschaftswechseln durch die Offenheit der Situation hervortreten. So sind zentrale Handlungs-, Sicht- und Denkweisen sowie -muster besser erkennbar als in Phasen der bereits etablierten Herrschaft. Als bindende Klammer sollen die Beiträge auf zwei der drei folgenden Kriterien Bezug nehmen: (1) die Rolle von Dynastien, (2) Kontinuitäten und Diskontinuitäten von Machtkonfigurationen sowie (3) Ressourcen und Strategien der Legitimierung.

Mal mehr, mal weniger explizit von diesen Kriterien geleitet, untersucht die breite Mehrheit der Beiträge, die wegen ihrer Anzahl leider nicht alle gesondert behandelt werden können, einzelne oder mehrere Herrschaftswechsel zu jeweils einer Region. Mit einem Fokus auf den »Rändern« Europas weisen die Beiträge eine positiv hervorzuhebende geographische Bandbreite auf, die von den Kanaren im Südwesten über Norwegen im Norden, Sizilien im Süden bis zum Großfürstentum Moskau im Osten reicht und Südost- und Ostmitteleuropa sowie Byzanz umfasst. Vermeintlich fein einsortiert in fünf Themenblöcke (1. »›Reguläre‹ Wechsel I: Innerdynastische Thronfolge«, 2. »›Reguläre‹ Wechsel II: Dynastiewechsel und dynastische Zusammenschlüsse«, 3. »›Erzwungene‹ Wechsel I: Absetzung, Abwahl und Sturz«, 4. »›Erzwungene‹ Wechsel II: Eroberung«, 5. »›Gescheiterte‹ und kurzlebige Wechsel«) eröffnen sie dem Leser oder der Leserin ein buntes, politikgeschichtlich dominiertes Panorama der spätmittelalterlichen Herrschaftswechsel. Viel Platz eingeräumt wird dem Handeln von (zukünftigen) Herrschern, deren Konkurrenten und den gesellschaftlichen »Eliten« der jeweiligen Reiche.

In der Gesamtschau ermöglicht der Band allgemeine Aussagen über das Verhalten der Akteure in Herrschaftswechseln. Die jeweiligen Eliten nutzten während Vakanzen und Konflikten um den Thron nahezu alle entstehenden Freiräume, um ihren Einfluss geltend zu machen oder auszuweiten. Keineswegs zeigen sich Wahl, Idoneität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie oder dergleichen als allein ausschlaggebend für die Erlangung von Herrschaft. Vielmehr wurde die Legitimierung von Fall zu Fall ausgehandelt und die erwähnten Faktoren situativ gewichtet.

Aus der Perspektive des Rezensenten sind besonders die Beiträge interessant, die das lateineuropäische Verhältnis zu nicht-christlichen Kulturen beleuchten. Das ist z. B. im Beitrag zur Rolle der indigenen Eliten während der spanischen Eroberung des Kanarischen Archipels (»Menceyes und Guanartemes: Zur Rolle indigener Eliten bei der Eroberung des Kanarischen Archipels [1402–1496]«, 375–399) von Julia Bühner der Fall. Bühner beleuchtet, wie ein interkulturelles Missverständnis über die gesellschaftliche Stellung indigener Frauen, die mit Eroberern (zwangs-)verheiratet worden waren, zu einer »symbolischen Kontinuität indigener Herrschaft« (395) führte, allerdings nur nach dem Verständnis der Eroberten. Diese Beobachtung zeigt, wie sehr die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen von den jeweiligen Perspektiven geprägt ist, die anhand der in den meisten Beiträgen zu findenden minutiösen Untersuchung politischer Vorgänge aus der Vogelperspektive oft nicht zu fassen sind. In diesem Sinne sticht der Beitrag von Rike Szill (»Schrödinger’s Rule: Making Apparent the Emperor’s Body in 1453«, 401–428) zur Darstellung der osmanischen Eroberung Konstantinopels im Werk des spätbyzantinischen Geschichtsschreibers Doukas hervor. Letzterer lässt offen, ob sich Sultan Mehmed II. wirklich des toten Kaisers bemächtigte oder einem Betrug aufsaß. Auf diese Art stellte Doukas den osmanischen Herrschaftsbeginn in Konstantinopel als defizitär dar. So wirft Szill die Frage nach dem Zeitpunkt für das Ende eines Herrschaftswechsels auf bzw. ob eine Eroberung überhaupt als abgeschlossen gelten kann, wenn das Überleben des Vorgängers, somit dessen Rückkehr nicht ausgeschlossen werden kann und für den Eroberer ein ideelles Anknüpfen an die vorherige (abgeschlossene) Herrschaft nicht möglich ist.

Hinsichtlich seiner Zugänglichkeit macht es der Band den Leserinnen und Lesern wegen seiner Materialflut insgesamt nicht leicht. Einerseits senken Karten und Register, v. a. Abstracts vor jedem Aufsatz und Kommentare nach jedem Themenblock sowie das Resümee die Hürden. Andererseits vermögen diese Hilfestellungen die aus der Anzahl behandelter Herrschaftswechsel und auch aus der Detailverliebtheit mancher Beiträge resultierende Unübersichtlichkeit nicht immer im Sinne des Bandkonzepts zu kanalisieren. Dadurch treten die vergleichenden und konzeptionellen Aspekte gelegentlich in den Hintergrund. Zudem stellt sich die Frage, ob die Unterscheidung nach »regulären« und »irregulären« Herrschaftswechseln sinnvoll ist, zumal auch die Herausgeber und die Herausgeberin die Begriffe eher aus pragmatischen Gründen und nur in Anführungszeichen verwenden. Denn dass eine aus moderner Perspektive unterstellte Regelhaftigkeit keine trennscharfe Unterscheidung mittelalterlicher Herrschaftswechsel zulässt, zeigen verschiedene jüngere Forschungsbeiträge. In diese Richtung deuten auch die Beiträge des Bandes selbst, die die vermeintlich klaren Grenzen zwischen Dynastiewechseln und innerdynastischen Thronfolgen, Eroberungen, Aufständen, Absetzungen etc. ebenso verwischen.

Wenn der Band auch die dekonstruierende Kraft seiner Beiträge nicht in konzeptionelle Bahnen zu lenken vermag, ist die Kritik diesbezüglich allzu einfach, drängt sie sich dem Rezensenten in dieser Deutlichkeit doch erst in Kenntnis der Ergebnisse des Sammelbandes auf. Vielmehr scheint es, als hätten die Kategorien vor ihrer Überwindung zunächst noch einmal angewandt werden müssen, um die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten vorzuführen. Neue Kategorisierungsmöglichkeiten müssen denn auch erst noch entwickelt werden. So ist die vermeintliche Schwäche des Bandes zugleich seine große Stärke: Er gibt zahlreiche Denkanstöße zur Untersuchung von Herrschaftswechseln aus einer vergleichenden Perspektive. Mit seiner Fülle an Fallstudien zu Herrschaftswechseln an den »Rändern« Europas wird er als materielles Fundament, Fundgrube und Inspirationsquelle seinen Teil zur weiteren Erforschung des Gegenstands beitragen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Kilian Baur, Rezension von/compte rendu de: Sven Jaros, Eric Böhme, Marie Ulrike Jaros, Stefan Magnussen, Wolfgang Huschner (Hg.), Changes of Monarchical Rule in the Late Middle Ages. Negotiations – Actors – Ambivalences/Monarchische Herrschaftswechsel des Spätmittelalters. Aushandlungen – Akteure – Ambivalenzen, Berlin, Boston (De Gruyter) 2024, XVIII–579 S., 19 s/w Abb., 26 farb. Abb., 3 Tabellen (Europa im Mittelalter, 44), ISBN 978-3-1112-0102-3, DOI 10.1515/9783111218083, EUR 129,95., in: Francia-Recensio 2025/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109377