Der vorliegende Band, der auf eine 2018 in Limoges abgehaltene Tagung zurückgeht, behandelt eine auf den ersten Blick paradox anmutende Thematik, nämlich den Einfluss der 1542 durch Paul III. gegründeten Römischen Inquisition auf ein Land, Frankreich, das in der frühen Neuzeit grundsätzlich kein Wirkungsfeld ebendieser Inquisition war. Die gewählte Fragestellung ist nicht ganz neu, sondern hat in den letzten Jahren verschiedentlich zu Publikationen geführt, so zum 2012 erschienenen Band Tribunal der Barbaren? Deutschland und die Inquisition in der Frühen Neuzeit, der von Albrecht Burkardt und Gerd Schwerhoff unter Mitwirkung von Dieter R. Bauer zusammengestellt worden ist – Ersterer zeichnet nun, kaum zufällig, auch für die zu besprechende Publikation mitverantwortlich.

In ihrer programmatischen Einleitung (7–39) umreißen die beiden Herausgeber das im Band behandelte Forschungsfeld: Zunächst werden mit dem Comtat Venaissin und dessen Zentrum Avignon, Teilen Flanderns und der Freigrafschaft (Franche-Comté) die Gegenden aufgeführt, die erst im Verlauf der frühen Neuzeit bzw. noch später Frankreich angegliedert wurden und in denen die Inquisition bis zu jenem Zeitpunkt sehr wohl aktiv war. Im Fokus der Publikation stehen aber nicht die – institutionell nicht möglichen – direkten Eingriffe der Inquisition auf französischem Boden, sondern, wie von den Herausgebern formuliert, »osmotische Phänomene« und »Versuche grenzüberschreitender Einflussnahme« (8). Diese beruhten auf dem Selbstverständnis der Kongregation der römischen Inquisition bzw. Kongregation des Heiligen Offiziums sowie deren nachgeborenen Schwester, der Indexkongregation, als »universelle Hüterinnen der Orthodoxie« (9). In dieser Funktion erstreckte sich der Einfluss der beiden Kongregationen in Frankreich über das ganze Ancien Régime hin bis in das 19. Jahrhundert.

Die insgesamt sechzehn Beiträge des Bandes sind in drei chronologischen Blöcken angeordnet, von denen der erste ein langes 17. Jahrhundert abdeckt: Hervé Baudry (43‑59) gibt einen Überblick über die Indexliteratur, die zwei Zweige aufwies: einerseits die Verzeichnisse der verbotenen, andererseits diejenigen der »zu säubernden« Bücher, wobei die entsprechenden römischen Indices durch spanische ergänzt wurden. Interessanterweise wurden diese Zensurverzeichnisse auch außerhalb ihrer Herkunftsländer nachgedruckt, in einem erheblichen Maße in Frankreich, wobei ein Teil dieser Auflagen für den protestantischen Markt bestimmt war. Es ist davon auszugehen, dass die Verzeichnisse in einem protestantischen Umfeld für bibliografische, propagandistische und kontroverstheologische Zwecke »entfremdet« wurden.

In der frühen Neuzeit gehörte es für junge Adelige zum guten Ton, eine Bildungsreise unternommen zu haben, mit Vorliebe nach Deutschland und Italien. Gerade letztere Destination konnte sich als delikat erweisen, da die Inquisition darauf bedacht war, die »Infiltration lutherischer Ideen« zu unterbinden. Der Mitherausgeber Albrecht Burkardt (61–103) präsentiert die Geschichte des jungen Aloyse Grossetiere aus der Region Poitou, der im März 1595 in Rom in die Fänge der Glaubensrichter geriet. Er war von seinem spanischen Sprachlehrer denunziert worden, wobei der Verfasser nach eingehender Prüfung zum Schluss kommt, dass es unsicher ist, ob Grossetiere tatsächlich ein heimlicher Anhänger protestantischer Ideen war. Vielmehr scheint es, dass er eine »kühne Form gallikanischer Überzeugungen« (73) vertrat und damit anstieß. In seiner ausnehmend dichten Fallstudie zieht Burkardt eine Reihe feiner Fäden, die – vom Einzelfall ausgehend – in die »große« Geschichte reichen, indem er Grossetieres Erfahrungen mit der Inquisition im Lichte der durch das Königtum Heinrichs IV. belasteten französisch-römischen Beziehungen sowie des damaligen französisch-spanischen Gegensatzes analysiert.

Französische Romreisende konnten seit dem späten 16. Jahrhundert auf eine einschlägige Reiseführer- bzw. Reiseerzählungsliteratur zurückgreifen, die von François Brizay (105–123) mit Blick auf die Behandlung der Römischen Inquisition exemplarisch betrachtet wird. Er hält dabei fest, dass in einer ersten, bis ins späte 17. Jahrhundert reichenden Phase der Akzent auf den Zwangscharakter der Institution und die von ihr ausgesprochenen Strafen gelegt wird, während die Schriften im darauffolgenden Jahrhundert im Zuge einer gewissen »Banalisierung« der Inquisition (107) eher deren Funktionieren thematisieren. Um die Frage der literarischen Darstellung der Inquisition geht es auch im Beitrag von Jean-François Morin (125–139) zu der 1693 in Rotterdam unter einem Pseudonym erschienenen Histoire des tromperies des prestres et moines de l’Église romaine, als deren Autor der ehemalige französische Weltpriester Gabriel d’Emiliane identifiziert worden ist und die eine scharfe Abrechnung mit der katholischen Kirche und der Inquisition darstellt.

Dass bei aller Kritik die Inquisition auch als Angebot verstanden werden konnte, dessen sich die Zeitgenossen zur Durchsetzung ihrer Anliegen zu bedienen suchten, ruft Albrecht Burkardt (141‑162) in seinem zweiten Beitrag in Erinnerung, in welchem er den Fall eines skandalösen Priesters aus dem Erzbistum Besançon aufrollt, der vom Offizialat seiner Heimdiözese verurteilt und suspendiert worden war und der sich im Dezember 1689 mit einem Revisionsgesuch an das Heilige Officium in Rom wandte.

Der zweite Block des Bandes erstreckt sich chronologisch vom 17. Jahrhundert bis zur Aufklärung. Die Grundthematik, die in diesem Zeitraum das Verhältnis zwischen Rom und Frankreich prägte, ist der Jansenismus, eine innerkatholische Reformbewegung, die u. a. die Bedeutung der göttlichen Gnade für die Erlösung des Menschen unterstrich und die jesuitische Betonung der menschlichen Willensfreiheit kritisierte. Kirchenpolitisch standen die Sympathisanten des Jansenismus, der ab 1642 vom Papsttum als häretisch gebrandmarkt wurde, den päpstlichen Machtansprüchen distanziert gegenüber. Der Verdacht auf Jansenismus bildet denn auch das »Grundrauschen« für einen vom Mitherausgeber Jean-Pascal Gay (165–192) rekonstruierten Konflikt in den Jahren 1697–1701, bei dem sich Pierre-Jean-François Percin de Montgaillard, Bischof der 1790 aufgehobenen südfranzösischen Diözese Saint-Pons-de-Thomières, und die örtlichen Franziskaner-Rekollekten entgegenstanden. Auslöser der Auseinandersetzung war eine Visitation, die der mit dem Jansenismus in Verbindung gebrachte Montgaillard im Konvent der Franziskaner-Rekollekten plante, gegen die sich die Brüder aber heftig zur Wehr setzten.

Die »Echos« des vor allem in Frankreich und in den Habsburgischen Niederlanden verbreiteten Jansenismus sind auch in der Korrespondenz des Heiligen Offiziums zur Buchzensur vernehmbar, da der Verkehr mit Frankreich und dem heutigen Belgien im 17. Jahrhundert – so Bruno Boute (193–223) – rund drei Viertel der ultramontanen Korrespondenz in dieser Angelegenheit ausmachte. Der Verfasser befasst sich insbesondere mit dem 1661 in Gent ausgebrochenen Konflikt zwischen den lokalen Jesuiten, denen zufolge die Angst vor einer Bestrafung eine genügende Voraussetzung für die Absolution war, und dem Genter Pfarrklerus, der auf der inneren Zerknirschung (»contrition«) des Fehlbaren bestand und in der Folge des Jansenismus bezichtigt wurde.

Eine besonders spektakuläre Episode spätjansenistischer »Nachwehen« ist die in Paris in den 1730er-Jahren ausgebrochene »Konvulsionären«-Episode, die im Nachgang zur 1713 wiederholt erfolgten Verurteilung des Jansenismus zu sehen ist. Auslöser der von Paolo Fontana (225–241) thematisierten Ereignisse waren Wunderheilungen und Konvulsionen an dem in der Pariser Pfarrei Saint-Médard gelegenen Grab des 1727 im Ruch der Heiligkeit (zumindest für jansenistische Anhänger) verstorbenen Diakons François de Pâris.

Der letzte Beitrag, in dem der Jansenismus von Bedeutung ist, stammt von Emmanuel Lacam (243–260) und befasst sich mit der Situation im ehemaligen Erzbistum Utrecht. Die niederländischen Katholiken übten ihren Glauben seit der Reformation und dem Bruch mit Spanien im Jahr 1579 sehr diskret, von der Öffentlichkeit abgeschirmt, aus und feierten ihre Messen in Privathäusern – wobei ihre Existenz an sich ein offenes Geheimnis war. Die vom niederländischen Klerus gegenüber dem Jansenismus entwickelten Sympathien störten indes das Verhältnis zu Rom, umso mehr als die Niederlande in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Zufluchtsort für verfolgte französische Jansenisten dienten. Der Bruch der niederländischen Katholiken mit Rom erfolgte in mehreren Etappen seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, wobei die kalvinistische Obrigkeit die Spannungen innerhalb des niederländischen Katholizismus mit Wohlgefallen verfolgte.

Während im Verlauf des 18. Jahrhunderts der Jansenismus in Frankreich weitgehend marginalisiert wurde, bildete sich mit der Aufklärung ein anderes Konfliktfeld heraus, was das Verhältnis mit Rom betraf. In diesem Zusammenhang thematisiert Laurence Macé (261–277) die Rolle der päpstlichen Nuntien in Frankreich als »Relaisstation« für die Kongregationen des Index und des Heiligen Offiziums bei der Verurteilung der Aufklärung.

Der zweite Block schließt mit einer pikanten Affäre, welche die 1592 von César de Bus begründete Kongregation der Priester der christlichen Lehre (Congrégation des pères de la doctrine chrétienne) betraf, einen Priesterorden, der sich der christlichen Unterweisung von Erwachsenen und Kindern verschrieben hatte. Der Gründer verstarb 1607 in Avignon, worauf acht Jahre später das Verfahren zu seiner Heiligsprechung eröffnet wurde. Das Verfahren zog sich hin, bis es 1687 zu einem Stillstand kam. Um das Hindernis auf dem Weg zur Kanonisierung de Bus’ aus dem Weg zu räumen, kam der Generalprokurator der Kongregation im Rom 1696 auf die Idee, die zwischen 1615 und 1620 aufgenommenen Akten des Kanonisierungsprozesses in einem entscheidenden Punkt umschreiben bzw. fälschen zu lassen. Die fromme Mystifikation, die von Christian Renoux (279–312) aufgerollt wird, wurde aufgedeckt, was aber für deren »Mastermind« keine weiteren Folgen zu zeitigen schien. Bei der Wiederaufnahme des Kanonisierungsverfahrens zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Fälschung kein Thema mehr, doch sollte César de Bus bis 1975 auf seine Selig- und bis 2022 auf seine Heiligsprechung warten.

Der abschließende dritte Block des Bandes ist der »nachrevolutionären Wende« zugedacht: Nach der revolutionären Zäsur begann die Wiederherstellung der Inquisition zeitgleich mit der einsetzenden Restauration, ja sie ging der Rückkehr Pius’ VII. nach Rom im Mai 1814 sogar voraus, wie David Armando (315–344) unterstreicht. Nach dem Jansenismus und der Aufklärung wurden nun die durch die Restauration angefachten liberalen Ideen zur Hauptzielscheibe der Heiligen Offiziums. Eine weitere Zielscheibe der Inquisition war der französische Frühsozialismus, wie Philippe Boutry (345–394) am Fallbeispiel der 1834 erschienenen und zwei Jahre später auf den Index gesetzten Schrift Parole de Providence der Fourier-Anhängerin Clarisse Vigoureux (1789–1865) zeigt. Dasselbe Schicksal erlitt 1852 die Theologia dogmatica et moralis des Priesters Louis Bailly (1730–1808). Wie Sylvio Hermann de Franceschi (395–414) schreibt, handelte es sich bei der Indizierung um einen Anachronismus (395), da die gallikanisch geprägte Theologia dogmatica bereits 1789 erstmals erschienen war und in der französischen Priesterausbildung eine anhaltende Rezeption erfahren hatte.

Daniel-Odon Hurel (415–435) vertieft sich in die Rezeptionsgeschichte der »Cité mystique« der spanischen Ordensfrau und Mystikerin Marie d’Agreda (1602–1665) – ein Werk, das nach dem Tod der Urheberin für anhaltende Diskussionen bezüglich seiner Rechtgläubigkeit sorgen sollte. Abschließend präsentiert Luca Sandoni (437–453) den Fall der Principes de 89 et la doctrine catholique, in denen der Verfasser, der Geistliche Léon-Nicolas Godard, Professor für Kirchengeschichte am Großen Seminars von Langres, eine Versöhnung der revolutionären Prinzipien des Jahres 1789 mit dem Katholizismus anstrebte. Das 1861 erschienene Werk erregte Aufsehen und wurde von konservativen katholischen Kreisen in Rom denunziert. In der Folge wurden dem Verfasser umfangreiche »Korrekturen« aufgetragen, die eher an eine Neufassung denken lassen und das ursprüngliche Anliegen Godards arg verfälschten.

Die Beiträge in dem von Albrecht Burkardt und Jean-Pascal Gay herausgegebenen Werk ergeben ein facettenreiches Bild der französisch-römischen Beziehungen zwischen dem ausgehenden 16. Jahrhundert und der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und komplettieren das Wissen um die Hebel, über welche die römische Inquisition in »inquisitionslosen« Gebieten verfügte. Aus den einzelnen Beiträgen wird zudem deutlich, dass die »Hauptfronten« zwischen liberaleren und konservativen Strömungen innerhalb der katholischen Kirche Frankreichs verliefen, wobei Letztere auf ein offenes Ohr in Rom zählen konnten.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Georg Modestin, Rezension von/compte rendu de: Albrecht Burkardt, Jean-Pascal Gay (dir.), L’Inquisition romaine et la France. Juridiction, doctrine et pluralité des catholicismes européens à l’»âge tridentin« (XVe–XIXe siècle), Roma (École française de Rome) 2024, 468 p. (Collection de l’École française de Rome, 611), ISBN 978-2-7283-1595-6, EUR 34,00., in: Francia-Recensio 2025/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109490