Mit seiner Monografie Fragile Families setzt sich Joachim Eibach kein geringeres Ziel als: »to reconstruct the history of the home and the family in the era of middle-class modernity« (12). Seine Forschungsfragen und sein Erkenntnisinteresse sind dementsprechend umfangreich. Er interessiert sich für Praktiken der Eheanbahnung, die Beziehungen zwischen den Eheleuten und anderen Familienmitgliedern sowie für »the genesis of separate spheres for men and women, and modern gender roles« (54) zwischen 1750 und 1900.

Eibach behandelt diese Fragen anhand von Egodokumenten von sieben Ehepaaren und einem Gesellen auf Wanderschaft, denen er jeweils ein Kapitel widmet. Dabei überschreitet der Autor nicht nur geografische Räume und mitunter auch Sprachgrenzen, wie am Beispiel der in deutscher und französischer Sprache schreibenden Angehörigen des Berner Patriziats, Henriette Stettler-Herport, sondern bezieht Quellen von Personen verschiedenen Geschlechts und unterschiedlicher sozialer Herkunft mit ein. Allen Protagonisten und Protagonistinnen des Buches ist wiederum ihre Literalität gemein: Selbst der als Vertreter des Schweizer Bauernstandes angekündigte Ulrich Bräker war keineswegs ein typischer Wattwiler Bauer, sondern – wie Eibach selbst anklingen lässt – ein »literary peasant« und ein »unusual, perhaps even […] sensational case« (23). In seinen Schriften (darunter Bräkers Lebensgeschichte, die noch zu dessen Lebzeiten in den 1780er-Jahren publiziert wurde) finden sich unter anderem Verweise auf Shakespeare und Miguel de Cervantes. Schließlich kümmerte sich Bräker noch in anderer Hinsicht um das Bild, das die Nachwelt von ihm erhalten würde. So findet sich in Eibachs Monografie ein (leider undatiertes) Gemälde von Bräker und seiner Gattin Salome Ambühl und eine Zeichnung von deren Haus. Hochqualitative Farbfotografien wie diese machen übrigens auch den optischen Reiz des Buches aus.

Die Differenzierung zwischen den einzelnen Egodokumenten (insbesondere Autobiografien, veröffentlichte und ungedruckte Tagebücher sowie Briefe) ist zwar in Eibachs Monografie durchaus vorhanden, kommt jedoch vereinzelt ein wenig zu kurz. Dies wird insbesondere in jenem Kapitel deutlich, in dem Eibach nach einer langen Reihe von analysierten Tagebucheinträgen den Fokus auf die im Jahr 1909 veröffentlichte Autobiografie Adelheid Popps legt, aus welcher er Popps Kindheits- und Jugendjahre in ihrer Herkunftsfamilie zu rekonstruieren sucht und quasi als Hintergrundfolie Friedrich Engels »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« aus dem Jahr 1845 miteinbezieht. Diese und andere kleine Schwächen des Buches, wie beispielsweise die Angabe, dass in Österreich auch in den späten 1870er- und 1880er-Jahren noch kirchliche Ehegerichte zur Jurisdiktion bei Trennungen von Tisch und Bett zuständig waren,1 seien Eibach jedoch verziehen. Sie werden vielmehr durch die ansonsten ausgesprochen gute und schlüssige Analyse des Autors kompensiert.

Eibachs Monografie ist zuletzt nicht nur ein Werk über die titelgebenden »Fragile Families«, sondern handelt mitunter auch von den Modi der Bewältigung familiärer bzw. ehelicher Krisen. Dies wird auch anhand der vom Autor als Überschrift seiner Schlussfolgerung aufgeworfenen Frage »The Family: Decline or Resilience?« deutlich. Eibach veranschaulicht die Resilienz der von ihm untersuchten Familien im Kontext verschiedentlicher krisenhafter Ereignisse an unterschiedlichen Stellen seines Buches. So erläutert er beispielsweise, wie die Eheleute Beneke zwischen 1805 und 1816 unter anderem die kriegsbedingte Flucht und zeitweise Trennung der Familienmitglieder sowie die (nicht zweifelsfrei sexuellen) Kontakte der Ehepartnerin zu einem anderen Mann bewältigten, und legt dar, wie das Ehepaar Baumgartner ab den 1870er-Jahren (unter der bezeichnenden Unterüberschrift Logbook of a Married Couple in Crisis, 162) einen finanziellen und gesellschaftlichen Abstieg erlebte, von welchem es sich nur langsam, und unter Mithilfe ihrer jeweiligen Herkunftsfamilien erholte. Mehr oder weniger starke Bindungen zu den Herkunftsfamilien lassen sich in fast allen Erzählungen beobachten. Diese reichten von der Zurverfügungstellung von ökonomischem (wie im Falle von Barbara Baumgartner) oder kulturellem Kapital (so am Beispiel der Malerin Paula Becker) bis hin zu emotionaler Unterstützung. Eibach verdeutlicht damit auch, welche Rolle die Eltern der Eheleute sowie mitunter auch deren Geschwister im familiären Leben spielten. Ebenso eröffnen die Egodokumente Einblicke in individuelle Krisen im Leben der Ehepartner und Ehepartnerinnen, beispielsweise, wenn Henriette Stettler-Herport zwischen 1771 und 1789 in ihrem Tagebuch die eigene innere Zerrissenheit zwischen der Erfüllung repräsentativer Verpflichtungen einerseits sowie ihrem Bedürfnis nach Ruhe und dem Wunsch nach mehr Zeit für häusliche Tätigkeiten andererseits adressiert.

Eibachs mikrohistorischer Ansatz ermöglicht es schließlich, weit über den Tellerrand der vermeintlichen Krisenerzählungen hinauszublicken: Der Autor verweist anhand mehrerer Beispiele auf die »multifunctionality of the domestic sphere« (91), zu der auch die (quasi im home office, 91) betriebene Berufsausübung mancher Ehemänner, wie des Anwalts Ferdinand Beneke oder des Pastors Abraham Bruckner, sowie mancher Frauen, wie Adelheid Popp als Wolle und Tuch häkelnde Jugendliche, gehörten. Ebenso spricht der Autor von einer »multifaceted visiting culture« (149), an der Frauen wie Männer teilhatten und die sich im Untersuchungszeitraum vor allem dort beobachten lässt, wo die räumlichen und finanziellen Möglichkeiten hierzu vorhanden waren. Eine solche »visiting culture«, die Eibach unter anderem von einer »actual openness of home and family« (262) sprechen lässt, stünde, so der Autor, im Kontrast zum »conventional view of the bourgeois era as the prototypical era of privacy« (149). Eibach spricht schlussfolgernd sogar von einer »distinct epoch of family history«, welche er in seinem Untersuchungszeitraum verortet, nämlich »the era of open domesticity« (263).

Die um 1900 angesiedelte und in der Sekundärliteratur oftmals aufgegriffene »Krise der Ehe«2 bildet dementsprechend nicht den Mittelpunkt von Eibachs Erzählung. Der Titel Fragile Families hätte daher durchaus, wie auch in der Überschrift des ersten Kapitels, um ein Fragezeichen ergänzt werden können. In seinen Darstellungen gelingt es Eibach, den Lesern und Leserinnen – um ein Zitat desselben aufzugreifen – ein »multifaceted spectrum« des häuslichen Lebens zwischen 1750 und 1900 zu bieten. All diese genannten Aspekte machen Joachim Eibachs Monografie zu einer ausgesprochen gelungenen und lesenswerten Studie, die künftig gewiss einen zentralen Platz unter den Werken zur Analyse ehelicher und familiärer Beziehungen in der Zeit der »bürgerlichen Moderne« innehaben wird.

1 Siehe hierzu ausführlich: Herbert Kalb, Das Eherecht in der Republik Österreich 1918–1978, in: Beiträge zur österreichischen Rechtsgeschichte 2 (2012), 27– 43, hier 29. Und vgl. auch Andrea Griesebner, Isabella Planer, Birgit Dober, Einverständlich versus uneinverständlich. Scheidungsoptionen katholischer Ehepaare 1783–1868, in: Oliver Kühschelm, Elisabeth Loinig (Hg.), Niederösterreich im 19. Jahrhundert, Bd. 2, St. Pölten 2021, 251–282, hier 278.
2 Vgl. u. a. Caroline Arni, Entzweiungen. Die Krise der Ehe um 1900, Köln/Weimar/Wien 2004, sowie Christa Putz, Verordnete Lust, Bielefeld 2011, 123–153.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Stephanie Rieder-Zagkla, Rezension von/compte rendu de: Joachim Eibach, Fragile Families. Marriage and Domestic Life in the Age of Bourgeois Modernity (1750–1900), Berlin, Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2023, 293 p., 7 fig., 16 col. fig., 1 tab., ISBN 978-3-11-108170-0, DOI 10.1515/9783111081700, EUR 79,95., in: Francia-Recensio 2025/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109491