Was heißt es, im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts seinem Fürsten zu dienen? Und was bedeutet dies insbesondere im Kontext eines Bürgerkrieges? Diese Fragen stellt der von Matthieu Gellard, Bertrand Haan und Jérémie Foa herausgegebene Sammelband Servir le prince en temps de guerre civile. Dans l’Europe des XVIe et XVIIe siècles.
Der Band beginnt mit einer Einleitung der drei Herausgeber, in der die Leitfragen des Buches konkretisiert werden. Hier geht es etwa um die verschiedenen Formen, die der Dienst annehmen konnte, um die Frage, wem man dienen sollte (was gerade in Bürgerkriegssituationen ja strittig sein konnte), oder um die Entlohnung treuer Dienste durch den Fürsten.
Die Beiträge des Bandes sind in vier Gruppen zusammengefasst. Die erste widmet sich den Beziehungsgefügen im Kontext des Fürstendienstes. Nicolas Schapira befasst sich mit Jules Gassot, dem Sekretär des Staatssekretärs Villeroy zur Zeit Heinrichs III.; Gassot verfasste aufgrund seiner Erfahrung als Sekretär auch historiografische Werke. Claire Gantet untersucht die Fragen von Dienst und Treue im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation in Bezug auf den Dreißigjährigen Krieg; dabei zeigt sie anhand der Beispiele Ernst von Mansfelds und Albrecht von Wallensteins auf, wie solche Dienstbeziehungen in ein Spannungsfeld verschiedener Instanzen wie dem Kaiser oder der Idee des Vaterlands eingebettet waren (45). Stéphane Haffemeyer stellt dar, wie im England des frühen 17. Jahrhunderts die Aktivitäten des Intellektuellen Samuel Hartlib zur Entstehung des Anzeigenwesens in der Presse beitrugen. Indravati Félicité untersucht die Komplexität der Beziehungen im Heiligen Römischen Reich im 17. Jahrhundert anhand der Beispiele des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin und der Reichsstadt Hamburg.
Die zweite Gruppe von Aufsätzen nimmt konkurrierende Dienstbeziehungen in den Blick. Ariane Boltanski untersucht die Aktivitäten katholischer Adliger im Languedoc in den 1620er‑Jahren, die auf eigene Faust die Missionstätigkeit katholischer Orden in ihrer Heimatregion förderten. Éric Durot betrachtet die Vielschichtigkeit der Tätigkeiten mehrerer protestantischer Schotten, die im Frankreich der beginnenden Religionskriege Karriere machten. Philippe Hamon nimmt eine europaweite Perspektive ein und versucht zu rekonstruieren, welche Formen der Fürstendienst der Landbevölkerung in Konfliktsituationen im Europa der Frühen Neuzeit annehmen konnte. Géza Pálffy und Ferenc Tóth untersuchen das Verhältnis der ungarischen Adligen zu den habsburgischen Monarchen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert. Dabei grenzen sie sich, wie sie erläutern, von einer älteren Richtung der ungarischen Geschichtsschreibung ab, die diese Epoche als Zeit eines nationalen Freiheitskampfes interpretiert hatte, und betonen vielmehr die Kompromisse, die die ungarischen Adligen mit der Monarchie schlossen (131–132).
Die dritte Gruppe von Texten ist mit »La force des engagements« überschrieben, widmet sich also dem Eigengewicht, das Dienstverpflichtungen entwickeln konnten. Mark Greengrass und Thierry Rentet nehmen die Probleme in den Blick, mit denen Bertrand-Raimbaud de Simiane de Gordes in seiner Eigenschaft als »lieutenant général du roi« des Dauphiné in den Jahren 1565 und 1566 konfrontiert war. Gordes hatte die delikate Aufgabe, den prekären Frieden zwischen Katholiken und Protestanten in seiner Region aufrechtzuerhalten. James B. Collins untersucht in seinem Beitrag eine ideengeschichtliche Frage: Er fragt danach, wie die praktische Erfahrung in die politische Philosophie von Denkern wie Jean Bodin und Guy Coquille eingegangen ist und bringt dies mit dem Umstand in Verbindung, dass diese Denker Anwälte und somit geübt darin waren, eine Position in Form eines Plädoyers zu vertreten. Olivier Poncet zeichnet die Entwicklung eines der wichtigsten französischen Staatsämter der Frühen Neuzeit, nämlich des Kanzlers von Frankreich, während des 16. Jahrhunderts nach. Die Position des Kanzlers wandelte sich in diesem Zeitraum, indem nämlich die Entlassung von Kanzlern außer Gebrauch kam, womit das Amt auf Lebenszeit vergeben wurde; dadurch, so Poncets Interpretation, wuchs dem Kanzler die symbolische Funktion der Verkörperung der Kontinuität der Monarchie zu (193). Camille Desenclos stellt dar, welche Auswirkungen der Übergang des französischen Throns von Heinrich III. auf Heinrich IV. für die französischen Diplomaten im Heiligen Römischen Reich hatte: Hugenottische Agenten, die bisher dem oppositionellen Heinrich von Navarra gedient hatten, wurden mit dessen Wandlung zum französischen König Heinrich IV. in den offiziellen diplomatischen Dienst Frankreichs integriert. José Manuel Díaz Blanco und Bruno de la Serna Nasser untersuchen das komplexe Verhältnis zwischen der spanischen Monarchie und dem Consulado de Cargadores a Indias, der Korporation der Kaufleute, die den Handel mit Spanisch-Amerika betrieben.
Die vierte Gruppe von Texten ist der Analyse der Unsicherheit in Bürgerkriegssituationen gewidmet. Michel Nassiet nimmt die Situation in der Bretagne während des Bürgerkriegs am Ende des 15. Jahrhunderts in den Blick. Mario Rizzo untersucht die Strategien lombardischer Adliger in den Italienkriegen an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert; er kann dabei herausarbeiten, dass nicht wenige Mitglieder der lombardischen Eliten pragmatisch die Seiten wechselten, je nachdem, wie sich das Kriegsglück in den Kämpfen zwischen Franzosen und Spaniern wendete, und so die Position ihrer Familien sicherten (255). Pierre-Jean Souriac untersucht die Bemühungen von Bernard de Vabres in den Jahren 1561 und 1562, in seiner Eigenschaft als Seneschall von Toulouse dort den prekären Frieden der Konfessionen zu wahren. Vabres bezahlte dafür einen hohen Preis: Katholische Eiferer strengten vor dem Parlament von Toulouse einen Prozess gegen ihn an, da sie ihn verdächtigten, mit den Protestanten zu sympathisieren. Wie Souriac urteilt, endete damit die vielversprechende Karriere des jungen Vabres (273). Fabrice Micallef stellt dar, wie die Diplomaten Heinrichs IV. zwischen 1598 und 1610 mit den Angeboten von Exilanten umgingen, in die Dienste der französischen Monarchie zu treten, und wie sie dabei versuchten, zwischen denjenigen, die wirklich nutzbringende Angebote zu machen hatten, und denjenigen, die lediglich in hochstaplerischer Absicht Geld bekommen wollten, zu unterscheiden. Marie-Karine Schaub widmet sich in ihrem Beitrag der Zeit der Wirren in Russland (1598–1613) und stellt dar, wie der erste falsche Dmitrij geschickt die russischen Eliten auf seine Seite ziehen und den Zarenthron besteigen konnte – auch wenn er nach etwa einem Jahr an der Macht einem Mordkomplott zum Opfer fiel.
Das Schlusswort von Nicolas Le Roux fasst noch einmal einige Kernthemen des Bandes zusammen, etwa die Frage, ob man dem Fürsten als Person oder dem Staat als abstrakter Einheit diente.
Der Band zeigt die Vielgestaltigkeit, die der Fürstendienst im frühneuzeitlichen Europa annehmen konnte, und nimmt die spezifischen Probleme in den Blick, die sich dabei in Bürgerkriegssituationen ergaben. Der Band wird für eine Vielzahl gerade politik- und adelsgeschichtlicher Fragestellungen eine nützliche Hilfestellung sein.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Christian Kühner, Rezension von/compte rendu de: Matthieu Gellard, Bertrand Haan, Jérémie Foa (dir.), Servir le prince en temps de guerre civile. Dans l’Europe des XVIe et XVIIe siècles, Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2023, 320 p. (Histoire), ISBN 978-2-7535-9323-7, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2025/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109495





