Der Soldatentod hat in der französischen Geschichte eine besondere kulturelle und symbolische Bedeutung. Hierfür steht sinnbildlich die berühmte, angeblich bei Waterloo geäußerte Sentenz »Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht!«. Frankreich ist im kollektiven Gedächtnis Europas aber nicht nur durch Beispiele für den heroisierten Tod bekannt, sondern wird auch mit spezifischen Formen des Gefallenengedenkens identifiziert, wie etwa die Kriegsgräberstätten mit ihren endlos wirkenden Reihen weißer Kreuze oder den speziellen Rechtsstatus »mort pour la France«. Kein anderes Land scheint so eng mit den vielen Facetten des Soldatentods verbunden – und sei es, weil die Schlachten etwa des Ersten Weltkrieges auf französischem Boden ausgetragen wurden.

Der kanadische Historiker Ian Germani, emeritierter Professor der Universität in Regina (Saskatchewan) mit Schwerpunkt auf den französischen Revolutionskriegen, nimmt in seiner Monographie diese besondere Verbindung in den Blick. In neun Fallstudien analysiert er 500 Jahre französischer Militärgeschichte – von den italienischen Kriegen der Renaissance bis zum Algerienkrieg im 20. Jahrhundert. Diese lange Perspektive stellt hohe Ansprüche an den Autor, denn sie verlangt, mit einem sich stark wandelnden Quellenmaterial umzugehen und sehr unterschiedliche militärische und gesellschaftliche Kontexte zu betrachten. Germanis Kernfrage lautet: Wie veränderten sich die Erfahrungen und Bedeutungen des patriotischen Soldatentods im Laufe der Jahrhunderte? Mit dieser Herangehensweise reiht sich das Werk in die Reihe neuerer Studien zur Kulturgeschichte der Gewalt ein. Seine zentrale These: Während der Soldatentod früher als kollektive nationale Pflicht gesehen wurde, ist er seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend zu einer privaten Tragödie der betroffenen Familien geworden.

Methodisch knüpft Ian Germani an klassische militärgeschichtliche Arbeiten von André Corvisier, John Keegan, Yuval Harari und Hervé Drévillon seit den 1970er-Jahren an. Er macht drei Zeitabschnitte aus: Von der Renaissance bis zur Französischen Revolution (Kapitel 1–3) sei das aristokratische Ideal des ehrenvollen Todes durch die Herausbildung moderner Staatlichkeit und gesellschaftliche und technische Modernisierungstendenzen herausgefordert worden. Ehre als Motivator für den Tod im Kampf sei durch den absolutistischen Staat für seine Bedürfnisse adaptiert worden. Die Revolutionskriege hätten Vaterlandsliebe als Grund des Soldatentods eingebracht, wobei sich das volle Potential der Idee erst im Zeitraum von 1815 bis 1918 entfaltet habe (Kapitel 4–6). Im langen 19. Jahrhundert seien Kriege immer zerstörerischer geworden, so dass das Ideal des Opfertodes für das Vaterland nach der Erfahrung des massenhaften Sterbens im Ersten Weltkrieg nach 1918 in eine tiefe Krise geriet. Vorstellungen des patriotischen Soldatentods blieben in Frankreich in manchen Teilen der Gesellschaft wichtig, hatten aber keine universelle Geltung mehr (Kapitel 7–9). Die Kapitel sind gleichmäßig aufgebaut und beginnen jeweils mit einer erzählerisch gestalteten Beschreibung eines für eine Zeitperiode besonders aufschlussreichen Soldatentodes, der als Ausgangspunkt für weiterführende Betrachtungen und Kontextualisierungen dient.

Die Studie greift unter anderem die These Hervé Drévillons auf, dass der Tod im Kampf lange Zeit als das geringere Übel galt – insbesondere im Vergleich zu häufigeren und oft qualvolleren Todesarten wie denen durch epidemische Krankheiten, Hunger oder die endemische Gewalt auch in der »Zivilgesellschaft«. Mit dem Rückgang solcher Risiken und der bis etwa 1900 deutlich gestiegenen Lebenserwartung erschienen die Verluste des Ersten Weltkriegs umso schrecklicher. Gleichzeitig wandelte sich die mediale Darstellung des Krieges, was die Wahrnehmung des Soldatentods zusätzlich beeinflusste.

Germanis Ergebnisse dürften Spezialisten und Spezialistinnen der jeweiligen Epochen nicht grundlegend überraschen, doch sie bieten wertvolle Kontextualisierungen und Verknüpfungen. Zu den Stärken der Arbeit gehört, dass Germani eine reichhaltige Fundgrube an Zitaten und Bildquellen zum Verhältnis zum Soldatentod ausbreitet und analysiert. Besonders eindrücklich sind Beispiele für den Kult um den Tod des einfachen Soldaten während der Revolutionskriege, was wenig verwunderlich ist, da Germani für diesen Zeitraum Experte ist. Germani zitiert beispielsweise propagandistische Quellen, welche groteske Handlungen erzählen. Etwa von einem Grenadier, der mit einem Korkenzieher eine Kugel aus der eigenen Brust zieht, um auf den Feind zu schießen oder einem Artilleristen, dem eine Kanonenkugel den Unterkiefer weggeschossen hat, der aber trotzdem patriotische Reden halten kann (109). Die jakobinische Propaganda erzählte von fanatischer Vaterlandsliebe und von Soldaten, die, angestachelt vom Hass auf den Feind, jeden Selbsterhaltungsinstinkt überwunden und sogar gesellschaftliche Tabus wie Suizid aus diesen höheren Idealen überschritten hätten. Erst in den letzten Kapiteln weitet Germani seine Untersuchung auf Kolonien und Kolonialsoldaten aus. Am Beispiel afrikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg zeigt er, wie die Kolonialmacht zunächst den Soldatentod als Gegenleistung für zivilisatorischen Fortschritt verstand. Doch die Kolonisierten kehrten dieses Narrativ später um, indem sie Gegenleistungen für die Blutschuld des Mutterlands einforderten.

Dying for France ist zugänglich geschrieben, nur das Stilmittel der erzählerisch gestalteten Einleitungen der neun Kapitel mit teilweise stakkatoartigen Sätzen, die wohl Tempo und Spannung aufbauen sollen, funktioniert nicht durchgehend – so zumindest ein persönlicher Eindruck. Der page-turner-Stil nutzt sich schnell ab und passt nicht recht zur sachlichen Analyse und dem letztlich sperrigen Thema. Schließlich geht es in der Studie zentral darum, wie der Soldatentod im Laufe der Jahrhunderte erzählt wurde, eine Frage, die eine Metadiskussion naheliegend erscheinen lässt, in welcher Form er in wissenschaftlichen Arbeiten erzählt werden kann und sollte. Die Beschreibung des Ersten Weltkriegs als »holocaust of youth« (323) erscheint deplatziert, da hier historische Ereignisse mit unterschiedlichen Dimensionen und Bedeutungen vermischt werden.

Germanis Argumentation ist insgesamt überzeugend, lediglich bei der Forschungsdiskussion fällt eine Lücke auf. Gerade da Soldatentod-Studien mit einem vergleichbar weit gefassten Untersuchungszeitraum selten sind, ist es schade, dass der wesentliche deutschsprachige Beitrag zur Debatte von Germani nicht herangezogen wurde.1 Dieser ist zum Vergleich interessant, da er nicht chronologisch, sondern nach epochenübergreifenden Querschnittsthemen wie Materialität, Narrativität, Praktiken und Hierarchisierungen gegliedert ist und vielleicht noch den ein oder anderen interessanten Impuls gegeben hätte.

Was bedeutete es also, für Frankreich zu sterben? Germanis Ergebnisse werden Spezialisten und Spezialistinnen der betreffenden Epochen nicht grundsätzlich überraschen. Die Antworten, die Germani mit beeindruckender Tiefenschärfe liefert, zeichnen ein differenziertes Bild vom Wandel der Erfahrungen und der Sinnzusammenhänge. Dying for France lädt dazu ein, über die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen des Soldatentods nachzudenken – eine Reflexion, die nicht nur Historiker und Historikerinnen, sondern auch einem breiteren Publikum Denkanstöße bieten kann. Schließlich rückt der massenhafte Soldatentod, anders als bei Redaktionsschluss von Germanis Studie abzusehen, mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine dem Erwartungshorizont wieder näher. Als Synthese hat Dying for France einen erheblichen Mehrwert.

1 Martin Clauss, Ansgar Reiß, Stefanie Rüther (Hg.), Vom Umgang mit den Toten. Sterben im Krieg von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2019.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Leonard Dorn, Rezension von/compte rendu de: Ian Germani, Dying for France. Experiencing and Representing the Soldier’s Death, 1500–2000, Montréal, QC (McGill-Queen’s University Press) 2023, 520 S., ISBN 978-0-228-01635-9, CAD 95,00., in: Francia-Recensio 2025/1, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109738