Im September 2023 öffnete die neue Dauerausstellung Hitler und der Obersalzberg. Idyll und Verbrechen der Dokumentation Obersalzberg ihre Pforten. Verantwortet wird sie vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ), in dessen Auftrag Sven Keller, Albert A. Feiber und Sebastian Peters die Ausstellung unter Mitarbeit der Kuratorinnen und Kuratoren Anna Greithanner, Mathias Irlinger und Susanne Maslanka herausgegeben haben. Nicht nur in neuem Gewand, sondern auch in einem eigens errichteten Neubau löste die Ausstellung ihre 1999 eröffnete Vorgängerin ab. Diese war nicht nur ein wenig in die Jahre gekommen, sie bot vor allem nicht genug Kapazität, um der hohen Anzahl der Besuchenden gerecht zu werden. Denn, so die Ausstellungsmacherinnen und -macher, »die meisten, die im Berchtesgadener Land Urlaub machen, haben [den Obersalzberg, J. S.] auf der Ausflugsagenda« (5). Gerade aufgrund der starken Anziehung, die der Berg bis heute ausübt – für Touristinnen und Touristen, historisch Interessierte und Faszinierte, sowie für Ewiggestrige und Neurechte –, sei es notwendig ein »Bewusstsein für die Bedeutung des historischen Ortes« (7) zu schaffen und ihm sein mythisch auferlegtes Gepräge zu nehmen.

Parallel zur Ausstellung publizierten die Herausgeber einen Ausstellungskatalog, der im Folgenden thematisiert wird. Hierbei ergibt sich die Herausforderung, dass für die Beurteilung des Kataloges, auch dessen Rezipientinnen und Rezipienten ein relevantes Kriterium darstellen, und also die Adressatinnen und Adressaten der Ausstellung nicht gänzlich außer Acht gelassen werden dürfen. Da das IfZ von der Vorgängerausstellung keinen Katalog im eigentlichen Sinne publiziert hatte, auf den vergleichend Bezug genommen werden könnte, streift diese Rezension immer wieder die Konzeption der Ausstellung(en).1 Dennoch stellt dieser Text keine Rezension der neuen Dauerausstellung dar, sie beruht allein auf dem vorliegenden Band.

Gezielte nationalsozialistische Propagandakampagnen ließen die Wahrnehmung des Obersalzbergs ab den 1930er-Jahren scheinbar untrennbar mit der Person Adolf Hitlers verschmelzen. Der Diktator inszenierte sich an seinem privaten Wohnort als volksnaher und bodenständiger Staatsmann, als vorgeblich der »einfachen« Bevölkerung zugängliche Privatperson. Der Berg wurde zur Pilgerstätte zahlreicher Deutscher, die »ihrem Führer« nahe sein wollten und erhielt so einen besonderen Stellenwert im »Führerkult« um die Person Hitlers. Gleichzeitig erklärte der nationalsozialistische Propagandaapparat die idyllisch-mächtige Bergwelt des oberbayrischen Alpenlandes als vermeintlich »urdeutschen« Lebensraum und übertrug völkisch-rassische Eigenschaften auf die imposante Berglandschaft.

Jenseits der ideologischen Verklärung war der Obersalzberg aber vor allem ein Herrschaftszentrum, an dem Hitler über ein Viertel seiner Amtszeit verbrachte. Nach der Errichtung des großflächig angelegten »Führersperrgebiets« – aufgrund dessen die bisher am Berg wohnenden Menschen ab 1933 zwangsweise ihr Zuhause verlassen mussten – entstand am Obersalzberg nach Berlin der zweite Regierungssitz des NS‑Staates. Sein Zentrum bildete der Berghof. Hier plante Hitler seine Politik, lud wirkmächtig internationale Staatsgäste zu sich ein und traf »zentrale Entscheidungen zu Verfolgung, Krieg und Völkermord« (6).

Mit dem Nebentitel »Idyll und Verbrechen« setzt sich die Ausstellung zum Ziel, diese beiden »nur scheinbare[n] Gegensätze« (6) des historischen Ortes sichtbar zu machen. Der vorliegende Katalog beinhaltet neben der Einleitung fünf an die Ausstellung thematisch angelegte Kapitel, sowie ein sechstes Kapitel zu den Bunkeranlagen, das in seiner Aufmachung ein wenig aus der Reihe tanzt. Abschließend kommen im Kapitel „Stimmen der Überlebenden“ sieben Überlebende der Shoah zu Wort.

Eingeleitet werden die Kapitel jeweils durch eine Fotocollage, bestehend aus einer während des Nationalsozialismus am Obersalzberg aufgenommenen, die vermeintliche Idylle darstellenden Fotografie und einer die Verbrechen und Auswirkungen des Nationalsozialismus zeigenden Aufnahme. Ein didaktischer Bruch, der das titelgebende Sujet der zugehörigen Ausstellung illustriert und einen roten Faden durch den Katalog legt.

Das Kapitel »Die Bühne Obersalzberg« bietet einen vielfältigen Überblick zum historischen Ort: Es informiert, wie sich der Berg unter Hitler drastisch veränderte und zum Regierungssitz ausgebaut wurde. Zudem skizzieren die Kuratorinnen und Kuratoren mithilfe zahlreicher historischer Aufnahmen der Jahre vor und während des Nationalsozialismus, was den Obersalzberg – Machtzentrale in abgelegener Berglandschaft und zugleich privater Wohnort Hitlers und seiner Getreuen – von anderen NS‑Amtssitzen unterschied. Hierbei wird anhand zeitgenössischer Souvenirs auch auf die Rolle des Obersalzbergs in der Propaganda um Hitler eingegangen und aufgezeigt, inwiefern der Berg durch den nationalsozialistischen Propagandaapparat instrumentalisiert und vermarktet wurde, um den »Führerkult« zu schaffen.

Das Kapitel »›Führer‹, Volk und Sperrgebiet« beleuchtet den Hitler-Tourismus der 1930er-Jahre und beschäftigt sich mit Hitlers unter anderem am Obersalzberg entstandenen Buch Mein Kampf; vor allem jedoch demonstriert es »›Volksgemeinschaft‹ und Verfolgung« anhand verschiedener HJ-Gruppen am und um den Obersalzberg, beziehungsweise anhand biografischer Beispiele Verfolgter. Wenn die Gleichzeitigkeit von Inklusion und Exklusion – zweier zentraler, sich gegenseitig bedingender Säulen des Nationalsozialismus – auf das gesamte Deutsche Reich bezogen kein Novum für die Geschichtswissenschaft darstellt, so schärft dieses Kapitel doch einen neuen Blick auf den bisher zumeist ausschließlich als Täterort verstandenen Obersalzberg und seine Umgebung. Der Berg war nicht nur eine Machtzentrale des Nationalsozialismus, sondern auch ein Ort, an dem Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben wurden und in dessen unmittelbarer Umgebung Verfolgung, Deportation und Ermordung stattfanden.

Im Kapitel »Bergwelt und Weltmacht« zeigt der Katalog gekonnt die Verwobenheit des Obersalzbergs mit weltpolitischen Ereignissen, mit dem Zweiten Weltkrieg und dem nationalsozialistischem Völkermord. So informiert er über die Anfänge der »Achse Berlin-Rom« mit dem Besuch des italienischen Außenministers Graf Galeazzo Ciano im Oktober 1936 am Berghof oder erklärt den Obersalzberg als »Führerhauptquartier«, in dem das »Unternehmen Barbarossa«, der »Rasse-« und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, geplant und organisiert wurde. Einzelne Aspekte des Krieges werden anhand von Biografien Ortsansässiger am Obersalzberg oder in regionalem Zusammenhang stehender Exponate veranschaulicht. Etwa das »Aussehen des Krieges« (82) in der Sowjetunion, welches durch den 1941 von Hitler am Obersalzberg beschlossenen »Kriegsgerichtsbarkeitserlass« entscheidend geprägt wurde. Dieser forderte Wehrmachtssoldaten dazu auf, der sowjetischen »angeblich ideologisch aufgehetzt[en]« (82) Zivilbevölkerung mit brutaler Gewalt entgegenzutreten. Das Kapitel stützt sich nicht zuletzt auf militärische Schriftdokumente und Lagekarten. Leider sind diese wie überhaupt viele der im Katalog abgebildeten Schriftquellen aufgrund der geringen Bildgröße nur mühsam oder gar nicht zu entziffern, wodurch ihr Mehrwert für den Katalog eher illustrierenden statt inhaltlichen Charakters ist.

»Von den vielen NS-Massenverbrechen gibt es kaum eines, das nicht mit dem Obersalzberg verknüpft ist« (94), so der Einleitungstext des vierten Kapitels »Täterort und Tatorte«. Daran anknüpfend werden hier verschiedene nationalsozialistische Verbrechen vorgestellt, die mehr oder weniger eng mit dem Obersalzberg verflochten waren. Die vorgestellten Tatorte stehen somit nicht nur im Zusammenhang mit dem Obersalzberg, die Auswahl geht darüber hinaus und gibt den Besuchenden auch einen umfangreichen Überblick über die nationalsozialistischen Massenmorde. Insbesondere benennen die Kuratorinnen und Kuratoren auch NS-Verbrechen, die häufig außer Acht gelassen werden: die Ermordung großer Teile der Leningrader Stadtbevölkerung durch den gezielt von den Nationalsozialisten herbeigeführten Hungertod während der Blockade der Stadt (1941–1944), der Völkermord an Sintizze und Sinti, an Romnja und Roma sowie die Ermordung kranker oder körperlich beeinträchtigter Menschen.

Das Kapitel »Nach Hitler« schildert das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit am Obersalzberg sowie die weitere Nutzung des Geländes durch die US-amerikanische Armee bis in die 1990er-Jahre. Während das Kapitel durch die Jahrzehnte wandert, schwingt stetig die Gleichzeitigkeit von Verdrängung einerseits und Vermarktung der nationalsozialistischen Vergangenheit durch NS-verherrlichende Souvenirs andererseits mit; hinzu kommt die bis heute andauernde Faszination zahlreicher Besucherinnen und Besucher angesichts der Waldlichtung, auf der einst der Berghof stand. Anhand eines Wegweisers, auf dem Unbekannte »nach 2010« (141) den nicht mehr existierenden Berghof nachträglich ergänzten, wird zaghaft angedeutet, was explizit benannt gehört: Heute noch ist der Obersalzberg Anlaufstelle für die Neue Rechte. Wenn auch Souvenirs mit Berghof-Motiven der Vergangenheit angehören, der Hitler‑Tourismus tut es nicht. Es hätte in der Verantwortung des Lern- und Erinnerungsortes gestanden – spätestens ab dem Moment, in dem ein derart nahe an unserer Gegenwart liegendes Exponat wie das Schild ausgestellt wird, ein so Explizites noch dazu – auch diesen Aspekt »[n]ach Hitler« auszustellen und ihn nicht als Begebenheit vergangener Tage erscheinen zu lassen.

Im letzten Kapitel »Bunker« springt der Katalog inhaltlich nochmal zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Grund hierfür ist die räumliche Abtrennung der zugehörigen Sektion der Ausstellung vor Ort. Das Kapitel liefert Informationen zum unterirdischen Tunnelsystem und zeichnet die Heranziehung ausländischer Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter am und um den Obersalzberg sowie das Bombardement des Ortes durch die Royal Air Force im Frühjahr 1945 nach. Zudem zeigen Abbildungen die heute noch sichtbaren Inschriften auf den Bunkerwänden.

Hitler und der Obersalzberg. Idyll und Verbrechen ist ein überaus gelungener Ausstellungskatalog. Er erfüllt seinen Zweck, Interessierten den Inhalt der zugehörigen Ausstellung in leicht zugänglicher Sprache, übersichtlich strukturiert und zusätzlich in optisch ansprechender Aufmachung vorzustellen. Die wenigen in ihm abgebildeten Fotografien, die nicht einzelne Exponate, sondern Aufnahmen der Ausstellungsräume abbilden, geben einen Eindruck der räumlichen Begebenheiten und wecken Neugier, den Ort zu besuchen. Selbst wenn die abgebildeten Ausstellungstafeln oder -modelle nicht in Gänze zu erfassen sind und teilweise zusätzliche, im Katalog nicht abgedruckte Informationen erahnen lassen, funktioniert das Konzept des Kataloges sehr gut – auch ohne die Ausstellung besichtigt zu haben.

Für die Forschung bringt der Katalog nur bedingt Neues, auch aufgrund der zu klein abgedruckten Exponate; ein zu verschmerzender Umstand angesichts der Tatsache, dass Fachhistorikerinnen und Fachhistoriker nicht die Zielgruppe des Kataloges darstellen. So könnte es ein Desiderat sein, den Katalog für Interessierte wie Forschende in erweiterter Ausgabe mit editierten Quellen zu publizieren. Dennoch bietet der Katalog auch in seiner bisherigen Aufmachung einen guten Überblick zum vorhandenen Quellenbestand: Er bildet eine Vielzahl privater Aufnahmen oder Propagandafotografien Hitlers und seiner Getreuen ab, sowie Dokumente, die den Zweiten Weltkrieg und die Shoah betreffen und am Obersalzberg entstanden waren. Zudem enthält er Darstellungen verschiedener Berghof-Souvenirs – vor wie nach 1945. Nicht zuletzt zeugen Fotografien und Dokumente von der Verfolgung ortsansässiger Opfer der NS-»Rassenideologie« sowie der Ausbeutung am Berg eingesetzter ausländischer Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter.

Der Katalog thematisiert den historischen Ort Obersalzberg und seine Umgebung perspektivreich. Dabei bleibt er bei seinem titelgebenden und ortsgebundenen Thema und verzichtet darauf, sich in großen Zusammenhängen zu verlieren, ohne diese jedoch außer Acht zu lassen. Hierin unterscheidet er sich, und mit ihm die zugehörige Ausstellung, deutlich von der Vorgängerausstellung. Ebenso hervorzuheben ist die Vielschichtigkeit der neuen Ausstellung: Ohne den Obersalzberg als Täterort und die NS-Verfolgungs- und Vernichtungspolitik andernorts, fern vom Alpenidyll des Berghofs zu verkennen, machen Katalog und Ausstellung sichtbar, was bisher zu kurz gekommen ist: Auch am Obersalzberg fand nationalsozialistisch bedingtes Unrecht statt – Zwangsarbeit, Vertreibung der Anwohnerinnen und Anwohner (von denen nur wenige ihren Besitz nach 1945 zurückerhielten) sowie Verfolgung, Deportation und Ermordung von jüdischen Menschen, Sintizze und Sinti, Romnja und Roma sowie Zeuginnen und Zeugen Jehovas in angrenzenden Ortschaften. Den Ausstellungsmacherinnen und -machern ist es gelungen, ein Katalog- und Ausstellungskonzept zu erarbeiten, das Besuchenden mit unterschiedlichem Vorwissen gerecht wird. Dies ist umso erfreulicher, als die Heterogenität der Besuchergruppen in der Dokumentation Obersalzberg aufgrund der eingangs beschriebenen, dem Ort noch immer anhaftende Mythisierung deutlich größer sein dürfte als in Dokumentationszentren andernorts. Die Dokumentation wird dadurch ihrem eigenen Anspruch als Lern- und Erinnerungsort gerecht. Wünschenswert wäre lediglich gewesen, dass sie gerade deshalb auch einen Bogen in die Gegenwart spannt und expliziter über die heute noch bestehende Anziehungskraft des Obersalzbergs für Rechtsextreme informiert.

1 Zur Vorgängerausstellung war anstelle eines klassischen Ausstellungskataloges der lesenswerte Sammelband Die tödliche Utopie erschienen, der erstmalig den Obersalzberg betreffende Forschung in einem Band vereinte und ein breites Publikum adressierte. Aufgrund seines Umfanges von 831 Seiten dürfte er dennoch weniger für Ausstellungsbesuchende als vielmehr für die Geschichtswissenschaft von Interesse gewesen sein. Vgl. Volker Dahm u. a. (Hg.), Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich, München 2016 (7. Auflage).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Julia Späth, Rezension von/compte rendu de: Sebastian Peters, Albert A. Feiber, Sven Keller (Hg.), Hitler und der Obersalzberg. Idyll und Verbrechen. Katalog zur Dauerausstellung der Dokumentation Obersalzberg, München (Verlag Dokumentation Obersalzberg im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin) 2024, 167 S. (Veröffentlichungen des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin zur Dokumentation Obersalzberg), ISBN 978-3-9814052-8-6, EUR 10,00., in: Francia-Recensio 2025/1, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109750