Die lange und wendungsreiche Geschichte Frankreichs auf weniger als 150 Seiten konzise zusammenzufassen, ist eine Herausforderung. Matthias Waechter hat sich dieser Aufgabe für die Überblicksreihe C. H. Beck Wissen angenommen, nachdem er dem deutschen Publikum bereits die französische Geschichte des 20. Jahrhundert in einem Überblickswerk nahegebracht hat. Dafür hatte er allerdings 608 Seiten zur Verfügung!1 Nun also über 1000 Jahre auf 128 Seiten – und man darf gleich zu Beginn verraten, dass das Ergebnis gelungen ist.

Zunächst grenzt Waechter seinen Gegenstand in einer kurzen, zweiteiligen Einleitung ein (6–12). Dabei stellt er zwei Leitmotive vor, die seine Erzählung strukturieren sollen: »(Streben nach) Einheit« und »Expansion«. Diese sieht er als Komplementärbegriffe, die sich gegenseitig beeinflussten, etwa wenn expansive Kriegsführung eine stärkere staatliche Durchdringung des Landes notwendig machte (11). Außerdem widmet er sich der Frage des richtigen Startpunkts für eine Geschichte Frankreichs und löst sie elegant, indem er die verschiedenen Herkunftserzählungen vom Mittelalter über die Schulbücher der Dritten Republik bis zu Fernand Braudel nebeneinanderstellt und so den Konstruktionscharakter der langen Kontinuitätserzählungen zu den Galliern oder gar den Trojanern offenlegt. Er selbst setzt um das Jahr 1000 ein, als sich aus dem zerfallenen Karolingerreich unter den Kapetingern Hugo Capet und Robert II. langsam das französische Königtum zu formen begann – allerdings noch unter dem Namen »roi des francs« (König der Franken).

Das erste inhaltliche Kapitel (12–25) beschäftigt sich mit der Konsolidierung der französischen Monarchie zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert. Waechter beschreibt den Wandel des Königtums von einem princeps inter pares, der die Macht mit mächtigen Regionalfürsten teilen musste, hin zur Vormachtstellung des Königs, der ab dem frühen 13. Jahrhundert als »roi de France« (König Frankreichs) auftrat. In dieser Phase verortet er auch den Beginn der Rivalität mit England sowie des Aufstiegs von Paris zum politischen und symbolischen Zentrum des Landes. Besondere Schwerpunkte setzt Waechter hier bei der Rolle der Religion, speziell der Bedeutung der gregorianischen Reformen sowie beim Rittertum und den Kreuzzügen.

Das folgende Kapitel (26–42) umfasst das Spätmittelalter und den Beginn der frühen Neuzeit. Waechter beschreibt die Phase zwischen dem 14. und dem frühen 17. Jahrhundert als eine krisenhafte Epoche. Ernährungskrisen und die Pest im 14. Jahrhundert stürzten das Land in eine tiefe sozioökonomische Krise, welche durch den Hundertjährigen Krieg und den Bürgerkrieg zwischen Bourguignons und Armagnacs verschärft wurde. Ab 1450 erlebte das Land eine Phase der Blüte, die mit der Ausdehnung und Konsolidierung des Territoriums (ab dem frühen 16. Jahrhundert auch nach Übersee) und dem beginnenden Aufstieg des Bürgertums einherging, bevor Spannungen in der Folge der Reformation neue Konflikte auslösten, vor allem die Bekämpfung des Protestantismus.

Kapitel fünf (42–58) widmet sich dem Absolutismus und der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert. Dabei beschreibt Waechter die finale Zerschlagung protestantischer Machtzentren, die ausgedehnten Kriege Ludwigs XIII. und Ludwig XIV., die Hofkultur von Versailles sowie die parallele Herausbildung des fiscal military state mit einer zunehmend zentralisierten Verwaltung und ausgedehnten Patronage- und Klientelismussystemen. Zugleich zeichnet er die Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit nach, die auf der Basis aufklärerischer Ideen wie Gleichheit und Gedankenfreiheit mehr Einfluss forderte.

Kapitel sechs und sieben betrachten zwei Zeiträume, die traditionell viel Aufmerksamkeit erfahren: Das Age of Revolutions und die Dritte Republik. Kapitel sechs umfasst die Zeit von 1789 bis 1870 (58–89). Ausführlich widmet sich Waechter dabei den einzelnen Phasen der Revolution von 1789 bis 1794, dem Thermidor und der Machtergreifung Napoleon Bonapartes. Deutlich kürzer fallen im Vergleich dazu die Passagen zu Restauration, Julimonarchie, der Revolution von 1848 und dem Zweite Kaiserreich aus. Im anschließenden Kapitel zur Dritten Republik von 1870 bis 1940 (89–108) legt Waechter den Schwerpunkt auf das 19. Jahrhundert: Er beschreibt das republikanische nation-building, die gesellschaftlichen Konflikte im Zuge der Dreyfusaffäre sowie den französischen Imperialismus und dessen Wechselwirkungen mit dem republikanischen Modell. Für die Phase nach 1900 beschränkt er sich auf Ausführungen zum Ersten Weltkrieg und dessen ambivalenter Bilanz für Frankeich sowie der Krise der 1930er-Jahre.

Das vorletzte Kapitel deckt die Phase von 1940 bis 1962 ab (108–121) und behandelt neben dem Zweiten Weltkrieg, Kollaboration und Widerstand die Etablierung der Vierten Republik und die Dekolonialisierungskonflikte Frankreichs, vor allem den Algerienkrieg. Die Doppelzäsur aus dem Ende des französischen Kolonialreichs und der Vierten Republik ist für Waechter auch der Moment, in dem sich die Grundlage des heutigen Frankreichs herausbildet. Dementsprechend ist das letzte Kapitel mit »Entwicklungstendenzen Frankreichs seit dem Ende des Kolonialreichs« überschrieben (121–127). Als solche identifiziert er neben der starken Rolle des Präsidenten ein in zwei Blöcke gespaltenes politisches Spektrum (zunächst Links gegen Rechts, seit den 1980er-Jahren zunehmend prorepublikanische versus rechtsextreme Kräfte) und die zögerliche Europäisierung des Landes.

Das Buch ist von einer temporalen Asymmetrie gekennzeichnet. Die ersten etwa 60 Seiten decken gut 800 Jahre bis zur Französischen Revolution ab, die übrigen 70 Seiten gerade einmal etwa 200 Jahre. Dieser stärkere Fokus auf die jüngere Geschichte hängt vermutlich damit zusammen, dass sich die Reihe an ein breites Publikum richtet, bei dem die neuere Geschichte als Vorgeschichte der Gegenwart tendenziell auf größeres Interesse stößt. Aus diesem Fokus heraus lässt sich auch die Schwerpunktsetzung bei der politischen Ereignisgeschichte und emblematischen Ereignissen wie der Revolution von 1789 erklären, die Waechter aber immer wieder um andere Perspektiven ergänzt. Dabei gelingt es ihm auch, entlang seiner beiden Leitmotive in die Ereignisgeschichte auch argumentative Linien einzuziehen, die Zusammenhänge nicht nur innerhalb der Kapitel, sondern auch zwischen den Epochen sichtbar machen – etwa, indem er die Geschichte des französischen Kolonialismus ab dem 16. Jahrhundert konsequent in seine Erzählung einbindet und die französische Geschichte so in einem globalen Rahmen verortet. Allerdings kann er nicht ganz verhindern, dass manche der beschriebenen Entwicklungen und Prozesse durch die notwendigen Auslassungen zu eindeutig oder zielgerichtet erscheinen. Dennoch liefert der Text einen guten Überblick über die Geschichte Frankreichs, der für ein breites Publikum ebenso geeignet ist wie für universitäre Einführungskurse.

1 Matthias Waechter, Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert, München 2019.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sebastian Petznick, Rezension von/compte rendu de: Matthias Waechter, Geschichte Frankreichs, München (C. H. Beck) 2023, 128 S., ISBN 978-3-406-80046-7, EUR 12,00., in: Francia-Recensio 2025/1, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.1.109757