Dieser Sammelband bietet einen eindrucksvollen Überblick über die Globalgeschichte von Sklaverei. In dem von Paulin Ismard, Benedetta Rossi, Cécile Vidal und Claude Chevaleyre herausgegebenen Band kommen die Koryphäen der Sklavereiforschung zu Wort. Für alle, die bei der Geschichte der Sklaverei an Atlantic slavery denken ist dieses Werk ein must-read. Denn auch wenn der transatlantische Sklavenhandel sicherlich der meiststudierte und prägendste Fall ist, sorgt dieser Sammelband dafür, die Perspektive zu weiten. Im Gegensatz zu Frankreich spielt die Geschichte der Sklaverei in der deutschen Öffentlichkeit nur eine geringe Rolle. Auch wenn aktuelle Forschung oder postkoloniale Initiativen die Geschichte hinter den »Hofmohren« oder die finanziellen Verbindungen von Hamburger oder Bremer Kaufleuten zu Sklavenhändlern aufdecken, ist Sklaverei in Deutschland doch eher ein Phänomen, das anderen Staaten und Epochen zugeschrieben wird. Die hier vorliegende Übersetzung ins Deutsche, die einer besonderen Würdigung bedarf, ist daher umso mehr willkommen.1

Welten der Sklaverei ist unterteilt in die Teile »Situationen«, »Vergleiche« und »Transformationen«. Im ersten Teil werden chronologisch geordnete Situationen auf der Insel Chios (6.‑1. Jahrhundert v. u. Z.), im alten China (5.–2. Jahrhundert v. u. Z.) aber auch in Skandinavien (8. Jahrhundert) oder in Korea (18. Jahrhundert) erläutert. Um diese zahlreichen Beispiele aus der Weltgeschichte ins Gespräch zu bringen, liefert der zweite Teil »Vergleiche« treffende Anknüpfungspunkte wie Freilassung, Körper, Mobilität, Geschlecht oder Widerstand. Die Texte in diesem Teil beleuchten die verschiedenen Situationen und führen generelle Tendenzen vor Augen. Im dritten Teil »Transformation« sind Essays zu großen historischen Trends wie zum Beispiel Kapitalismus, Aufklärung oder den atlantischen Revolutionen zu finden.

Die zahlreichen Schilderungen in diesem Sammelband führen die Zentralität von Sklaverei für die Gegenwart vor Augen. Der Sklaverei ähnliche Arbeitsformen wie Zwangsarbeit oder Menschenhandel sind nach wie vor aktuell. Viele Beiträge zeigen darüber hinaus, wie prägend Sklaverei für Gesellschaften ist. Cécile Vidals Blick in die Geschichte von Städten wie Athen, Rom, Lissabon, Peking, Lima, New Orleans, Rio oder Antananarivo zeigt, wie städtische Sklaverei den urbanen Raum geprägt hat. In vielen westafrikanischen Gesellschaften wie in Mali und Niger hängt heutigen Nachkommen von Versklavten immer noch ein Stigma an. Rassistische Gewalt in post-Sklaverei-Gesellschaften wie den USA ist ebenfalls ein Beleg für die Relevanz der Geschichte der Sklaverei für unsere Gegenwart.

Die größte Stärke dieses Bands, der epochenübergreifende Vergleich, ist möglicherweise auch eine Schwäche. Wie kann mit einer derart breiten Definition von Sklaverei gearbeitet werden? Um einen Eindruck von der Vielschichtigkeit, aber auch begrifflichen Reflexion zu bekommen, ist Orlando Pattersons Beitrag ein guter Einstieg. Patterson und die Herausgeberinnen und Herausgeber arbeiten mit einer graduellen Definition, mit Abstufungen, ähnlich wie Familienähnlichkeiten. Ob schwarze Plantagensklaven und Plantagensklavinnen oder kambodschanische Seesklaven, die von thailändischen Fischereikapitänen auf See festgehalten wurden und bei Protest über Bord geworfen wurden – diese Formen haben alle folgende Elemente: »absolute Herrschaftsbeziehung, Gewalt, natale Entfremdung, Erniedrigung und sozialer Tod« (1110). Diese prototypische Definition ist hilfreich, weil sie keine starre Kategorie bildet. Für die historische, soziologische, aber auch anthropologische Forschung sind die Ähnlichkeiten der Phänomene interessant und wie sich diese auf die Gesellschaften auswirken.

Es ist ein gewagtes Experiment, epochen- und raumübergreifende Vergleiche wie zum Beispiel von Sklaverei in der Antike und im 19. Jahrhundert in Amerika zu unternehmen. Bei aller Globalität fehlen teilweise auch offensichtliche Bezüge zu deutschsprachigen Regionen sowie die Rezeption der Sklavereiforschung in Deutschland, die Michael Zeuske im Vorwort zusammenfasst. Postkoloniale Forschung in Deutschland schließt diese Lücke immer mehr und beschäftigt sich mit Biographien wie dem Hannoveraner Kaufmann Daniel Botefeur, der Sklavenhändler in Afrika war und später Plantagen- und Sklavenbesitzer in Kuba.

Wie lässt sich dieser Sammelband benutzen? Der Sammelband ist das optimale Seminarmaterial für einen Universitätskurs zur Globalgeschichte der Sklaverei. Einzelne Texte wie zum Beispiel von Robin Law und Camille Lefebvre für Westafrika oder M’hamad Oualdi für das Maghreb schaffen es einen Großteil der aktuellen Forschung zu synthetisieren und bieten daher einen guten Einstieg in die regionale Forschung. Der Sammelband dient eher als Nachschlagewerk mit Handbuchcharakter. Trotz der gelungenen Gliederung und anspruchsvollen Koordination ist die schiere Masse an Details und Tiefe erschlagend. In jedem Fall ist das Buch sowohl für die geschichtsinteressierte Öffentlichkeit, als auch für das Fachpublikum ein exzellentes Nachschlagewerk.

1 Paulin Ismard, Benedetta Rossi, Cécile Vidal (Hg.), Les mondes de l’esclavage. Une histoire comparée, Paris (Seuil) 2021.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Robin Frisch, Rezension von/compte rendu de: Paulin Ismard, Benedetta Rossi, Cécile Vidal, Claude Chevaleyre (Hg.), Welten der Sklaverei. Eine vergleichende Geschichte, Berlin (Jacoby & Stuart) 2023, 1192 S., ISBN 978-3-96428-172-2, EUR 78,00., in: Francia-Recensio 2025/2, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.2.110924