Die von Roberto Biolzi vorgelegte Monographie präsentiert Ergebnisse einer 2016 an der Universität Lausanne eingereichten Dissertation zum Krieg, seinen Akteuren und den Finanzen im spätmittelalterlichen Savoyen. Sie stützt sich in erster Linie auf die sehr reichhaltig im Inventar 29 der chambre des comptes von Savoyen im Staatsarchiv Turin überlieferten Konten (Gesamtüberlieferung für 1308–1703), die durch weitere Konten, narrative Texte wie Chroniken und normative Quellen ergänzt werden (Beschreibung 20–29).
Das Zitat im Titel, die Äußerung »J’ay grand envie de veoir assaillir« (ich habe große Lust zu sehen, wie der Angriff stattfindet) legte Jean d’Orville, genannt Cabaret, in seiner zwischen 1417 und 1419 verfassten Chronique de Savoye dem zukünftigen Grafen Amadeus VII. in den Mund. Sie soll 1378 angesichts des bevorstehenden Angriffs der belagerten Burg Beauregard/Ain im Konflikt gegen Eduard II. von Beaujeu gefallen sein. Biolzi zufolge zeigt sie die Unerfahrenheit des jungen Mannes als militärischer Anführer. Dieses Unternehmen, das erfolgreich mit Kapitulation und Lehnseid des Gegners endete, sei für ihn eine Einführung in die Kriegskunst gewesen (16, 82–83).
Am Anfang des Buches, das sich das Ziel setzt, den Beitrag des Krieges und seiner Folgen zu Staatsbildungsprozessen zu verfolgen, steht ein kurzes Vorwort von Bertrand Schnerb. Die Studie gliedert sich in zwei große Teile mit insgesamt elf, von Einleitung und Zusammenfassung umrahmten Kapiteln. Der erste Teil widmet sich den vom Haus Savoyen geführten Kriegen und dem chronologisch-ereignisgeschichtlichen Rahmen. Der zweite Hauptteil untersucht institutionelle, finanzielle und soziale Aspekte der savoyischen Armeen.
Der Autor beschreibt zunächst die Etablierung der wegen ihrer Kontrolle über wichtige Alpenpässe auch als »Portiers des Alpes« bezeichneten Dynastie (11.–13. Jahrhundert). Im zweiten Kapitel (Ende 13.–Mitte 14. Jahrhundert) stehen die Ereignisse der sog. guerre de Septante Ans, des Siebzigjährigen Krieges (mit einer langen Kette regionaler Konflikte) und die savoyische Beteiligung am Hundertjährigen Krieg im Mittelpunkt. Es folgen Erläuterungen zu den Jahren 1352–1355, einer Phase der territorialen Expansion und der Eroberungen (Kap. III). Die darauffolgende Periode, 1355‑1383, unter der Regierung Amadeus’ VI., charakterisiert der Autor als Zeit der »auswärtigen Abenteuer« und inneren Konflikte (Kap. IV). Die Herrschaft des als letzter »Krieger-Fürst« (dernier prince guerrier) bezeichneten Comte Rouge (›Roten Grafen‹) Amadeus VII. (1383–1391, Kap. V) stand im Zeichen von Konflikten. Für seinen Nachfolger, den Grafen und späteren ersten Herzog von Savoyen Amadeus VIII. (Regierungszeit 1393–1439), den zeitweiligen (Gegen)Papst Felix V., wirft Biolzi die Frage auf, ob es sich im Gegensatz dazu um eine besonders friedliche Epoche gehandelt habe (Kap. VI). Das Buch endet mit der im Zeichen militärischer Misserfolge stehenden Regierung Herzog Ludwigs I. (1440–1465). Dieser Endpunkt ergab sich aus der Quellenlage, da für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts nur wenige Militärkonten überliefert sind und aus der Tatsache, dass es in der langen Regierungszeit Karls II. (1504–1553) nicht zur Aufstellung größerer Truppen kam (18).
Nachdem 1388 der Erwerb der Grafschaft Nizza Savoyen bereits einen direkten Zugang zum Mittelmeer verschafft hatte, erreichten seine Territorien beiderseits der Alpen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ihre größte räumliche Ausdehnung. 1416 wurde die zum Reich gehörende Grafschaft Savoyen von Kaiser Sigismund von Luxemburg zum Herzogtum erhoben. 1418 konnten die Herzöge die Besitzungen der Linie Savoyen-Achaia im Piemont endgültig eingliedern. 1424 kam das Gebiet von Genf hinzu, 1427 Vercelli. Damit bestand in demographischer und wirtschaftlicher Hinsicht nahezu ein Gleichgewicht zwischen französischsprachigen und italienischsprachigen Besitzungen – was im heterogenen savoyischen Herrschaftskomplex zu einer starken Bipolarität und erheblichen institutionellen Folgen führte. Chambéry und Turin waren wichtige Herrschaftsmittelpunkte. 1447 verlegte Ludwig I. seinen Hof nach Turin.
Während sich der erste Hauptteil der Studie mit der Bedeutung von Feldzügen und anderen größeren und kleineren militärischen Aktionen, Konflikten mit traditionellen Gegnern und Rivalen (z. B. Dauphiné, Mailand, Montferrat, Genf, mehrere Bischöfe, Adelshäuser der Saluces und der Beaujeu, Freiburg im Üechtland etc.) und der Kooperation mit Verbündeten beschäftigt, stellt der zweite Großabschnitt die institutionelle, finanzielle und sozialgeschichtliche Seite der Militärgeschichte Savoyens und die Entwicklung und praktische Organisation des Militärs als solchem ins Zentrum: Truppenbezahlung, Entwicklung und Reform einer speziellen Militärverwaltung mit Schaffung neuer Institutionen und Ämter wie der trésorerie des guerres, Kurzbiographien einzelner Amtsträger und ihres sozialen Hintergrundes, darunter dem ersten trésorier des guerres Pierre Voisin (1378–1415), dem aus einer Bankiersfamilie stammenden Lombarden Giacomo Garretti (1422–1427) und Ansermet de l’Espine (1431–1444), einem Niederadeligen aus der Region Tarentaise. Ebenfalls behandelt werden die Entwicklung des Söldnerwesens (einschließlich der Rolle und Rezeption des italienischen Modells der condotte), gesetzgeberische Maßnahmen wie der Erlass der bedeutenden Statuta Sabaudiae (1430) unter Amadeus VIII., Befehlsketten und Hierarchien, Ämter wie Marschall, Oberbefehlshaber der Artillerie, châtelains, baillis, Herolde, spezialisierte Handwerker und Büchsenmeister, Militärmusiker, die Organisation der Logistik usw.
Die letzten beiden Kapitel beschäftigen sich mit einer Fülle von Aspekten aus dem Bereich der Finanzgeschichte und dem Profil der Militärangehörigen. Wie wirkte sich der Siebzigjährige Krieg aus? Wie stark belasteten Militär- und Kriegsausgaben die Finanzen und die Bevölkerung? In welchem Umfang wurden dafür direkte und indirekte Steuern erhoben? Über welche finanziellen und militärischen Ressourcen verfügte Savoyen im Vergleich zum zeitgenössischen französischen Königreich und Fürstentümern wie Burgund? Wie entwickelte sich das Verhältnis von traditionellem Lehnsaufgebot, militärischer Dienstpflicht, Freikaufmöglichkeiten und der Anwerbung von Söldnern? Wie veränderte sich im Laufe der Zeit die Bedeutung einzelner Truppengattungen und Akteure (z. B. Ritter, Bogen- und Armbrustschützen, Fußsoldaten, Infanterie), von Ausrüstungsformen und Waffentechnik (v. a. Aufkommen der Artillerie)? Welche Rolle spielten für die Akteure Einnahmen aus Kriegsbeute, Lösegelder und, aus Sicht der Grafen bzw. Herzöge, die Verhinderung von Gewalttaten und Plünderungen gegenüber der eigenen Bevölkerung? Die Darstellung wird durch zahlreiche Tabellen sowie einige Karten und Bildmaterial ergänzt.
Insgesamt gesehen handelt es sich um ein sehr interessantes und materialreiches Buch, das den bisherigen Kenntnisstand zur spätmittelalterlichen Geschichte Savoyens erheblich erweitert. Wegen innerer und äußerer Probleme, der hohen Kosten für militärische Innovationen wie der Artillerie, aber vor allem aufgrund seiner auf lange Sicht sehr stark begrenzten finanziellen Ressourcen, fiel Savoyen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Konkurrenz mit anderen Fürstentümern und vor allem den großen europäischen Monarchien immer mehr zurück. Seine geographische Lage zwischen mehreren Kultur- und Sprachräumen und modernen Staatsgebilden prädestiniert seine Geschichte geradezu für eine komparatistische Vorgehensweise. Besonders aufschlussreich sind hier die vom Autor angestellten Vergleiche mit benachbarten Territorien, Burgund und dem französischen Königreich. Interessant und vertiefenswert wäre auch eine Einbeziehung von Territorien des mittelalterlichen Reiches – und zusätzliche Brückenschläge zur Reichsgeschichte als solcher.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Gisela Naegle, Rezension von/compte rendu de: Roberto Biolzi, »J’ay grand envie de veoir assaillir«. Guerre, guerriers et finances dans les États de Savoie à la fin du Moyen Âge (XIVe–XVe siècle), Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2024, 362 p. (Histoire), ISBN 978-2-7535-9360-2, EUR 26,00., in: Francia-Recensio 2025/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.2.111082