Mit der 2023 erschienenen zweisprachigen Ausgabe La Mort le Roi ArtuDer Tod des König Artus liegt erstmals der letzte Teil des französischen Prosalancelot-Zyklus in deutscher Übersetzung vor. Grundlage für den altfranzösischen Text ist die Edition der Mort le Roi Artu von Jean Frappier, in der dritten Auflage von 1964, die in der mediävistischen Forschung als zuverlässige Textausgabe gilt und hier unverändert abgedruckt wird. Die deutsche Übersetzung von Fritz Peter Knapp erweitert somit die Reihe von bislang vorliegenden französischen und englischen Übersetzungen dieses Werks. Seine umfangreichen Publikationen weisen den Verfasser als Kenner der europäischen Literatur des 13. Jahrhunderts und insbesondere der Artusdichtung aus. Dies spiegelt auch die Einleitung zur Geschichte des Artusstoffs und seinen Bearbeitungen sowie die Einführung zu grundlegenden Aspekten wie Autorschaft und Aufbau, Sprache und Stil, Gattung und Gehalt in der Mort le roi Artu. Die relativ kurze Liste der Forschungsliteratur hätte allerdings für die letzten 20 Jahre aktualisiert werden können. Die Übersetzung ist durchgehend kommentiert. Die fachkundigen Kommentare betreffen die handschriftliche Überlieferung, bieten Erläuterungen zur mittelalterlichen Ritterkultur und Fragen zum Textverständnis, dies auch im Vergleich mit den vom Verfasser konsultierten anderen modernen Übersetzungen und zum mittelhochdeutschen Prosalancelot. Die vielfältigen Kommentare und Erklärungen sind zweifelsohne in der Sache hilfreich, werfen aber auch die Frage auf, für wen sie gedacht sind oder anders gesagt, für welchen Adressatenkreis die kommentierte Übersetzung gemacht wurde. Dazu gibt der Verfasser keinen Hinweis.

Die Übersetzung versteht sich bewusst als wörtliche Wiedergabe (XXXIX). Grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Übertragung sieht der Verfasser in den Bereichen der Namensgebung, Semantik, Syntax und im Tempusgebrauch. Diese wären weiter auf zwei Ebenen zu differenzieren und zu diskutieren: zum einen als Kennzeichen der altfranzösischen Prosa als Literatursprache und zum anderen als grundlegende Probleme diachronen Übersetzens.

Der altfranzösische Prosatext zeichnet sich – wie auch die französische Literatur des Mittelalters – durch eine Tempusalternanz von Präsens und Vergangenheitsformen aus. Knapp argumentiert, durch den unterschiedlichen Einsatz entstünde keine »nennenswerte semantische Differenz« (XXXIX) und übernimmt daher nicht den Wechsel der Tempora; das greift jedoch zu kurz, denn auch wenn sich das Erzählen von vergangenen Ereignissen des présent sowie des passé simple und passé composé bedient, dann doch auch mit unterschiedlichen Funktionen. Wie zum Beispiel Ménard in seiner Darstellung zur altfranzösischen Syntax betont: »Le désir de donner aux événements passés une présence vivante explique la fréquente et oscillante apparition du présent dans des récits écrits au passé«.1 Indem der Verfasser sich entscheidet, in der deutschen Fassung auf die wörtliche Wiedergabe der Tempora zugunsten des Präteritums zu verzichten, macht er gerade diese Funktion und diesen Effekt unsichtbar; es widerspricht auch dem, von Frappier festgestellten, wechselnden bewussten Gebrauch der Tempora in der altfranzösischen Erzählung.2 Die Vereinheitlichung nimmt so eine unnötige Verfremdung vor; nur zum Vergleich sei hier exemplarisch auf die zweisprachige Ausgabe La Mort du roi Arthur der französischen Mediävistin Emmanuèle Baumgartner von 2007 verwiesen, die in ihrer Übersetzung die auch für das moderne Französisch ungewöhnliche Alternanz nachahmt.3

Ebenso wie die vereinheitlichende Wiedergabe der im altfranzösischen Prosaroman alternierenden Tempora tangiert auch die adäquate Wiedergabe des mittelalterlichen Wortschatzes Fragen der Wirkungsäquivalenz. Es ist ein z. T. kaum lösbares Problem, für den Wortschatz der höfischen Adelskultur Entsprechungen in der modernen deutschen Sprache zu finden. Durchgehend gelingt in der vorgelegten Übersetzung indes der semantische Transfer, auch gestützt durch die Sachkommentare.

Allerdings stehen daneben ebenso unnötig archaisierende wie allzu moderne und daher unpassende Formulierungen. Die Sprache in der Mort le roi Artu entspricht dem literarischen Duktus des 13. Jahrhunderts, ist also keineswegs einem altertümlichen Stil verpflichtet. Insofern erscheint der mehrfache Gebrauch von Floskeln und Wendungen wie »just« (z. B.: 67, 125), »darob« (z. B.: 17, 105, 119, 129) in der Übersetzung nicht adäquat. Zu diesen veralteten Redeformen würde ich auch zählen: »Dünkt Euch« (109; afrz.: Ne vos semble il); »Dieses selbigen Tages« (109); »fürderhin« (99, 107). Problematisch ist in dieser Hinsicht auch die Wiedergabe von afrz. oste mit der ursprünglich mittelhochdeutschen Bezeichnung für den Gastbegeber »Wirt« (85) ebenso die Wiedergabe von afrz. fame mit »Weib« (151) oder auch die heute abwertende Verwendung von »Gaul« für afrz. roncin als Bezeichnung für ein kräftiges, auch zu Transportzwecken genutztes Pferd (75 und 193). Zu modern und umgangssprachlich wiederum wirken Formulierungen wie »unter Druck setzte« (17); »lieb sein« (59, 77, 195); »entzückt« (89); »begeistert« (99); »eingebrockt hat« (201); »macht sich aus dem Staub« (207); »er habe jetzt keine Lust« (413); die Übersetzung von haut homme mit »Machthaber« (63) übernimmt eine Bezeichnung aus dem heutigen politischen Diskurs, mit einer zudem negativen Konnotation. Diese hier (ausgewählten) angeführten Beispiele sind sicher im Verhältnis zum umfangreichen Gesamttext nur kleinere Monita, die aber doch in der Lektüre immer wieder irritieren. Dies betrifft auch stilistische Ungeschicklichkeiten oder auch zu wörtliche Wiedergaben, um nur ein Beispiel zu nennen: »sie legten den Ritter in die Erde« (153) übernimmt wörtlich: il mistrent le chevalier en terre; gemeint ist aber, wie aus dem Kontext zu erschließen, dass »beerdigen« gemeint ist, denn der Ritter wird in einem entsprechenden Grab mit Inschrift beigesetzt.

Ohne die Aufzählung kleinteilig fortzusetzen und auf weitere Einzelfälle einzugehen, für die andere Übersetzungen vorzuschlagen wären, bleibt abschließend die Frage, welche Rezipienten die zweisprachige Ausgabe mit Gewinn nutzen könnten und zu welchem Zweck? Die Textausgabe mit Übersetzung und Kommentar dürfte insbesondere germanistischen Mediävistinnen und Mediävisten einen leichteren Lektürezugang zur altfranzösischen Mort le roi Artu eröffnen, unterstützt durch die Texterläuterungen. Im Kontext der zahlreichen Artusstoffbearbeitungen eignet sie sich als Grundlage für weiterführende komparatistische Fragestellungen, wie es sich zum Beispiel für einen Vergleich mit dem mittelhochdeutschen Prosalancelot bzw. dem mittelhochdeutschen Tod des Königs Artus anbietet.

1 Philippe Ménard, Manuel d’ancien français sous la direction d’Yves Lefèvre. 3. Syntaxe, Bordeaux 1968, 64.
2 Jean Frappier, Étude sur la Mort le Roi Artu. Roman du XIIIe siècle. Dernière partie du Lancelot en prose. Troisième édition revue et augmentée, Genève 1972, 380–383.
3 Emmanuèle Baumgartner, Marie-Thérèse de Medeiros (Hg.), La Mort du roi Arthur. Roman publié d’après le manuscrit de Lyon, Palais des Arts 77, complété par le manuscrit BnF n. a. fr. 1119. Édition bilingue. Publication, traduction, présentation et notes, Paris 2007.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Monika Unzeitig, Rezension von/compte rendu de: Fritz Peter Knapp (Hg.), La mort le roi Artu. Der Tod des Königs Artus. Text nach der Ausgabe von Jean Frappier 1964, Stuttgart (Hiersemann) 2023, XLV–421 S., ISBN 978-3-7772-2324-7, EUR 96,00., in: Francia-Recensio 2025/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.2.111100