Der hier vorzustellende Katalog ist ein Beitrag zur Geschichte von Cluny vom ausgehenden Mittelter bis zur Aufhebung der religiösen Orden in Frankreich (4. August 1792). In der Ausstellung und im hier zu besprechenden Begleitband wird diese Entwicklung durch Portraits, Urkunden und Briefe, Handschriften, Druckwerke, Münzen, Medaillen, Wappen und Siegel, sowie Textilien (Tapisserien) und nicht zuletzt Architektur und Mobiliar vorgestellt.

Daniel-Odon Hurel erläutert den Katalog einleitend mit dem Begriff der Kommende in ihrer Bedeutung für den Benediktinerorden und insbesondere Cluny (»La commende, institution méconnue mais essentielle de l’histoire monastique«, 5–25). Damit und durch die konzis bearbeiteten Biografien der Äbte wird deutlich, wie sich in der Geschichte religiöser Orden, die über Personen, deren Status, deren Interessen und Interessengruppen, in die sie eingebunden sind, und die über die im Rahmen ihrer Karrieren generierten gesellschaftspolitischen und ökonomischen Positionen erzählt wird, Verflechtungen abzeichnen. Seit dem hohen Mittelalter spiegeln die Urkunden, die in den Cartularien zu einer nach den für die Gemeinschaft relevanten Gesichtspunkten geordneten schriftlichen »Erinnerung« werden,1 die Geschichte von Cluny als eine davon gezeichnete, ob die Balance zwischen Besitz, Macht und Einfluss gefunden oder nicht gefunden werden kann. Insbesondere sind es hier die Fragen von Einfluss, Immunität und Exemption innerhalb geistlicher wie weltlicher Rechtsgefüge und Strukturen.

Mit dem Konkordat, das zwischen Papst Leo X. und König Francois Ier am 18. August1516 geschlossen wird, gewinnt der Zugriff des Königs auf die Einsetzung der Kommendatar-Äbte in den »pays de concordat (Royaume de France, de même que le Dauphiné)« (9) besonderes Gewicht. Im April 1518 kommt es zum Eklat: Die Mönche von Cluny ignorieren das Konkordat und nutzen die präzisen Vorschriften ihrer Gemeinschaft – sichern sich aber gleichzeitig durch die Präsenz von Notaren und weltlichen Zeugen ab –, und wählen Jean de la Magdeleine (Dr. Iuris et Theologiae). Nicht zuletzt in Graduierung in diesen beiden Disziplinen sieht man spätestens seit Papst Benedikt XII. (1336, Summa magistri Dignatio) im Reformwesen hohes Potential. Jean de la Magdeleine wird sich letztlich aber trotzdem nicht gegen den vom König protegierten Aymar Gouffier de Boisy (Abbé de Cluny 1518–1528) behaupten und nach wenig mehr als vier Wochen resignieren.

Diese Kommendatar-Äbte sind dem Konvent nicht angeschlossen, der Vita regularis nicht unterworfen und leben auch unabhängig vom Konvent. Dennoch sind sie es, die die Geschicke von Cluny maßgeblich fördern, oder eben auch durchaus negativ beeinflussen können, da sie jeweils dem hohen Adel angehörig ihre familiären und ihre auf bereits innehabenden Ämtern basierenden Netzwerke zugunsten Clunys aktivieren können oder auch nicht.

Die Bilder drücken die Geschichte der Kommendataräbte in der ihnen eigenen Sprache aus. Die Darstellungen sind eben nicht nur Ergebnisse der jeweiligen Kunstrichtung, der Fertigkeit eines Malers, sondern in erster Linie ein Ausdruck dessen, wie der Dargestellte sich repräsentiert sehen will. Es seien nur wenige Beispiele herausgegriffen, aus welchen manche bewusst als Akteure im Machtspiel, – »ils ne portent ni la crosse, ni la mitre« (11) sichtbar werden. Aber auch darin steckt Macht, wenn Kardinal Charles de Lorraine als priesterlicher Zeuge des »Roi Thaumaturge« (Henri II touchant les écrouelles après son sacre, 482) und als Kirchenfürst (»héros de la Contre-Réforme«) dargestellt wird (49, Abb. 1571, El Greco; siehe auch Kardinals-Portrait Nr. 22). Emmanuel Théodose de La Tour d’Auvergne (abbé de Cluny 1683–1715) dient nur seiner Eitelkeit; er lässt Étienne Baluze eine Histoire généalogique de la maison d’Auvergne (Paris 1708, 2 Bände) verfassen, in welcher sein Stammbaum bis zum Vater Herzog Wilhelms von Aquitanien, dem Gründer von Cluny, zurückgeführt wird.

Im folgenden kurzen Abschnitt sei kurz auf das Agieren der Kommendataräbte und deren Handlungsspielraum und Agieren hinsichtlich der Position Clunys im Reformdiskurs eingegangen.

Louis de Lorraine (L’abbé guerrier, †1621), zieht es zunächst zum Militär, wenngleich er vom Vater, als dessen dritter Sohn, für die geistliche Laufbahn bestimmt war. 1612 setzt er mit dem General Vikar dom d’Arbuze wesentliche Schritte zur Ordensreform, um das »clunyazensische Profil« gegen die Mauriner und die Mönche von Saint-Vaast zu schärfen.

Jacques de Vény d’Arbouze (dernier abbé regulier, †1629) bemühte sich, eine Union mit Saint-Maur zustande zu bringen, hatte aber nicht das ausreichende intellektuelle Niveau, um den von Richelieu gefassten Plan, der Zusammenführung und der Reform Benediktiner Frankreichs (insb. Saint-Maur, Saint-Vannes und Cluny) umzusetzen.3 Dieses Anliegen wird durch Armand Jean du Plessis de Richelieu (†1642, abbé de Cluny 1629–1642) und Jules Mazarin (abbé de Cluny 1654–1661) intensiviert. 1634 kommt es kurz zu einer Union der Congregation mit Saint-Maur.

Henri-Oswald de La Tour d’Auvergne, abbé (1697 in Rom zum coadjuteur, 1715 abbé de Cluny, †1747) durchläuft im wahrsten Sinne des Wortes eine besondere Karriere – die ihn durch die geistliche Ämterlaufbahn katapultiert. Er initiiert den Umbau des Hôtel de Cluny, rue de l’Université (Architekt Jean Servandoni) und in Cluny selbst. 1728 kommt es zur Lösung des Vorrangstreites; der Abt von Cluny wird als superius anerkannt;4 damit tritt die Ruhe ein, die wissenschaftliche Leistungen ermöglicht, die allgemein in der zeitgenössischen Literatur festgestellt werden.5 In der Folge sind es daher die Liturgica, welchen Aufmerksamkeit gezollt wird; mit dem Privilege du Roy6 »Nous leur avons permis et permettons par ces Presentes de faire imprimer par tel Imprimeur ou Libraire que notre-dit Cousin aura choisi; le Breviaire, Diurnal, Psautier, Office de la Vierge, Propre des Saints et autres Livres à l’usage dudit Ordre de Cluny« kommt es zur Drucklegung des Missale Ad usum ordinis Cluniacensis (1733, Kat. Nr. 64, Abb. S. 74). Auch das Brevier, Graduale, Psalter und Processionale werden revidiert.

Fréderic Jêrôme de La Rochefoucauld (abbé de Cluny 1747–1757) und Dominique de la Rochefoucauld (1712–1800; Abbé 1757–1790), sind höchst einflussreich. Dominique nimmt in den États généraux von 1789 die Funktion des »Président de la chambre du Clergé« ein. Nach der am 4. August 1792 beschlossenen Aufhebung der religiösen Orden flieht er zunächst nach England, dann nach Holland und lässt sich schließlich in Münster nieder.

Die Akteure sind gruppenbiografisch einerseits den »abbées commendataires« zugeordnet; andererseits schreiben sie sich durch ihre individuellen Interessen auch jeweils in andere Gruppen ein, wie sich an Charles de Lorraine (Kat. Nr. 22, Nr. 23, Nr. 24 und Nr. 25) besonders gut zeigen lässt. Durch seinen Buchbesitz, dessen Einbänden er durch sein Wappen seinen Stempel aufdrückt, schreibt er sich in die »Gelehrtenbiographien« des 16. Jahrhunderts ein. Im Frontispiz zu Diodores de Sicile, Bibliothèque historique, rechts hinter dem König stehend, ist er als Mitglied der »gelehrten« Hofgesellschaft ausgewiesen (46)7. Deutlicher noch geschieht die Zuschreibung, die er in der Druckgraphik zu den »Portraits des hommes illustres françois« (Katalog Nr. 23) erhält: »doctorum columen doctrina claruit ipse orantem coetus et stupuere sacri«8 in der Rezeption als Gelehrter vielfältiger Handlungsspielräume, als Gründer der Universität Reims, als Diplomat und Kirchenfürst.

Die Kommendataräbte agieren zwischen Überheblichkeit, Verschleuderung der Ressourcen einerseits, andererseits zeigen manche auch Engagement für den Orden und Cluny; immer bewegen sie sich, vor allem im Rahmen ihrer Handlungsspielräume, die sie als Erzbischöfe, Bischöfe innehaben, aber im soziokulturellen Raum und abhängig von geopolitischen Ereignissen: Reformation, Konzil von Trient, Gegenreformation, Absolutismus. Von den Personen ist aber abhängig, wie sie sich gegenüber dem Ruf nach einer inneren Reform der Klöster und dem Aufbruch der wissenschaftlichen Studien in Paläografie, Diplomatik und Textedition, die Ergebnis der Rückbesinnung auf benediktinische Bildungsideale sind und in Saint-Germain-des-Prés ihr Zentrum haben werden, verhalten.9

Der mit zahlreichen Abbildungen versehene Katalog ist eine sorgfältig bearbeitete Dokumentation zur Ausstellung, die aufgrund der hohen Qualität der Abbildungen, der Texte und sorgfältigen Objektbeschreibungen (Portraits, Urkunden und Briefen, Handschriften, Druckwerken, Münzen, Medaillen, Wappen und Siegeln), sowie Textilien (Tapisserien) und nicht zuletzt durch das Glossar einen über die Ausstellung hinaus wertvoll bleibenden Beitrag zu den »Abbés commendataires de Cluny« darstellt.

1 Sébastien Barret, La mémoire et l’écrit: l’abbaye de Cluny et ses archives (Xe–XVIIIe siècles), Münster 2004.
2 Paris, BnF, Ms Latin 1429, fl. 107v.
3 Jacque Sanson (1596–1665), La Vie et les éminentes vertus de St Maur Abbé…, Paris 1640, 60.
4 Actes du Chapitre Général de l’Ordre de Cluny. Année 1728 (Impr. de P. Simon, Paris 1729); Arrêt notable (des commissaires généraux députés par le Roi) portant règlement entre les abbés et prieurs commendataires et les communautés religieuses établies dans les abbayes, prieurés et autres bénéfices en commende (Imp. de Saugrain, Paris 1727). BNF, F-21102 (14)
5 Daniel-Odon Hurel, La représentation de Cluny chez les auteurs des VXIIe et XVIIIe siècles, dans: Revue Mabillon 72 (2000), 115–128.
6 Missale monasticum ad usum sacri ordinis Cluniacensis, Paris 1733. Exemplar: Bibliothèque nationale de France, département Arsenal, FOL-T-759: ark:/12148/bpt6k10403736.
7 Chantilly, Bibliothèque du musée Condé, ms 721, f.00Br: Translatez de latin en francoys par Maistre Anthoine Macault. https://portail.biblissima.fr/fr/ark:/43093/mdatafa08e9eb584e0d6cadfd8d347fb0587e4033be66.
8 Marc de Vulson de La Colombière, Les Portraits des hommes illustres françois qui sont peints dans la galerie du Palais cardinal de Richelieu…, Paris 1650, Nr. 17; Bibliographische Aufnahme : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb316111666.
9 Martinus Marrier, Bibliotheca Cluniacensis: in qua ss. patrum abb. Clun. vitae, miracula, scripta, statuta, privilegia chronologiaque duplex, item catalogus abbatiarum, prioratuum, decanatuum ..., Paris 1614.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Meta Niederkorn-Bruck, Rezension von/compte rendu de: Benoît-Henry Papounaud, Florian Galletti, Daniel-Odon Hurel (dir.), Les abbés commendataires de Cluny. XVe–XVIIIe siècle, Émairenville (Les éditions du patrimoine) 2024, 96 p., ISBN 978-2-7577-0949-8, EUR 16,00., in: Francia-Recensio 2025/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.2.111344