Der Titel rührt von der Erkennungsformel eines Rundfunksenders, der von Oktober 1940 bis Juni 1942 ausstrahlte, nördlich der britischen Metropole angesiedelt war und eine Handvoll deutscher Exilleute beherbergte. Das Thema dieses Sammelbandes geht auf ein lang zurückreichendes Vorhaben von Walter Lipgens aus den 1980er-Jahren zurück. Er weist ein breites Spektrum auf: In einem ersten Abschnitt »Europa-Ideen im deutschen Widerstand« beschäftigen sich Michael Kißener mit dem deutschem Widerstand allgemein, ausgehend von dessen Akteuren, Bedingungen und Formen, Willy Buschak mit Gewerkschaftern und Pénélope L. Patry mit Willy Brandt. Andreas Wilkens behandelt Hilda Monte und Joachim Scholtyseck den Kreisauer Kreis. Ulrich Pfeil geht auf kommunistische Europavorstellungen ein. In einem zweiten Abschnitt »Europa-Ideen in den Widerstandsbewegungen europäischer Länder« beleuchtet Robert Belot die französische Version. Gilles Grin präsentiert die Ideen von Jean Monnet und Christian Chevandier die Rolle von André Philip. Daniela Preda analysiert die italienische Resistenza und ihr Verhältnis zur europäischen Einheitsidee sowie Antonella Braga das berühmte »Ventotene Manifesto« von 1941, während Guido Levi Widerstand in Genua und Ligurien behandelt, der auf paneuropäische Traditionen von Giuseppe Mazzini rekurrierte. Jan Willem Brouwer beleuchtet das Denken von Wilhelm Drees, während Christoph Brüll Belgien und Luxemburg untersucht. Vladimír Goněc vergleicht tschechoslowakische Europa-Konzepte von Antonín Basch, Edvard Beneš und Milan Hodža. Wilfried Loth resümiert gekonnt. Auswahlbibliografie, Personenregister und Mitarbeiterverzeichnis runden eine beachtliche Komposition ab, die manch Bekanntes aber auch viel Neues bietet.
Das Fazit lautet stark komprimiert: Die Wirkung des deutschen Agierens war bescheiden. Die Verbrechen des »Dritten Reiches« konnten weder wirksam verhindert, noch das NS-System effektiv gefährdet werden. Deutschland wurde von den Alliierten und nicht vom Widerstand befreit. Es gab weit mehr Tragik als Erfolg (25). Auf gewerkschaftlicher Ebene bestand bemerkenswerte personelle Kontinuität zwischen Europa-Debatten im Exil und Widerstand sowie Europa-Bewegungen nach 1945. Willy Buschak hält fest, dass Europa-Pläne im Widerstand und im Exil zu festen Traditionslinien der europäischen Einigung zählen (42‑43). Willy Brandts Exil-Erfahrungen waren für seine späteren Europa‑Vorstellungen prägend. Norwegen und Schweden machten ihn zum Außenpolitiker und Internationalisten besonderer Art. Seine Europa-Ideen gründeten auf Gleichheit, Recht und Respekt im Sinne europäischer sozialer Demokratie (63).
Die in Wien geborene Hilde Meisel (alias Hilda Monte) zählte – zu Unrecht, wie Wilkens betont – in der bisherigen Forschung nicht zu den Frauen des deutschen Widerstands. In jungen Jahren fand sie zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK), einer Splittergruppe links der SPD. Im britischen Exil kam Monte mit alliierten Nachrichtendiensten in Kontakt. Die Jahre 1942‑43 waren geprägt vom Abfassen und der Veröffentlichung ihres Buchs The Unity of Europe, welches exemplarisch für konkrete Ausformulierungen zur europäischen Nachkriegsordnung seitens des deutschen Widerstands steht. In einer zukünftigen föderative Ordnung Europas sah sie den einzigen Garanten für einen stabilen Frieden (78–80). Die Sowjetunion war für Monte kein Teil eines geeinten Europas, während ihre Einschätzung zur Rolle Großbritanniens abwägend-unentschieden blieb. Am 17. April 1945 wurde sie auf dem Weg zur Überquerung der österreichisch‑liechtensteinischen Grenze in Tisis nahe Feldkirch in Vorarlberg von einem Grenzwache-Beamten angehalten und kurz darauf – wahrscheinlich nach einem Fluchtversuch – erschossen (65–69). Ihr Wirken blieb lange unbekannt.
Das Erbe der Europavorstellungen des Kreisauer Kreises bestand in Lossagung vom aggressiven Nationalismus und preußisch‑wilhelminischen Soldatengehorsam. Großraumordnungen, Mitteleuropa-Konzeptionen und hegemonialen Ideen stellten die Kreisauer neu entwickelte eigene Ideen gegenüber. Aufgrund wiederholter Beschwörungen des proletarischen Internationalismus war für Kommunisten Europa nur in den wenigsten Fällen ein transnationaler politischer Aktionsraum (120).
Der französische Widerstand wies einen Übergang von patriotischer Reaktion zum Anti-Nazismus auf, wobei ein christlicher Humanismus als europäisches Erbe eine Rolle spielte. Im Verhältnis von Charles de Gaulle zu Henri Frenay zeigt sich, dass es erhebliche Differenzen in der Résistance gab. Jenseits der selbstverständlichen Forderung, Frankreich von der NS‑Besatzung zu befreien, zeigten sich nämlich schon im Exil und Widerstand Trennungslinien der politischen Zukunft Frankreichs, die sich im Kontrast zwischen Europäismus und Gaullismus manifestierten (148). Monnet, ein Gegner des Nationalismus und Protektionismus, gelangte erst in den letzten Kriegsjahren zur konkreteren Ausgestaltung seiner Europa-Ideen im Zuge der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands und des Siegs der Alliierten (153–158), was beides Vorrang für ihn hatte. Der Jurist André Philip war als bekennender Protestant und »undogmatischer Sozialist«, nicht gegen Deutsche, aber gegen Hitler. Er kämpfte für ein demokratisches Europa; selbst wenn es notwendig war, Gewalt anzuwenden, akzeptierte er keine Hassgefühle (178).
Ausgehend von der Vielzahl föderalistischer Gruppierungen im italienischen Widerstand wird deutlich, dass die »Vereinigten Staaten von Europa« von politischen und intellektuellen Eliten des Landes »als übergeordnetes Ziel« identifiziert wurden (200). Auf der Insel Ventotene entwickelten sich jenseits politisch‑ideologischer Barrieren gemeinsame Vorstellungen zwischen unterschiedlichen Männern verschiedener politischer Lager wie dem vormaligen Kommunisten Altiero Spinelli, dem Sozialisten Eugenio Colorni und dem Liberalen Ernesto Rossi. Das »Ventotene Manifesto« weist Analogien zu den zeitgleich verfassten Schriften von Léon Blum in Frankreich, den Gedanken des Kreisauer Kreises und den Überlegungen Montes auf (213). Es ging um die Bewältigung der Krise der modernen Zivilisation, die Aufgaben der Nachkriegszeit mit Blick auf Europas Einigung und gesellschaftliche Reformen, wobei sich eine Handlungsstrategie für eine neue politische Bewegung entwickeln sollte (215–220).
Der Sozialdemokrat Willem Drees wurde zu einer zentralen Figur des niederländischen Widerstands und war überzeugt, dass sich die kolonisierten Völker Asiens von der europäischen Herrschaft befreien und sich in Richtung Unabhängigkeit bewegen würden, auch wenn sein Land mit Indonesien verbunden bleiben sollte (252). Er lehnte kollektive Rache am deutschen Volk ab, was er als »Frage von Menschlichkeit und Gerechtigkeit«, aber auch »des gut verstandenen Eigeninteresses« begriff (253). Sowohl der belgische als auch der luxemburgische Widerstand vermochten es in der End- und Nachkriegszeit nicht, »ihr symbolisches Kapital in politisches Kapital umzuwandeln« (268–269).
Noch weniger rosig sollte es nach 1945 für Mitteleuropa aussehen. Für den früheren Außenminister und Präsidenten der ČSR (tschechoslowakische Republik) Beneš war eine neue Ordnung Europas zunächst nicht nur Resultat eines mechanischen Gleichgewichts. Ein supranationales Europa sah er als Garant für Menschen- und Bürgerrechte. Der vormalige Ministerpräsident der ČSR Hodža widmete sich in einer Schrift einer »Föderation in Zentraleuropa«. Bereits vor 1914 war er mit diesem Anliegen im Rahmen des Belvedere-Kreises um Thronfolger Franz Ferdinand in Wien befasst (279). Im Laufe des Jahres 1943 bereitete er eine neue Version mit seiner Schrift »Federation in Central Europe« vor. Für Hodža war Stalin die Verkörperung eines expansionistischen russischen Nationalismus, den er als »moskowitischen kommunistischen Drang nach Westen« interpretierte (281). Der tschechische Ökonom Basch hingegen sah im Exil die Wirtschaftsintegration als Investition in den europäischen Frieden. Mit ihren Ideen waren Basch, Beneš oder Hodža Ausnahmen in ihren Ländern. Unter den extrem harten Bedingungen des Krieges und der deutschen Besatzung entwickelte sich eine vehemente antideutsche und anti-ungarische Stimmung, die später von der KPČ instrumentalisiert und missbraucht wurde für eine Ideologie der Rache. Deutschland galt für sie als der »schlimmste Feind seit Jahrhunderten«. Nach 1948 wurden die Thesen von Basch, Beneš und Hodža zur Neuorganisation Europas als »gefährliches antisowjetisches Gedankengut« stigmatisiert und unterdrückt (290–291).
Wilfried Loth empfiehlt in seinem abschließenden Kommentar, den europapolitischen Beitrag von Exil und Widerstand weder zu überschätzen noch zu unterschätzen, ebenso wie er es für überzogen hält, die Vision eines Vereinten Europa als Vermächtnis der Résistance zu bewerten. Diese war nur von engagierten Minderheiten getragen, bewegte sich allerdings in einem wachsenden Sympathisanten-Umfeld (293, 303). Die Ablehnung einer regionalen Friedensorganisation für Europa durch US‑Präsident Roosevelt Ende 1943 und die Absage Stalins an Föderationspläne für Mitteleuropa ohne sowjetische Teilhabe bedeuteten einen starken Dämpfer für Europa-Visionäre. Loth hält den ernüchternden Befund fest, dass die Unsicherheit über die Grenzen einer Föderation für Europa und die Ablehnung durch die neuen Mächte, das kontroverse polnisch-sowjetische Grenzproblem und die Befürchtung vor einer Ost-West-Spaltung des Kontinents eine geschlossene Formation und Kommunikation der Europa-Bewegung des Widerstands verhinderten (302).
Das Gesamtergebnis dieses Bandes ist hoch einzuschätzen, nicht nur weil es Lipgens‘ Pionierarbeiten bestätigt (die zeitweise einer Kritik unterzogen worden waren, wonach er angeblich die Bedeutung der Widerstandsgruppen übertrieben habe), sondern differenziert fortschreibt. Die in diesem Band versammelten analytisch, biographisch und gruppenspezifisch angelegten Einzelstudien liefern darüber hinaus weitere neue detailreiche und präzisierte Erkenntnisse: Wer zum europäischen Widerstand zwischen 1933 und 1945 in vergleichender Form weiterforschen will, kommt an diesem gehaltvollen Kompendium nicht vorbei.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Michael Gehler, Rezension von/compte rendu de: Andreas Wilkens (Hg.), »Wir kämpfen für ein Europa des Friedens.« Europapläne im deutschen und europäischen Widerstand 1939–1945, Berlin (Lukas Verlag) 2024, 324 S. (Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Reihe A: Analysen und Darstellungen, 13), ISBN 978-3-86732-070-2, EUR 29,80., in: Francia-Recensio 2025/3, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.112803





