Wie sehr visuelle Medien Politisierungs- und Polarisierungsprozesse auch über Staatsgrenzen hinweg anheizen können, kann man in unserer Gegenwart täglich und in Echtzeit verfolgen. Ähnliches lässt sich, wenn auch unter anderen medialen Bedingungen, für vergangene Epochen beobachten, und zwar ganz besonders in Zeiten von Umbruch und Revolution. Der vorliegende Band widmet sich der politischen Bildpublizistik im Zeitalter der Revolutionen und formuliert den Anspruch, besonders die Materialität von Diffusions- und Rezeptionsprozessen in den Blick zu nehmen. In seiner Einleitung situiert der Herausgeber Pascal Dupuy die neun Beiträge, die auf einen internationalen Studientag an der Université Rouen-Normandie zurückgehen, im Rahmen neuerer bild- und medienhistorischer Ansätze, die sich nicht allein mit der Ikonografie und Bildsprache visueller Medien befassen, sondern zunehmend Produktionsbedingungen sowie Verbreitungs- und Rezeptionspraktiken untersuchen und damit unter anderem das Problem der oft eher unterstellten als nachgewiesenen »Popularität« der politischen Bildpublizistik beleuchten.

Der erste Abschnitt des Bandes vereinigt fünf Aufsätze, in denen es vor allem um materielle Aspekte der Verbreitung von Bildern geht. Gervaise Brouwers untersucht Konjunkturen der Übernahme neuer Grafiktechniken, konkret Mezzotinto und Stahlstich, zwischen England und Frankreich im Kontext zeitgenössischer Kunstdebatten und Politik vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Sofiane Taouchichet widmet sich der Serienproduktion von Bildern als Verbreitungsmodalität in der Kulturindustrie des 19. Jahrhunderts und plädiert dafür, dies vor allem bei der Untersuchung von Satirestichen und -zeitschriften stärker als bisher zu berücksichtigen. Rolf Reichardt analysiert die länderübergreifende Zirkulation und Adaption von Bildmotiven als Indizien für breitenwirksame Rezeptionspraktiken und unterscheidet dabei zwischen 1789 und 1848 verschiedene Modi von Bildkopien. Wenn etwa findige Unternehmer während der Französischen Revolution besonders populäre Bildmotive auf Alltagsgegenständen wie Tabaksdosen, Knöpfen oder Fächern platzierten, dann ging damit eine »ikonische Reduktion« einher, die entscheidend zur Popularisierung »patriotischer« Bildmotive beitrug. Andere Mechanismen wirkten dagegen im 19. Jahrhundert bei schematisierten Bildkopien in Satirezeitschriften und illustrierter Presse. Kopien, so Reichardts übergreifende These, können ungeachtet historisch variabler Arten des Kopierens als Indikatoren für Beliebtheit und Massenerfolg bestimmter Bildmotive dienen. Dass viele wesentliche Praktiken politischer Agitation im Medium der Druckgrafik schon im vorrevolutionären Frankreich eingeübt wurden, zeigt Pierre Wachenheim in seinem Beitrag zur jansenistischen Bildpublizistik. Hunderte politisch subversive Porträtstiche und satirische Ereignisbilder zirkulierten während der Regierungszeit Ludwigs XV. als Illustrationen oder Frontispize in Flugschriften, Traktaten und Zeitschriften oder als Einblattdrucke und trugen dazu bei, die großen politisch-religiösen Konflikte dieser Zeit – Jansenismusstreit, Verbot des Jesuitenordens und die Auseinandersetzung zwischen Krone und Parlements – zuzuspitzen und anzuheizen. Während diese französische Bildproduktion weitgehend anonym blieb, sah Großbritannien am Ende des 18. Jahrhunderts mit James Gillray einen bereits zu Lebzeiten berühmten Karikaturisten. Tim Clayton untersucht in seinem Beitrag Gillrays Karikaturen während der Zeit der Französischen Revolution, wobei er den Blick vor allem auf die Verbindungen des Künstlers zu Verlegern und Druckern sowie auf sein Verhältnis zur Regierung Pitt richtet, aus deren Umfeld er ab 1796 mit Aufträgen versehen wurde. Zwar unterlag die Karikatur in dieser Zeit in Großbritannien keiner direkten Zensur, doch wie die Fallstudien von Clayton zeigen, gab es für Künstler wie Gillray gute (finanzielle) Gründe, sich mit wichtigen Akteuren der Regierung vor der Publikation von Karikaturen ins Benehmen zu setzen oder auch direkte »Anregungen« aufzugreifen.

Die Beiträge im zweiten Abschnitt des Bandes befassen sich mit verschiedenen Aspekten der französischen Bildproduktion im Kontext der Revolutionen des 19. Jahrhunderts. Jacqueline du Pasquier beschreibt die in royalistischen Kreisen der Restaurationszeit aufkommende Mode, Glasmedaillons oder Vasen unter Nutzung einer damals entwickelten speziellen Technik mit Porzellanporträts von Mitgliedern der Königsfamilie zu verzieren. Charles-Éloi Vial stellt sich die Frage, weshalb in französischen Karikaturen zur Julirevolution von 1830 erstmals Tiere, insbesondere Kleinwild, als revolutionäre Akteure auf den Barrikaden in Erscheinung treten (es hat mit der Jagdleidenschaft Karls X. zu tun). Saskia Hanselaar untersucht den Entstehungs- und Rezeptionskontext einer 1836 erschienenen Grafikserie mit 19 Porträts zeitgenössischer französischer Schriftstellerinnen, die seinerzeit wenig beachtet und von Grafikhändlern erst im Nachhinein als »Blaustrumpf«-Karikaturen gelistet wurden, obwohl ursprünglich gar keine satirische Absicht mit der Serie verbunden war. Guillaume Doizy schließlich schaut sich die besonders heftigen und teils handgreiflichen Auseinandersetzungen um Karikaturen während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs 1848 an und macht als Ursache unter anderem eine zuvor so nicht praktizierte Instrumentalisierung der politischen Karikatur durch eine destabilisierte politisch-soziale Elite aus.

Der Band, soviel dürfte nach diesem kurzen Inhaltsüberblick klar sein, vereinigt in Qualität und Umfang sehr heterogene Beiträge, von denen die meisten ein hochspezialisiertes Thema verhandeln und dabei im Wesentlichen deskriptiv verfahren. Nur wenige Autoren (z. B. Reichardt, Wachenheim) formulieren Thesen, die über den konkreten Fall hinaus anschlussfähig sind. Positiv zu vermerken ist die hohe Qualität der Abbildungen, die im Abbildungsverzeichnis zudem sorgfältig erschlossen sind. Ein gemeinsames Verständnis der programmatischen Grundbegriffe des Bandes – Politik, Materialität, Diffusion – lässt sich indes nicht erkennen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christine Vogel, Rezension von/compte rendu de: Pascal Dupuy (dir.), De la création à la confrontation. Diffusion et politique des images (1750–1848), Mont-Saint-Aignan (Presses universitaires de Rouen et du Havre) 2023, 264 p., 79 ill. en coul. (Changer d’époque, 36), ISBN 979-10-240-1727-3, EUR 28,00., in: Francia-Recensio 2025/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.112987