Der Anlass des vorliegenden Buchs ist eine kleine archivalische Sensation gewesen: 2019 ist im Château Villebon (Eure-et-Loir) in den Überlieferung der Familie de L’Aubespine – einer Dynastie von diplomatischen Funktionsträgern des 16. und 17. Jahrhunderts – die Urschrift des als »Damenfrieden« bekannten Friedensvertrags von Cambrai 1529 aufgetaucht. Sie trägt die Unterschriften der Verhandlungsführinnen Louise von Savoyen und Margarete von Österreich. Anlässlich des Erwerbs und der Präsentation in den Archives diplomatiques fand Ende 2021 eine journée d’étude statt, die die Grundlage des vorliegenden Gemeinschaftswerkes bildet. Es überrascht nicht, dass die Federführung dieses Bandes vor allem in der Hand der einschlägigen Archivare liegt, angereichert durch die historische und kunsthistorische Expertise weiterer Beiträger und Beiträgerinnen. Obwohl sich in jüngerer Zeit schon Kolloquien in Lüttich und Bourg-en-Bresse 2017/2018 dem Damenfrieden von Cambrai gewidmet haben, ergänzt der vorliegende Band unser Wissen zur französischen Diplomatie in der Renaissance nicht unwesentlich.
Gegliedert ist der Band in eine umfangreiche Einleitung, die den historischen Kontext entfaltet, sowie drei größere thematische Kapitel, jeweils in Ko-Autorschaft verfasst. Sowohl die Einleitung, mehr noch aber das wesentlich von Guillaume Frantzwa verantwortete erste Kapitel, das die Friedensdiplomatie der 1520er-Jahre in den Kontext der Renaissance-Diplomatie stellt, zeichnen nach, wie sehr sowohl der Friede von Madrid 1526 als auch der von Cambrai 1529 für Frankreich das Eingeständnis der militärischen Niederlage gegen Karl V. bedeutete. Dies machte schon der jeweilige Textgehalt der Verträge deutlich, war der »Damenfrieden« doch auf weite Strecken mit dem von Madrid identisch – lediglich einige inhaltliche Verbesserungen sollten den Frieden nunmehr nachhaltig machen. Dazu zählte vor allem die Auslösung der beiden Söhne Franz’ I. aus spanischer Geiselhaft. Die dazu veranschlagten enormen Summen vergrößerten das finanzielle Desaster der französischen Monarchie, eigentlich der potentiell reichsten in Europa. Deutlich wird aber auch, wie geschickt der französische König die Ratifikation der Verträge für die Mobilisierung von Rückhalt in seiner Monarchie zu nutzen suchte. Damit der Frieden zu Cambrai diesmal nicht durch Franz I. gebrochen wurde, beharrten die Spanier darauf, dass er durch eine Repräsentation des gesamten Königreichs ratifiziert werden sollte. Dies wurde jedoch nicht durch die Generalstände bewerkstelligt, sondern durch zahlreiche Versammlungen, auf denen entweder königliche Amtsträger (Bailli, Sénéchal) oder Provinzialstände präsent waren. Kritik an der Krone, die das Heft des Handelns so in der Hand behielt, konnte sich dort nicht äußern, vielmehr beschränkte sich die Mitwirkung auf Solidaritätsadressen. Der Krone gelang es jedenfalls, die erheblichen finanziellen Friedenslasten so weit als möglich auf das Land umzuverteilen. Gleichzeitig flankierte ein grand tour mit den freigelassenen prinzlichen Geiseln die königliche Solidarisierungsoffensive durch das Königreich.
Dieses erste Kapitel erhält sein Gewicht im Gesamtband darüber hinaus durch die Analyse der Personengruppen, die letztlich für die Monarchie das Geschäft der Diplomatie wie überhaupt die zentrale Verwaltung des Staatswesens betrieben. Wenn hierbei ein kleiner Kreis von familiär verflochtenen, meist juristisch gebildeten Experten, die die Funktionen von Sekretären wahrnahmen, identifiziert werden kann, so entspricht dies im 16. Jahrhundert einer gesamteuropäischen Entwicklung. Frankreich kam dabei wie in vielen anderen politischen Kontexten eine Vorbild- und Führungsrolle zu. Da ein zentralisiertes königliches Archiv, in dem die Urkunden und vor allem Akten der entsprechenden Verhandlungen erst unter Ludwig XIV. etabliert wurde, blieben diese meist im Besitz der entsprechenden Familie. Das dritte Kapitel verfolgt die daraus resultierenden komplizierten Überlieferungsgeschichten, die im Fall des Damenfriedens in die archivalischen Überlieferungen der Familie de L’Aubespine führten. Zugleich wird die weitere Entwicklung nachgezeichnet: Die Überlieferung der zentralen Akten und Papiere verblieb immer weniger in der Hand der jeweiligen Akteure und deren Familien, sondern wurde von den zentralen Funktionsträgern an deren Amtsnachfolger tradiert und schließlich in ministeriellen Archiven deponiert – eine Entwicklung, die erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachhaltig Fahrt aufnahm.
Diese beiden historischen und archivalischen Kapitel rahmen das zweite Kapitel ein, das sich dem Damenfrieden selbst als einer alternativen – da weiblichen – Vision von Macht (une autre vision du pouvoir) widmet. Wenn sich 1529 denn wirklich eine alternative Form weiblicher Diplomatie, die in besonderem Maße friedensfähig war, manifestierte, dann arbeitet Aubrée David-Chapy heraus, wie singulär und voraussetzungsvoll die entsprechende Konstellation war. Margarete von Österreich, als Witwe Statthalterin der Niederlande, verfügte genauso wie ihr Pendant, die französische Königinmutter Luise von Savoyen, über jeweils eigene Herrschaftslegitimation. Zudem waren die Protagonistinnen verschwägert – Margaretes verstorbener Ehemann Philibert von Savoyen war Luises Bruder, und beide kannten sich von gemeinsamer Erziehung am französischen Hof der 1480er-Jahre. Wenn in dieses Verwandtschaftsgeflecht auch noch die zukünftige Gattin Franz’ I., Eleonore von Österreich, einbezogen wird, dann erklärt dies, weshalb das besonders heikle »Familienproblem« der prinzlichen Geiseln in spanischer Hand 1529 gelöst werden konnte. Wenngleich die Bezeichnung »paix des Dames« wohl nicht ursprünglich gewesen ist, lag sie doch schon bei der Inszenierung des Friedensschlusses in Cambrai gleichsam in der Luft: Während Franz I. und erst recht Karl V. im Wortsinn außen vor blieben – Franz I. zog erst einige Tage nach Friedensschluss in Cambrai ein –, demonstrierten die drei Herrscherinnen vor Ort durch öffentliche Versöhnungs- und Vertrauensgesten, dass sie den Frieden zustande gebracht hatten – und zwar durch hochprofessionelles Verhandeln. Das Versprechen auf Nachhaltigkeit sollte sich jedoch nicht bewahrheiten, nicht zuletzt, weil die Protagonistinnen schon 1530 bzw. 1531 verstarben, und der nächste Kriegsausbruch bereits 1536 erfolgte. Die Konstellation von 1529 blieb folglich exzeptionell.
Der vorliegende Band diskutiert diese spezifische diplomatische Konstellation, die in der Frühen Neuzeit kaum und in der französischen Diplomatiegeschichte gar keine Nachfolger gefunden hat, nuancenreich und differenziert. Dass der Fund des Originals des Vertrags unser Wissen fundamental verändert hätte, wird man nach der Lektüre nicht behaupten können – das Originaldokument dient erkennbar nur als Aufhänger für den vorliegenden Band. Dies macht allerdings auch nicht den Wert des Bandes aus. Er liegt vielmehr in der gelungenen Kooperation von Historikern und Archivaren, die vor Augen führt, in welchem Maße die Überlieferung der Dokumente Teil der Geschichte selbst ist.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Horst Carl, Rezension von/compte rendu de: Sylvie Le Clech, Guillaume Frantzwa, Nicolas Chibaeff, Caroline Bornet (dir.), 1529. La paix des Dames. Faire la paix à la Renaissance, Paris (Éditions du CTHS) 2024, 220 p. (Diplomatie et Histoire), ISBN 978-2-7355-09652, EUR 24,00., in: Francia-Recensio 2025/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.112998





